In 9 Tagen mit dem Rennrad von John O’Groats nach Land’s End – das große Abenteuer ist Geschichte.
Zurück im Alltag und meinem „normalen“ Leben scheint es mir immer noch nicht real, was wir da gemacht haben. Ohne hier nachzulesen kann ich mich nicht an die einzelnen Tage erinnern, nur ein paar Splitter habe ich präsent.
Die Fotos anzusehen hilft zum Glück. Anscheinend dauert es wirklich eine ganze Weile, bis man das alles verarbeitet hat.
Die Schönheit der Natur, die Weite und Leere, die pittoresken Städte kommen erst nach und nach wieder ins Gedächtnis. Ebenso die fantastischen Abfahrten, teils miesen Straßenbeläge und steilen Anstiege bei Wind und Regen.
Das vereinigte Königreich ist wirklich eine (Rad)reise Wert!
Es war hart, aber auf eine andere Weise, als ich es erwartetet hatte. Für jeden Teilnehmer gab es jeden Tag andere Hürden zu bewältigen, jeder hat seine persönlichen Grenzerfahrungen gemacht.
„Na klar“, rufen wir da gleich laut, „das liegt doch auf der Hand und so sollte ja auch sein.“
Allerdings rechnet man nicht damit, was einen dann tatsächlich aus den Schuhen hebt.
Ich bin eher an Kleinigkeiten „gescheitert“. Nicht an den großen Themen wie Schmerzen, oder Müdigkeit/mangelnder Schlaf, Kälte, Wind oder Regen.
Die spielen zwar eine Rolle, aber das Fass zum Überlaufen brachten Dinge wie kaltes Essen, klammer Schlafsack, zu wenig Zeit für sich selbst.
Ich habe besser geschlafen als erwartet, aber immer nur 5h.
Ich habe möglichst oft gegessen, aber viel weniger, als ich hätte sollen.
Duschen und Dixiklos waren weniger eklige Erfahrungen für mich, als im Vorfeld befürchtet und auf die von mir geliebten Annehmlichkeiten des Lebens konnte ich auch ganz gut verzichten. Das ständige Knien im Zelt war allerdings nix für mich (aua).
Womit ich nicht gerechnet habe, ist das Gemeinschaftsgefühl und der großartige support aller Beteiligter Helfer/Organisatoren.
Vom Sicherheitsdienst über die Jungs, die unsere Taschen transportieren bis hin zu den vielen fleissigen Helfern im Hintergrund, den Zelt-Concierges, den Flaschenbefüllern, dem Physio- und Massageteam uvm. waren alle unglaublich freundlich und motivierend. Manchmal war es mir fast schon zu viel, immer Rede und Antwort zu stehen, wie es mir gerade geht, wie mein Tag war und dass ich das echt toll mache. Egal, wie spät der oder die letzten ins Ziel kamen, immer standen noch supporter dort, um zu applaudieren und zu jubeln. Und ich sags euch, das zaubert jedem ein Lächeln ins Gesicht!
Man steht mit wildfremden Menschen auf einer Wiese und putzt sich vor einem Trinkwasserbecken die Zähne, schlurft mitten in der Nacht zu einer Tö, um dennoch „Gleichgesinnte“ zu treffen, man versteht sich auch mit Blicken und Gesten ohne viele Worte: irgendwie sitzen alle im selben Boot und ziehen am selben Strang. Das motiviert und schweisst zusammen.
Wenn dann der deutsche Zollbeamte am Airport nicht mal guten Tag sagen kann, merkt man erst einmal, wie wichtig diese Freundlichkeit ist.
Viele von euch haben mitgelesen, mitgefiebert und mich auch mit privaten Nachrichten/sms unterstützt und motiviert. Das hat mir sehr viel bedeutet und mir Kraft gegeben. Nochmals danke an die große Unterstützung von Zuhause.
Jetzt zum Eingemachten, die harten Fakten für mich heissen:
- 1.435 km in 9 Tagen (macht einen Tagesdurchschnitt v rd. 159 km)
- 16.000 HM nur im Anstieg
- 70:25 Stunden auf dem Rad – nettozeit allerdings. Brutto sind es 1,5-2 mehr pro Tag
- Mein Gewicht ist gleich geblieben, aber ich habe fast 5% Körperfettanteil eingebüsst (GEIL)
- keine einzige Panne, keinen Platten, mein Rad ist einfach der Hammer! Großes Lob an Cucuma, an Dirk, Oliver und Marko! Ihr seid Spitze!
- Auf der Strecke blieben 3 Regen-Überschuhe (der vierte lebt noch) und ein Brillenbügel
Ich habe mich in 2011 mit rund 3.500 Radkilometern draußen auf Lanzarote, Mallorca und überwiegend in Deutschland vorbereitet, ein paar Rollen km kommen auch dazu.
Im Winter 2010/11 waren Krafttraining und ein Spinningkurs angesagt sowie immer wieder Stabi im Trainingsplan.
Gelaufen bin ich seit September 2010 so gut wie gar nicht mehr, allerdings gabs regelmässig Schwimmtraining zum Ausgleich. Das wars.
Meine Grenzerfahrung habe ich gemacht und ich bin gespannt, wohin mich meine neue Radform führen wird. Sicher aber nicht zu einer Langdistanz, wie einige vermutet haben. Denn rennen kann ich nach wie vor nicht gut und ein HM reicht mir nach wie vor völlig.
Ich danke allen, die mich bei diesem Projekt unterstützt, motiviert und ausgehalten haben, die mit mir trainiert haben und für mich da waren.
Ohne euch hätte das sicher nicht so gut gepasst!