Matthias, das Aufzeigen von Widersprüchen (etwa in der Bibel) hat nicht allein den Sinn, einen bestimmten Glaubensinhalt zu widerlegen. Wäre es so, dann könntest Du einwenden, dass sowieso niemand an diesen speziellen Inhalt glaubt.
Aber es geht mehr darum, die Widersprüchlichkeit zu zeigen, die entsteht, wenn man sich auf angebliche „Offenbarungen“, Wunschdenken oder Einbildung stützt. Eigentlich müssten alle Gläubigen zu den gleichen Erkenntissen gelangen, aber das ist nicht der Fall, und das zeigt, dass etwas nicht stimmt. Die Widersprüchlichkeit ist bei allen Gläubigen gleich, egal an was sie nun konkret glauben.
Du versuchst, das Chaos der vielen Stimmen zu beseitigen, indem Du sagst, man solle nur auf bestimmte Stimmen hören (weil diese in der Bevölkerung mehrheitlich vertreten werden). Tatsächlich ist dies aber der Grund für das Chaos. Anstatt es zu beseitigen, fügst Du weiteres Chaos hinzu.
Was sagt es über den Wahrheitsgehalt der Religion aus (und über die Wahrheitsliebe der Gläubigen) wenn es jedem frei steht, sich seinen persönlichen Gott zu basteln, von mir aus als Quanten-Wolke oder Ur-Energie? Wo bleibt die Prüfung, ob es wahr ist?
Wer nach dieser Prüfung fragt, macht sich unbeliebt und verdächtig. Er muss sich rechtfertigen.
Wo ist das Problem, wenn jemand für sich dieses "irgendetwas" so nennt?
Weil es zugleich einen Anspruch formuliert. Es ist ja kein Zufall, dass es nicht „Pumuckl“ sondern „Gott“ genannt wird. Es ist die Wurzel, die für einen ganzen Baum an Behauptungen gebraucht wird, mit der Absicht, dass der Baum nicht gefällt werden muss. Nur deswegen muss irgendwo ein Gott her.
Zitat:
Zitat von Matthias75
Die Wissenschaft hat ja auch noch keine für alle verständliche Antwort auf diese Fragen. Wenn sich jemand, aus welchem Grund auch immer, damit zufrieden gibt, wo ist das Problem für dich?
Die Wissenschaft hat nicht auf alles eine Antwort, aber sie sagt uns, wie eine qualifizierte Antwort überhaupt aussieht. Welche Prüfungen sie bestehen muss, um als korrekt gelten zu können. Etwa die Widerspruchsfreiheit.
Dadurch können wir falsche Antworten verwerfen, auch wenn wir die richtigen Antworten noch nicht gefunden haben. Gott kann z.B. nicht der „Schöpfer von allem“ sein, weil es seine eigene Schöpfung nicht erklärt. Die Antwort muss falsch sein, auch wenn wir die richtige Antwort nicht kennen.
Du fragst nach dem Problem. Das Problem ist, dass sich manche Leute damit eine falsche Autorität aneignen, die sie zum Schaden anderer Leute einsetzen. Ich finde es angebracht, dies zu kritisieren.
Auch mir geht die hartnäckige und unablässige Umdeuterei auf die Nerven inzwischen. Hinzu kommen Unterstellungen. Über diese wird man angegriffen, wenn man sich der Umdeuterei und den Unterstellungen nicht unterwirft. Handfeste Argumente werden stereotyp beiseite gewischt. Das ist ungefähr so wie in einer Sekte....
Mich ärgert allenfalls die Argumentationsführung, die unter dem Deckmantel der Logik, Wahrheit oder Wissenschaft immer wieder die gleichen Argumente ausführt oder versucht, die Diskussion auf diese umzudeuten. Nur mal so zum Thema umdeuten: Ich habe nicht gesagt, welche Glaubensform ich bevorzuge oder welcher Form meiner Meinung nach einen höheren Wahrheitsanspruch hat. (Und schon sind wir wieder unnötigerweise beim Wahrheitsbegriff). Das hast du in meine Aussage hineininterpretiert. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Form des Christentums, die du konsequent angreifst, scheinbar in der realen Welt kaum eine Rolle spielt.
Da Du mich direkt ansprichst und Michi darauf einsteigt: Ja, da hast Du recht. Ich hatte Dich in der Tat so verstanden, dass die nachfolgend von Dir skizzierte Version des Christentums in Deinen Augen ein besonderes Gewicht hätte. Du verleihst ihr dieses Gewicht, in dem Du sagst, dass viele in Deinem Bekanntenkreis ihr anhingen, während der von mir kritisierten Version praktisch keiner anhinge.
"Ich kenne keinen Gläubigen, bei dem...", "vielmehr ist es überwiegende Meinung...", "...Kern der Geschichte...", "... glaubt keiner..." – diese Formulierungen hatten auf mich diese Wirkung. Deshalb hatte ich Dich gefragt, warum Du glaubst oder denkst, weshalb diese Version des Christentums wahrer sei als andere Versionen. Tut mir leid, wenn ich Dich da missverstanden habe.
Zitat:
Zitat von Matthias75
Ich kenne keinen Gläubigen, bei dem diese Erkenntnis zu großer Verdrießlichkeit führen würde. In meinem Bekanntenkreis gibt es zwar viele, die zumindest in unregelmäßigen Abständen in eine Kirche gehen. Von denen glaubt aber keiner, dass alles in der Bibel wortwörtlich war ist, auch wenn das der eine oder andere Papst mehrere Jahrhunderte oder Jahrtausende später so festgelegt hat. Vielmehr ist die überwiegende Meinung, und das ist auch meine Einschätzung, dass es durchaus historische Ereignisse gab, denen die Geschichten der Bibel zugrunde legen. Diese wurden aber über die Jahrhunderte teilweise extrem verfälscht. […] Die Frage ist doch aber, spielt es für den Kern der Geschichte jeweils eine Rolle, ob die Geschichte 100% exakt wiedergegeben wurde bzw. wahr ist? Für die Gläubigen wohl nicht. Hier hat keiner derjenigen, die sich als Kirchgänger "geoutet" haben, auf dem absoluten Wahrheitsanspruch bestanden.
Die einzigen, die auf dem Wahrheitsanspruch rumreiten sind interessanterweise die Kirchenkritiker/Atheisten. Weil darauf die Haupt-Argumentation aufbaut: Papst hat gesagt Bibel ist 100% wahr - wenn Bibel nachweisbare Lügen enthält, verliert die Kirche ihre Legitimation - der Glaube ist sinnlos.
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Zitat:
Zitat von Matthias75
Die Frage ist doch aber, spielt es für den Kern der Geschichte jeweils eine Rolle, ob die Geschichte 100% exakt wiedergegeben wurde bzw. wahr ist? Für die Gläubigen wohl nicht. Hier hat keiner derjenigen, die sich als Kirchgänger "geoutet" haben, auf dem absoluten Wahrheitsanspruch bestanden.
Was ist denn der Kern der Geschichte? In meinen Augen besteht er darin, dass Jesus ein Gott in Menschengestalt gewesen sein soll, der uns den Willen Gottes mitteilt.
Oder ist selbst das etwas Äußerliches, und der Kern besteht in der ethischen Botschaft Jesu, also den Verhaltensregeln, wie wir Menschen miteinander umgehen sollen? Könnte man sagen, dass Jesus ein Mensch war (und keine Gottheit), der uns zu einem bestimmten Verhalten aufforderte, ohne damit den Kern des Christentums zu berühren?
Wie immer: No offense und Danke für die Diskussion!
Verstehe ich nicht. Warum wurden nichtglaubende Menschen von niemandem gemacht? Meine Existenz hat Ursachen, die innerhalb dieser Welt liegen. Zunächst wären da meine Eltern und deren Eltern und so weiter.
Die Evolution hat niemand gemacht, sondern sie ergab sich zwangsläufig. Auf der untersten Ebene, lange bevor es Leben gab, war Evolution einfach der Fortbestand des Stabilen und der Untergang des Instabilen: Manche Moleküle waren beständiger als andere und reicherten sich dadurch an. Sie reagierten miteinander, und wieder überlebten die stabileren Verbindungen mehr als die instabilen. So kam ein Prozess in Gang, bei dem immer stabilere, beständigere und damit komplexere Verbindungen auftauchten. So ging es immer weiter.
Es ging bei der Frage doch überhaupt nicht um das Wie. Ursache und Wirkung waren nicht die Frage.
Es ging darum, wer dich gemacht hat. Was war der Grund?
Der Christ sagt: Gott hat alle Menschen gemacht.
Der Naturwissenschaftler: Es gibt keinen Grund, die Erde spielt keine Rolle. Wir auch nicht.
Wenn du nicht dieser Meinung bist und glaubst, dass dein Leben oder das Leben irgendeines Menschen einen Sinn hat, dann glaubst du schon irgendwas und liegst daneben.
Es ging bei der Frage doch überhaupt nicht um das Wie. Ursache und Wirkung waren nicht die Frage.
Es ging darum, wer dich gemacht hat. Was war der Grund?
Der Christ sagt: Gott hat alle Menschen gemacht.
Der Naturwissenschaftler: Es gibt keinen Grund, die Erde spielt keine Rolle. Wir auch nicht.
Wenn du nicht dieser Meinung bist und glaubst, dass dein Leben oder das Leben irgendeines Menschen einen Sinn hat, dann glaubst du schon irgendwas und liegst daneben.
Nur zum besseren Verständnis für die christliche Position: Warum hat Gott die Menschen gemacht?
Bisher wurde nur danach gefragt, wer die Menschen gemacht hat, und die Antwort sei Gott. Nach dem Grund, zu welchem Zweck oder Sinn die Menschen erschaffen wurden, fragst Du die Christen nicht. Die Frage nach dem Sinn stellst Du nur der wissenschaftlichen Position.
Was wäre also für einen Christen der Sinn unseres Daseins, und der Sinn der Existenz des gesamten Universums? Warum hat Gott das alles erschaffen?
Bevor ich darauf eingehe, möchte die These aufstellen, dass sich hinter diesem „realen Glauben“ eine Immunisierungsstrategie verbirgt. Es ist ein Sich-Wegducken vor den Treffern, den das Bombardement der Aufklärung bereits erzielt hat. Nur deswegen glauben manche Gläubige nicht mehr daran, dass jemand übers Wasser lief. Diese Erkenntnis ist keineswegs das Ergebnis einer „fortschrittlichen Theologie“, sondern die Wissenschaft hat der Theologie die Grenzen aufgezwungen, bis der Theologie keine Wahl blieb, als sie zur Kenntnis zu nehmen.
Wegducken?
Ich wiederhole zum dritten Mal meine Frage an dich, ob du an irgendwas glaubst und wenn ja, an was.
Ich vermute, du duckst dich weg, weil du weißt, dass ich jegliche Antwort (Nein/Ja, ich glaube an..) diesmal aus der Sicht eines Naturwissenschaftler genüßlich zerlegen werde.
Wenn du nicht dieser Meinung bist und glaubst, dass dein Leben oder das Leben irgendeines Menschen einen Sinn hat, dann glaubst du schon irgendwas und liegst daneben.