Kona-Finisher
Registriert seit: 02.07.2009
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Noch nie war ich in einem Rennen so nah an der Aufgabe. Ich hatte vor ein paar Tagen mal erwähnt, dass ich mich recht appetitlos fühle. Das ist an sich schon erstaunlich, denn kein Mensch hat so oft hunger, wie ich. Eigentlich könnte ich non stop essen, am liebsten Süßes.
Auf der Pastaparty war dann aber nicht einmal Platz für einen popeligen Teller Nudeln; die Hälfte landete im Müll. Auch das Frühstück am Renntag viel mager aus, zumindest zwang ich mich aber zu zwei Brötchen, obwohl ich nach einem schon satt war.
Vom ersten Kilometer an hatte ich Magenschmerzen. Das ging so die ersten 3,5h in denen ich praktisch nichts zu mir nehmen konnte. Kurz nach V2 schaut man ins Tal auf ein kleines Örtchen, ich glaube es heißt Ehrwald. Ich stand da über meine Stöcke gebeugt und überlegte, was ich tun sollte: Runter ins Tal und ab in den Bus zurück zum Start, weiter machen oder erstmal in den Wald reiern?
Ich glaube, wenn ich nicht so viele LDs im Triathlon gemacht hätte und wüste, dass an einem solch langen Tag praktisch alles passieren kann, dann hätte ich es an dieser Stelle gesteckt. So aber entschied ich mich für weiter machen.
Kurz nach V3, meinem Magen ging es noch immer nicht blendend, aber etwas besser, rammte ich mir versehentlich volle Lotte meinen Stock in den S*ck. Ich wollte die unter meinem Hosenbein eingeklemmte Sonnencreme rauskramen und war einen Moment unachtsam. Der Stock verkeilte sich und schlug mir kraftvoll ins Gemächt. Ich humpelte ein paar Schritte fluchend, schaute einem fröhlich lachenden Mann ins Gesicht und als der Schmerz nachließ, ging es mir plötzlich blendend! Schmerz durch Gegenschmerz ausschalten, das ist also der Trick!
Das Stück zwischen V3 und V4 ist das landschaftlich schönste der Strecke. Hier ist man richtig in den Alpen! Fast hätte ich gejodelt, hatte aber aufgrund der Monster-Felswand über mir Steinschlag bedenken, also ließ ich es.
Nach V4 (ca. km 40) waren meine Beine schon richtig schlecht, ich bekam sogar erste leichte Krämpfe und das nicht nur in den Beinen. Kennt ihr das, wenn man einen Krampf im Unterkiefer bekommt und man den Kopf so komisch nach oben strecken muss, damit er verschwindet? Zumindest war ich in den Alpen, da konnte man meinen, ich bewunderte die Bergwelt.
Also flux einige Salztabletten rein und weiter über den nächsten 2000er.
Bei V5 ist "Medical-Check", also brav dem Onkel Doktor gesagt, mir ginge es gut, obwohl meine Beine das Gegenteil gesagt hätten. Die fühlten sich nämlich an wie beim IM bei Laufkilometer 30 und ich hatte keine Ahnung, wie ich das schaffen sollte.
Das Stück von 50-80 ist eigentlich gut laufbar, jedenfalls wenn die Beine mitspielen. Meine waren nicht so der Meinung, darum humpelte ich die nächsten Stunden durch die Gegend und gab mein Bestes. Ich fand dieses Stück das langweiligste von allen.
Der Höhepunkt des Rennens kommt dann zum Finale: Zur Bergstation auf der Alpspitze und ab nach Hause. Normalerweise eine ausgewachsene Tagestour nimmt man das noch am Ende mit. Kurz nach V9 setzte ich meine Lampe auf. Auf dem Gipfel war es dann stockdunkel. Ab diesem Zeitpunkt bekam das Rennen etwas Sureales. Man läuft in finsterster Nacht durch die Alpen, unten, tief im Tal, die Lichter von Garmisch.
Meine Beine waren inzwischen derart zerstört, dass an rennen nicht zu denken war. Zu unwegsam ist das Gelände, ich war nur noch damit beschäftigt, nicht zu stürzen.
Dann runter vom Kreuzeck, nochmal leiden, jeder Schritt ein Einschlag und dann nach endlosen 17:02 h endlich im Ziel.
Im Nachhinein finde ich es lustig, wie naiv ich teilweise an diese Sache ran gegangen bin. Die Frage z.B. ob gehen oder laufen am Berg, stellt sich nicht. Viele Anstiege sind derartig steil, dass kein Mensch da hoch rennt.
Auch mein Training muss ich kritisch betrachten. Ich bin das vielleicht zu sportlich-dynamisch angegangen. Sinnvoller wäre es, mit voller Ausrüstung z.B. 3-4 mal 1000Hm hoch zu gehen und diese dann runter zu rennen.
Ich bin jedenfalls happy, dass ichs gepackt hab. Es war wirklich sehr schwer. Ist ein toller Wettkampf, auch wenn ich mir landschaftlich noch etwas mehr erhofft hatte. Die Zugspitze hab ich leider auch nicht gesehen während des Rennens, ist wohl die falsche Perspektive.Joch Ob ich wieder komme? Wer weiß? Ich hab trotz positiver Leistung irgendwie das Gefühl, mich unter Wert geschlagen zu haben. Aber war ja auch mein erster Ultralauf und überhaupt mein erster Trailwettkampf.
(Heute hab ich zum Abschluss sogar noch die Bergwacht benötigt. Ich hab tatsächlich meinen Fahrradschlüssel unterwegs verloren. Der junge Mann hat sich dann zuerst einen Bolzenschneider und, als das nicht klappte, eine Flex von der freiwilligen Feuerwehr ausgeliehen und mein Rädchen befreit. Gestern durfte ich dafür nach dem Rennen noch 1,5 lange Kilometer zu meinem Vw-Bus humpeln..
..)
Nachtrag: Mir tun so abartig die Knochen weh, das ist noch schlimmer, als nach nem IM. Arme, Nacken, Füße und natürlich die Oberschenkel.
Geändert von Rälph (18.06.2017 um 18:37 Uhr).
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