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Feuer und Heiss
So, nachdem ich heut unerwartet knülle war, mir die Haxen und alles mögliche andere wehtat, hab ichs piano mit langem Schlafen angehen lassen, die Schwimmklamotten vergessen und dafür endlich mal die paar Zeilen zu meinen Puschen fertiggetippst:
Steter Tropfen höhle den Stein, sagt man und irgendwann war es dann doch soweit, dass ich, von Sparsamkeit und Neugier getrieben, einen unserer Vereinssponsoren um ein paar Woolf-Laufschuhe anging.
Nach einem kurzen Intermezzo mit einem Paar „Berlin Racer“ landete ich in den Firewoolf.
Zuerst war ich skeptisch: die BerlinRacer scheuerten am Knöchel, die Firewoolf eine Nummer kleiner saßen sehr stramm.
Dies besserte sich jedoch innerhalb von Minuten, ebenso wie das Barfussgefühl: endete der erste Versuch in weniger als zwei Kilometern mit Blasen an der Ferse, waren nach kurzer Zeit auch Distanzen über mehr als zehn Kilometer kein Problem mehr.
Nach sehr kurzer Einlaufzeit sind die Schuhe barfuss deutlich angenehmer zu tragen, als zB. die Asics Gel Noosa Tri.
Ich führe dies auf die leichte Bauweise zurück: die Firewoolf sind mit die leichtesten Laufschuhe überhaupt (wenn nicht DIE leichtesten), und dementsprechend ist der erste Eindruck: aus meinen nur noch zum Arbeiten getragenen Asics Gel Stratos, „dem perfekten Einstieg in die Dämpfungskategorie mit komfortablen, entspannten Lauf bei direktem Bodengefühl dank attraktivem Preis und viel Technik (Gel Dämpfung in Vorfuß und Ferse, SpEVA Zwischensohle. Laufschuhkategorie: Dämpfung), geeignet für: leichte bis mittelschwere Läufer mit neutralem Abrollverhalten“ umgestiegen in die Firewoolf, fühlt man sich wie in nem Carrera RS, nachdem man nem Strich-Achter mit ausgenudelten Sitzfedern entstiegen ist.
Mann, sind die Dinger flach! Sprengung gegen Null, gefühlsecht, spritzig, schnell, am Fuß kaum zu spüren, leicht zu beschleunigen;- wie aus einer anderen Welt. Und auffällig: während es ganz klar dezentere Schuhe gibt, schreien die Firewoolf schon alleine farblich nach Speed.
Beigelegte Tankas ermöglichen, die Schnürsenkel nicht erst zuknoten zu müssen, ich habe zusätzlich Gummischnur statt der Schuhbendel eingezogen und bin nun mit einem im Halbschlaf auszuführenden Sprung in den Tretern und auf der Laufstrecke.
Mit einer Einschränkung: ebenso spartanisch und gefühlsecht wie das gesamte Schuhwerk ist die Zunge: schmal und dünn, dazu zu Faltenbildung neigend. Hier muss man wirklich darauf achten, dass die Schnürung abgedeckt wird, sonst gibt’s mit der Zeit unangenehm werdende Druckstellen, die jedoch nicht scheuern.
Als bekennender Fersenläufer gabs natürlich erstmal einen Aha-Effekt, denn schon die vorne hochgezogene Sohlenform ist deutlich auf schnelles Mittel- bzw. Vorfußlaufen ausgerichtet, der Sohle selbst sind Dämpfungseinrichtungen so gut wie fremd.
Umso verblüffender, wie man diese Laufform unbewusst zumindest teilweise annimmt, den Aufsetzpunkt weiter unter den Körper verlagert, Kniehub und Anfersen intensiviert, den Abdruck verstärkt, und ja, ich denke nicht, dass ich mir das einbilde, einfach schneller läuft.
Meine Zeiten sprechen da eine klare Sprache, zumal ich die Firewoolf nach einer vierwöchigen Laufpause in Betrieb genommen hab. Seither hatte ich von meinen anderen Laufschuhen (Asics Gel Trainer bzw. Gel Empire) nur noch einmal die Trainer an und kam mir beim Laufen vor, als steckte ich bis zu den Knien im Schlamm. Das Laufgefühl in den Asics wirkt durch das Innenleben der Sohle wie abgekoppelt im direkten Vergleich zu den Firewoolf, die Schritte ungelenk und schwerfällig. Der Vergleich mag vielleicht dämlich wirken, aber während die Firewoolf an eine sehnige, im Sprung begriffene Raubkatze erinnern, haben meine Asics eher den Touch eines gebückten, alten Weibes.
Natürlich muss dies nicht einzig von Vorteil sein: der direkte Draht durch die Sohle zum Untergrund vermittelt auch auf geschotterten Wegen ein überaus gefühlsechtes Lauferlebnis einschließlich dem Piesacken spitzer Steine und die offenbar bei den Tri Noosa abgeguckten Entwässerungsgitter in der Sohle sorgen weniger für effektives Belüften der Füße denn für erstklassigen Feuchtigkeitseinbruch auf nassen Wegen oder wenn man auf feuchte Grasbüschel tritt.
Zum Trailrunning sind die Schuhe also ganz klar nicht gemacht, sie spielen aber für Neutralläufer gnadenlos ihre Vorteile auf festem Untergrund aus.
Und noch eine Unart soll nicht unerwähnt bleiben: durch die luftige Bauweise setzt der Fußschweiß in Verbindung mit Bakterien sehr schnell deutlich wahrnehmbare Gerüche frei.
Im Wettkampf selbst sicher kein Thema, danach sollte man aber möglichst schnell aussteigen, zumindest als Barfussläufer, und wenigstens die Innensohle baldigst auswaschen.
Um trotz dieser Innenreinigung täglich frische Firewoolfs besteigen zu können, wanderte sehr bald ein zweites Paar zu meinem Hausrat, diesmal aber nicht im giftgrün-roten Anstrich sondern in Weiß mit blau-roten Applikationen.
Hier zeigte sich sehr bald, dass nicht nur die Farbgebung anders ist, sondern sich auch der Aufbau unterscheidet. Nach nicht einmal 50 Laufkilometern begann sich das Meshgewebe am kleinen Zeh zuerst rechts, kurze Zeit später auch links aufzulösen, wo beim grün-roten Modell ein Kunstlederstreifen das entscheidende Quäntchen weiter nach hinten gezogen ist.
Statt Umtausch erhielt ich ein drittes Paar Firewoolf, allerdings aus dem 2008er Jahrgang. Diese blind im Karton mitgenommenen Schuhe hatten zwar die gleiche Größe, fielen aber so klein aus, dass ich nichtmal reinschlupfen konnte, eine Nummer größer fielen sie jedoch bereits recht geräumig aus.
Auf diese Weise geriet ich dann dank eines zweiten Umtauschs an mein erstes Paar Berlin Racer.
Das wird dann aber evtl. ne andere Story...
Nachtrag: Obwohl eigentlich ausm gleichen Baujahr, haben schon die weiß-blau-roten Firewoolf die vordere Belüftungs-/Entwässerungsöffnung nicht mehr, in Berlin zum Racen braucht man gar keine und dementsprechend hat der Schuh auch keine. Gehe nu ne Runde Laufen damit.
Morgen wirds nicht deutlich besser in Sachen Training, da ich für nen Kollegen einspringe, statt meinen freien Tag zu nehmen.
Damit die Option, morgens zu laufen, offenbleibt, hau ich mich nu in die Falle. Hoffentlich nervt die Katze nicht wieder um Fünf in der Früh...
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Erinnerst du dich an die Zeit vorm Internet, als wir dachten, die Ursache für Dummheit wäre der fehlende Zugang zu Informationen? DAS war es jedenfalls nicht!
Geändert von sybenwurz (29.07.2008 um 09:10 Uhr).
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