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Alt 01.12.2014, 15:05   #6382
captain hook
 
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Apropos Teneriffa... zur Vorbereitung darauf erhielt ich heute vom Kollegen R.B. folgende Gedanken zur Weihnachtszeit:


Wo beginnt der Berg?
Gedanken zum Trainingslager auf Teneriffa
im Januar 2007
Im Laufe eines alpinen Trainingslagers zu
Beginn dieses Jahrtausends haben mein
Freund Christian M. und ich die Frage aufgeworfen,
an welcher Stelle eigentlich „der
Berg“ beginnt. Schließlich ist es für uns Radfahrer
wichtig, wo man starten muss, um danach
mit Fug und Recht behaupten zu können,
den Berg xy gefahren zu sein. Einen Meter
unterhalb des Gipfels zu starten dürfte wahrscheinlich
zu spät sein, am Meeresstrand bei 0
m.ü.M. wohl eher zu früh. Aber wo ist die
richtige Stelle?
Der Berg: kein Anfang und kein Ende?!

Wir haben versucht, das ganze über die Steigung
zu definieren. Allerdings kommt man
damit nicht weit. Allenfalls der Beginn eines
singulären Berges auf einer idealen Ebene –
näherungsweise etwa der Mt. Ventoux - ließe
sich auf diese Weise eindeutig bestimmen.
Sobald man aber auch kleine Steigungen (z.B.
+/- 1%) noch als Ebene definiert oder sobald
man vor nicht-singulären Bergen (auch Gebirge
genannt) steht, ergeben sich Probleme: wo
fängt „mein“ Berg an, wo handelt es sich noch
um einen anderen Berg (Nicht-
Singularitätsproblem) bzw. könnte es Berge
geben, die nie anfangen, wenn man „kleine“
Steigungen noch als Ebene durchgehen lässt
(fassoplano-Problem).
Gott sei Dank: eine eindeutige Steigung!!!

Das gute auf Teneriffa ist ja, dass diese Insel
quasi nur aus einem einzigen Berg – und dann
auch noch dem höchsten Spaniens – besteht
und sich deswegen die „Anfangsfrage“ meist
gar nicht stellt. Weil aber bald wieder die Zeit
kommt, in der wir alle gen Süden pilgern, um
die Berge Mallorcas und Italiens zu erstürmen,
will ich die Gelegenheit nutzen, die allgemein
verbreitete Unsicherheit über den Beginn des
Berges zu zerstreuen. Ich beginne mit der
pragmatischen Antwort meines Ingenieurfreundes
Christian M. und wende mich dann
den wissenschaftlich-exakten dissertationsreifen
Überlegungen meines ehemaligen Geographenkollegen
Jürgen A. zu. Die teils erstaunlichen,
teils neue Fragen aufwerfenden Erkenntnisse
werden schließlich abgerundet durch
eine sehr hilfreiche Anleitung für eine kleine
vorbereitende Übung für zu Hause (vielleicht
können wir die ja auch mal mittwochs in unser
Zirkeltraining einbauen).

Christian M. (Diplomingenieur)
Mail vom 7. September 2002
Also ich würde jetzt gerne schreiben: „Der
Berg beginnt da, wo ich dich abhänge.“ Aber
das glaubt mir leider keiner mehr. Deshalb,
ersatzweise, „der Berg endet da, wo ich auf
dich warte“ Denn schließlich brauche ich ja
jemanden, der mir Windschatten gibt.

Dr. Jürgen A. (Diplomgeograph)
Mail vom 6. September 2002
Mit Deiner Frage nach dem „Beginn des Berges“
bist Du an eine der offenen Fragen der
Geographie gestoßen. Deine trefflichen Beobachtungen
haben auch schon andere Forscher
vor Dir gemacht und in Ratlosigkeit gestürzt.
Ernst Neef hat in seinem Klassiker „Das Gesicht
der Erde“ (1. Auflage Leipzig 1956, mir
vorliegend in der 5. Auflage von 1978), der
laut Vorwort „dem Studenten die wichtigsten
Grundlagen der Physiogeographie“ vermitteln
soll, im lexikalischen Teil den Begriff „Berg“
vollkommen aus gelassen. Erschütternd! Die
Begriffe, „Tal“, „Hang“ und „Ebene“ werden
hingegen ausführlich behandelt. Dabei lernt
man auch, dass ein Tal schon ziemlich weit
oben auf dem Berg beginnen kann. Berg und
Tal sind dort offensichtlich eins - womit man
das Thema an die Philosophen weiterreichen
könnte. Denn welcher Dialektik, welcher
Weltsicht darf man noch trauen, wenn schon
Berg und Tal ihren eindeutig kategorienbildenden
Wert verloren haben.

Je größer der Maßstab, desto länger die Küste
Aber ist ein solcher Urzweifel angebracht,
wenn es doch um ein offensichtliches Problem
geht. Machen wir deswegen einen neuen Versuch.
Fest steht: Einen einzelstehenden Berg
„A“ in einer Ebene „_“ kann man im allgemeinen
eindeutig erkennen - zumindest wenn man
noch weit entfernt ist (__A__). Der Übergang
von der Ebene zum Berg ist offensichtlich.
Erst beim Näherkommen tritt das Problem der
Unbestimmbarkeit des Bergfußes auf. Dies hat
- anders als in Deinen anregenden Überlegungen
- nichts mit einem „fehlenden Knick“ zu
tun. Wie wir ja von weitem erkannt haben,
erhebt sich der Berg „A“ markant. Wir haben
also keine „schiefe Ebene“ oder einen „Hyperbel-
Ast“ gesehen. Ich schlage deshalb vor,
unser Problem als Phänomen anzusehen, das in
der Mathematik unter dem Thema „fraktale
Geometrie“ behandelt wird. Unregelmäßig
begrenzte Flächen lassen sich nicht exakt messen,
weil man - laienhaft gesprochen - beim
Näherkommen immer neue Windungen sieht,
und damit der Umfang ständig zunimmt.

Kartographen kennen dies Problem ganz praktisch,
wenn es darum geht, die Küstenlänge
eines Landes zu bestimmen. Je größer der
Maßstab, desto länger wird die Küstenlinie.
Allgemein wird dies als „Generalisierungsproblem“
in der Literatur beschrieben. Nach
Jensch („Die Erde und ihre Darstellung im
Kartenbild“, Braunschweig 1975, S. 131) kann
man zwischen maßgebundenen und freiem
Generalisieren unterscheiden. Da keimt doch
wieder Hoffnung für Euch Radfahrer aus, weil
Ihr beim freien Generalisieren selbst letzte
Entscheidungen treffen dürft. Falls Dir das als
mathematisch gebildetem Ökonom nicht recht
gefällt, so sei auch die Formel für maßgebundenes
Generalisieren genannt: nF = nA * CB *
CZ * Wurzel(MA/MF).
Im Angesicht des Berges ist der Radler nur
noch ein Schatten seiner selbst…
Die Suche nach dem Fuß
Wenn nun ein einzelner Berg schon solche
Schwierigkeiten macht, dann erst recht ein
Gebirge. Neef stellt hierzu in seinem oben
zitierten Werk auf S. 434 fest: „Gebirge, ein
von niedrigeren Teilen der Erdoberfläche oft
mit einem deutlichen Fuß abgesetztes, ausgedehntes
Hochgebiet der Erde, das mehr oder
weniger stark in Berge, Täler und Hochflächen
aufgegliedert ist. Eine exakte Abgrenzung des
Gebirges gegenüber dem niedrigeren Hügelland
oder lockeren Bergland ist nicht möglich....“
Unklarheit also auch hier. Und offenbar
wird die geringe Wissenschaftlichkeit der
klassischen Geographie, die allzu gern mit
unscharfen Alltagbegriffen arbeitet, sich präzisen
Definitionen widersetzt und mathematische
Präzision scheut. Andererseits kann auch
mathematische Präzision nicht immer zu klaren
Ergebnissen führen, wie der oben gemachte
Ausflug in die fraktale Geometrie und die
Kartographie zeigt. Lassen wir also das Gejammer,
und suchen einen Hinweis in den
Aussagen von Neef. Da stand doch etwas von
„Fuß“. Das sollten wir uns merken und darauf
später zurückkommen.
Grün ist die Hoffnung: die Suche nach dem Bergfuß

Besser: die Suche nach dem weißen Strich
Zunächst ist jetzt aber der Consultant gefordert,
der auch dann noch sicheren Rat zu vergeben
mag, wenn alle Wissenschaft zweifelt
und in Ratlosigkeit einhergeht. Und der erfahrene
Consultant Dr. Aring sagt: Das Problem
ist richtig erkannt, aber die Frage ist falsch
gestellt. Schon Einstein (oder irgendein anderer
großer Physiker) hat gesagt, dass die richtige
Formulierung der Frage schon die halbe
Lösung sei. Ich empfehle, das Problem nicht
von unten, sondern von oben anzugehen. Du
musst dann nicht nach dem Beginn des Berges
suchen, sondern nach dem Ende. Suchst Du
nach dem Beginn und findest ihn nicht, dann
bist Du stundenlang aufwärts geradelt und hast
trotzdem keine Bergetappe gehabt. Das ist
doch frustrierend für einen engagierten Radfahrer.
Zumal in den Alpen, wo es doch so
lange bergauf geht. Beginnst Du mit Deiner
Suche nach dem Ende des Berges, so wird
alles viel einfacher. Du startest auf dem Gipfel,
der auch in der Alltagssprache bereits eindeutig
als Teilmenge eines Berges verstanden
wird. Gipfel ohne Berg gibt es einfach gar
nicht. Damit hast Du den Berg auf jeden Fall
schon mal gefunden. Dann rollst Du abwärts,
immer den Berg runter. Das ist auch nicht so
anstrengend wie hochfahren. Du kannst dabei
intensiv die Landschaft beobachten. Irgendwann
wirst Du dann den Eindruck haben, dass
Du unten bist, weil der Berg zu Ende ist. Dort
malst Du einen weißen Strich auf die Straße.
Und beim nächsten Hochfahren weißt Du genau,
wo der Berg anfängt, nämlich bei dem
weißen Strich!
Na, dämmert´s?

Kleine Übung für zu Hause
Damit es bei der nächsten Radtour keine Panne
gibt, empfehle ich abschließend eine Übung,
die Du allein oder auch mit Deinen Radfahrerkollegen
durchführen kannst. Wir erinnern uns
an das Wort Fuß in der Gebirgsdefinition von
Neef. Einen Fuß hast Du zu Hause auch. Er
befindet sich unten am Bein. Nimm also einen
Kugelschreiber zur Hand und bewege ihn
langsam am Bein herunter. Wenn Du meinst,
du hast den Fuß erreicht, dann machst Du einen
Strich. Diese Übung wiederholst Du etwa
drei Mal in der Woche im nächsten Vierteljahr.
Dann erkennst Du den Übergang im
Schlaf und auch der Transfer auf das Bergproblem
in den Alpen sollte problemlos erfolgen.
Alles Klar???
So, da haben wir doch mal so richtig was gelernt!