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Zitat von FlyLive
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Danke für den Link.
Das Interview liest sich zunächst interessant, bis der Theologe in die übliche theologische Rhetorik abbiegt:
Evers: Das ist eine große Schwierigkeit der Naturwissenschaften und des Alltagsverständnisses der Menschen. Dass wir nur das als real ansehen, was in irgendeiner Weise – durch Logik, Mathematik oder indem es ein Messgerät zum Ausschlagen bringt – nachgewiesen werden kann. Der Rest der Dinge scheint eine Illusion zu sein. Aber wenn man das so sieht, dann sind auch Gedanken nicht mehr Gedanken, sondern die Begleiterscheinung beim Feuern von Nervenzellen. Liebe ist dann nichts anderes als ein hormoneller Zustand des Körpers. Aber wir können für unsere Existenz eben nicht auf Kategorien wie Liebe oder Freiheit verzichten.
Da wird der altbekannte Strohmann aufgebaut: Die Wissenschaft hielte Gefühle für Illusionen oder nebensächlich, weil man sie nicht messen könne. Deshalb missverstehe sie die menschliche Existenz grundlegend.
Tatsächlich vermischt der Theologe hier zwei Erkenntnisebenen, die jedem Wissenschaftler geläufig sind. Es gibt zum einen den Neurologen, der sich mit den
materiellen Strukturen des Gehirns beschäftigt, also mit Neuronen und Synapsen. Daneben gibt es den Psychologen, der sich mit den
psychischen Phänomenen beschäftigt. Sowohl die materielle als auch die psychische Ebene sind Gegenstand der Wissenschaft.
Evers: Weil es unterschiedliche Zugänge zur Wirklichkeit gibt:Nehmen wir die Hirnforschung. Die zweifelt immer wieder am freien Willen der Menschen, weil sie ihn im Gehirn nicht finden kann. Aber eine bewusste, freie, autonome Entscheidung ist kein naturwissenschaftlicher Begriff, den man irgendwie methodisch einfangen und im Hirn finden könnte, der Begriff entstammt einem anderen Zugang zur Wirklichkeit.
Hier dasselbe Missverständnis. Weil man im Gehirn unter dem Mikroskop keinen freien Willen finden könne, entziehe er sich der naturwissenschaftlichen Betrachtung. Das ist natürlich Quatsch und reine Rhetorik. Wie bereits oben, werden einfach unterschiedliche Erkenntnisebenen vermischt: Wenn man den Inhalt eines Buchs erfassen will, nützt es nichts, die Buchstaben mit einem Mikroskop zu untersuchen; wer herausfinden will, was eine "Nation" und Nationalismus ist, wird nicht den einzelnen Menschen sezieren.
Der freie Wille ist ein psychisches Phänomen, hat aber materielle Grundlagen (ohne Gehirn keine Psyche). Beides gehört zur Wissenschaft. Für die Behauptung, eine bewusste, autonome (?) Entscheidung erfordere einen "anderen Zugang zur Wirklichkeit" liefert der Theologe keinerlei Beleg.