Woher weisst Du, daß unser Denken die logischen Möglichkeitsspielräume ausschöpfen kann, ich nehme an, dies wäre dann der Rahmen der realen Möglichkeitsspielräume?
Ich denke nicht, dass unser Denken alles das erfassen kann, was logisch möglich ist. Das kann ein Schaf ebenfalls nicht. Wir unterscheiden uns nur graduell, aber nicht prinzipiell vom Schaf: Wir wissen mehr als es, aber nicht alles.
Wir können lediglich von dem, was wir bereits wissen, einen Schritt weiter gehen. Dabei müssen wir darauf achten, den Pfad der Logik nicht zu verlassen, sonst landen wir wieder in der Scholastik des Mittelalters. Stück für Stück schlagen wir Schneisen in das Unwissen. Ich sehe die Mathematik als eine Art Geländer, an dem wir uns vorwärtsschreitend festhalten können. Wenn die mathematische Beschreibung hinhaut, verzapfen wir nicht allzu großen Bullshit.
Vorsorglich und nicht in Deine Richtung füge ich hinzu, dass ich gerne scharfes Gemüse direkt vom Backblech esse, am liebsten mit einem Glas Rotwein. Ich habe dafür keine mathematische Gleichung, trotzdem ist es wahr. Wer mir ähnliche Erfahrungen vorzuhalten gedenkt: Ich bin auf Deiner Seite! Ich sprach in den letzten Postings von den Fundamenten unseres Wissens, und nichts anderem.
Mal ne Frage: Denkst du, dass eine Welt an sich außerhalb deines Bewusstseins existiert?
Wenn ja, gleich noch ne Frage: Denkst du, dass du über diese Welt an sich etwas wissen kannst?
Danke für die Antworten.
Grüße Helmut
P.S. Ich habe vor dem Edit geschrieben „...Ding an sich...“ und das dann in „...Welt an sich ...“ geändert um eine Verwechslung mit gewissen Verwendungen des Begriffes „...Ding an sich...“ bei Kant (in Kritik der reinen Vernunft) auszuschließen. Trotzdem meine ich den Terminus „an sich“ so wie er in der Philosophie gebraucht wird.
Ich grätsche mal wieder kurz dazwischen, weil ich letztlich über ein interessantes Phänomen gestolpert bin, das mit Wahrnehmung zu tun hat und das mir völlig unbekannt war - den McGurk-Effekt. Wenn meine Wahrnehmung mit so einfachen Mitteln ausgetrickst werden kann, dann möchte ich gar nicht wissen, was ich sonst noch falsch interpretiere oder was mir komplett entgeht.
Das sind übrigens keine Fangfragen-keine Angst Ich möchte nur deine Position verstehen; bisher habe ich dich eher als jemanden aus dem naturwissenschaftlichen Positivismus „verortet“ - bin aber nicht mehr sicher
Übrigens: Kennst du die Multiuniversumstheorien von Max Tegmark (Prof am MIT) ? Er postuliert sog. Level-4 Universen, die reine Mathematik sind.
Mal ne Frage: Denkst du, dass eine Welt an sich außerhalb deines Bewusstseins existiert?
Wenn ja, gleich noch ne Frage: Denkst du, dass du über diese Welt an sich etwas wissen kannst?
Danke für die Antworten.
Grüße Helmut
Meinst Du das im Sinne des Konstruktivismus?
1) Ja. Aber das ist kann ich möglicherweise nicht beweisen. Edit: Ich entscheide mich um und sage Ja.
2) Gehöre ich selbst zur Welt? Über mich kann ich etwas wissen. Ich weiß von meiner Existenz. Von dieser Tatsache aus würde ich mich als philosphischer Laie irgendwie vorwärts bohren. Mein erster kühner Versuch bestünde darin, zu beweisen, dass ich ein geordnetes Objekt im Sinne der Thermodynamik bin (geringe Entropie). Damit stünde fest, dass ich Energie verbrauche oder verbraucht habe. Die muss irgendwo her kommen. Mein Wissen über die Welt bestünde dann darin, dass sie mich und Energie enthält. Also: Ja.
Kennst du die Multiuniversumstheorien von Max Tegmark (Prof am MIT) ? Er postuliert sog. Level-4 Universen, die reine Mathematik sind.
Selbstverständlich. Ich habe einiges von ihm gelesen. Sein Buch "Unser mathematisches Universum" kenne ich im Detail. Auch auf Youtube findet man einiges von ihm, allerdings auf englisch.
Ohne erhebliches Vorwissen im Bereich der Kosmologie und der Quantenmechanik jedoch keine leichte Kost.
Ich grätsche mal wieder kurz dazwischen, weil ich letztlich über ein interessantes Phänomen gestolpert bin, das mit Wahrnehmung zu tun hat und das mir völlig unbekannt war - den McGurk-Effekt. Wenn meine Wahrnehmung mit so einfachen Mitteln ausgetrickst werden kann, dann möchte ich gar nicht wissen, was ich sonst noch falsch interpretiere oder was mir komplett entgeht.
Ich glaube nicht, dass unser Gehirn irgendeine eingebaute Grenze der Erkenntnisfähigkeit hat, SOFERN man uns als Population betrachtet. Sicherlich gibt es einige Kuriositäten, die logisch ausgeschlossen sind, etwa die Frage, ob jemand die Farbe Rot auf die gleiche Weise sieht wie jemand anderes.
Dies sind meine Argumente:
Computerprogramme zeigen uns, dass komplexe Aufgaben in kleinste Teilschritte zerlegt werden können. Beispielsweise zerlegt mein iPhone die Aufgabe, ein Gesicht auf einem Foto zu erkennen, in mehrere Milliarden (!) kleinste Teilschritte. Sofern der kleinste, grundlegendste Schritt eine bestimmte Eigenschaft hat, lassen sich daraus beliebig komplexe Konstrukte aufbauen.
Diese „bestimmte Eigenschaft“ besteht darin, zwei Informationen logisch korrekt zu verbinden, um daraus ein Ergebnis zu erzeugen. Die zwei Informationen können winzig sein, etwa eine „1“ oder eine „0“. Entscheidend ist, dass die Logik korrekt angewandt wird. Wenn diese eine Sache funktioniert, ist es eine Frage der Geduld, bis damit komplexe Informationen verarbeitet und gewonnen werden können.
Wissenschaft/Mathematik ist unsere (menschliche) Methode, um sicherzustellen, dass unsere grundlegende Logik widerspruchsfrei ist — selbst wenn das bedeutet, erstmal bei winzigen (aber korrekten) Erkenntnissen zu verharren.
Mit dieser Erkenntnis steht uns alles offen. Wir können damit Probleme lösen, die für unser Gehirn tatsächlich nicht ohne weiteres erfassbar sind. Aber es ist auch nicht nötig, alles sofort und zur gleichen Zeit zu erfassen. Winzigste Teilschritte reichen aus, sofern sie logisch verbunden werden. Die verbindende Logik kann dabei trivial sein (so wie unsere Mathematik auf trivialen Grundannahmen beruht).
Die Wissenschaft arbeitet nach diesem Prinzip. Millionen von Gehirnen knobeln hartnäckig an winzigen Teilproblemen, stets geführt von den Gesetzen der Logik. Es reicht dabei aus, wenn jeder nur einen Teil versteht und seine Gehirnkapazität nur diesem winzigen Teilbereich widmet.
Das zeigt, dass wir längst über jenen Punkt hinaus gegangen sind, bis zu dem ein einzelnes Gehirn alles verstehen und erfassen kann. Ein begabter Mediziner weiß längst nicht, wie ein iPhone funktioniert; und ein Programmierer weiß nicht, warum seine Leber zischt. Vielleicht hat vor 100 Jahren ein Biologe 40 Jahre lang an dem winzigen Teilproblem gearbeitet, wie ein bestimmtes, winziges Molekül von der Leber verstoffwechselt wird. Musste er dazu das „Große Ganze“ verstehen? Nein.
Kann ich mit einem Fernrohr das ganze Universum sehen? Nein. Aber ich kann das Fernrohr nach und nach auf jeden beliebigen Punkt ausrichten und feststellen, was sich dort befindet. Die Erkenntnisfähigkeit des Fernrohrs ist daher sowohl begrenzt als auch unbegrenzt. Wenn man die Zeit hinzunimmt (d.h. wenn man das Fernrohr nach und nach auf verschiedene Punkte ausrichtet) ist es unbegrenzt.
Religion versucht, das „Große Ganze“ zu erfassen —und zwar deswegen, weil Religion aus einer Zeit stammt, zu der noch nicht bekannt war, dass diese „Methode“ nicht funktioniert bzw. schnell an Grenzen stößt. Wer jedoch arbeitsteilig, mit System, Logik und viel Geduld an die Arbeit geht, wird über das hinausgehen, was ein einzelnes Gehirn leisten kann.
Die Frage ist daher nicht: Hat ein Gehirn eine begrenzte Fähigkeit zur Erkenntnis? Sondern die Frage lautet: Gibt es eine Grenze, wenn wir Logik, Arbeitsteilung und Zeit hinzunehmen?
Die Frage lautet: Was wäre, wenn wir das Fernrohr bewegen könnten?