Menschen handeln mitunter schuldhaft, was daher kommt, daß sie in sozialen Gemeinschaften leben und sich damit jeweils bestimmten Regeln unterwerfen. Wenn sie diese brechen, fühlen sie sich schuldig und es entsteht gegebenenfalls das Bedürfnis sich dieses Schuldgefühls zu entledigen. Das ist das zugrundeliegende Phänomen.
Um dies äußerlich zu vollziehen, bieten Religionen symbolische Handlungen, Rituale an, die auch bestimmte sprachliche Ausdrücke wie Sünde und Vergebung beinhalten können. Mysteriöse Objekte und Wirkungen kommen nur bei dem in Betracht, der die Sprachlogik mißversteht und zwanghaft hinter jedem Satzsubjekt ein Objekt und und hinter jedem Satzprädikat eine Wirkung suchen muß.
Alle streben nach Wahrheit. Aber haben denn alle Disziplinen - Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaft, Philosophie, Theologie, Kunst, usw. - diesselbe Methode der Wahrheitsfindung? Beruhen alle menschlichen Handlungsweisen und Überlegungen, die nicht die naturwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung den Vorrang einräumen, auf einem Irrtum? Oder auf einem anderen Interesse? Sind solche per se unberechtigt?
Mache bitte mal ein Beispiel für eine nichtwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung. Ich weiß sonst nicht, wovon Du redest.
Zitat:
Zitat von Zarathustra
Den Aberglauben, der hier immer untergeschoben wird, vertritt doch heute überhaupt kaum noch jemand. Warum wird das immer wieder aufgewärmt? Das ist auf dem Diskussionsstand des 17. Jahrhunderts.
Du sagst, den Aberglauben habe man im 17. Jahrhundert hinter sich gelassen. Ohnehin würde er den heutigen Religionen nur untergeschoben. Dürfte ich Dich auch hier um ein Beispiel für einen zentralen Glaubensinhalt der heutigen Christen bitten, den Du frei vom Aberglauben hältst?
Ein menschliches Bedürfnis nach Reinigung von diesen imaginären Sünden existiert nur insofern, als dass die Sünden Konsequenzen im Jenseits haben.
Zitat:
Zitat von Rälph
Ich denke hier liegst du falsch. Es gibt durchaus rein menschliche Gründe, und sei es bei einer Beichte stellvertretend, um Verzeichnung zu bitten, ohne dies aus Furcht vor dem Fegefeuer zu tun.
Ich meinte das so: Es gibt per se kein menschliches Bedürfnis, freitags kein Fleisch zu essen oder am Sabbat nicht staubzusaugen. Wer freitags Fleisch isst oder am Sabbat die Wohnung putzt, verspürt kein Bedürfnis nach innerer Läuterung. Das kommt erst durch ein von außen zugesetztes System von Regeln und Normen zustande. Erst dadurch werden Handlungen zur "Sünde" und erst dadurch entsteht das Bedürfnis nach deren Vergebung.
Im Christentum ist die Normenkontrolle durch Gott ein sehr zentrales Motiv. Gott richtet nicht nur über Deine Taten, sondern auch über falsche Gedanken. Zum Beispiel sollst Du nicht Deines Nächsten Haus, Esel oder Weib begehren. Nicht der Diebstahl oder der Ehebruch ist hier angesprochen, sondern bereits der rein geistige Akt des Begehrens wird zur Sünde erklärt. Diese gilt es anschließend durch Beichte oder Buße zu sühnen.
Mache bitte mal ein Beispiel für eine nichtwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung. Ich weiß sonst nicht, wovon Du redest.
Du sagst, den Aberglauben habe man im 17. Jahrhundert hinter sich gelassen. Ohnehin würde er den heutigen Religionen nur untergeschoben. Dürfte ich Dich auch hier um ein Beispiel für einen zentralen Glaubensinhalt der heutigen Christen bitten, den Du frei vom Aberglauben hältst?
Wir sprechen hier über den Unterschied zwischen der empirisch-experimentellen Methode der Naturwissenschaft und anderen Gebieten. Denn wer sich Wissenschaft nennt und wer nicht ist oft unklar.
Zwei Beispiele:
Ein Mathematiker entwickelt ein neues Symbolsystem, um etwas ausdrücken zu können, das sich vorher der mathematischen Darstellung entzog (z.B. Gottlob Frege, Begriffsschrift 1879).
Ein Musiker drückt in seiner Komposition eine bestimmte Stimmung aus. Der Hörer stellt fest: Er hat es genau getroffen.
Beide gehen nicht empirisch-experimentell vor. Die Wahrheit ihrer Erzeugnisse ist dennoch objektiv nachvollziehbar.
Die Frage nach einem zentralen Glaubensinhalt der heutigen Christen frei vom Aberglauben, geht doch schon wieder an der Sache vorbei. Ich sage:
Rituelle symbolische Handlungen lassen sich aus menschlich sozialen Bedürfnissen verstehen.
Daß irgendjemand Außenstehendes und auch die Beteiligten, diese Handlungen mit einem Aberglauben verbinden können, ist doch eine ganz andere Fragestellung.
Ich meinte das so: Es gibt per se kein menschliches Bedürfnis, freitags kein Fleisch zu essen oder am Sabbat nicht staubzusaugen. Wer freitags Fleisch isst oder am Sabbat die Wohnung putzt, verspürt kein Bedürfnis nach innerer Läuterung. Das kommt erst durch ein von außen zugesetztes System von Regeln und Normen zustande. Erst dadurch werden Handlungen zur "Sünde" und erst dadurch entsteht das Bedürfnis nach deren Vergebung.
...
Hier sehen wir das wahre und meiner Meinung nach auch berechtige Feld, auf dem sich Religionskritik abspielen kann: Die Kritik einer sozialen Ordnung, von Regeln und Normen sowie deren jeweiliger Anwendung (Diskussionsstand: 18./19. Jahrhundert). Der Versuch einen vermeintlichen Erkenntnisfehler nachzuweisen rückt hierbei immer mehr in den Hintergrund.
Jedoch wird die christliche Religion nicht mit einem menschlichen Bedürfnis begründet. Sondern damit, dass bestimmte Ereignisse sich tatsächlich ereignet haben.
Du beschreibst psychologische Effekte, eine Art Wellness. Das Christentum spricht von realen Ereignissen, von denen sie auch Zeugen behauptet. In Rom habe ich den angeblichen Fußabdruck von Maria besucht; es handelt sich hier nicht um Symbolik, sondern um den empirischen Beweis einer tatsächlich stattgefundenen Begebenheit. Der Fußabdruck stammt aus der angeblichen Grabhöhle -- wiederum eine empirische Behauptung.
Im Petersdom wird ein Splitter aus dem Jesuskreuz aufbewahrt; außerdem ein Schweißtuch, welches er auf dem Gang zu seiner Kreuzigung gereicht bekam; sowie ein Splitter aus der Lanze, mit dem ein Römer ihm in die Seite stach, um den Tod festzustellen. Das sind empirische Beweisstücke (natürlich alle gefälscht), und nicht nur gedankliche Symolik. Hier wird eine Geschichte als empirisch wahr bewiesen.
Papst Benedikt sagt, die Hölle sei nicht nur Symbolik, sondern ein Ort, hinter dem man die Tür zumachen könne.
Papst Benedikt sagt, wer die symbolischen Rituale der evangelischen Kirche befolgt, landet zwangsläufig in der Hölle.
Nach Deiner Darstellung hätte ein Vergebungs-Tanz eines afrikanischen Schamanen den gleichen Effekt wie eine Beichte, nämlich, dass sich der Mensch erleichtert fühlt. Das ist überhaupt nicht die Position der Kirchen. Die Kirchen behaupten, das eine hätte einen negativen Effekt, und das andere einen positiven Effekt auf die reale Zukunft des Menschen, und zwar in einem erheblichen Ausmaß.
Jedoch wird die christliche Religion nicht mit einem menschlichen Bedürfnis begründet. Sondern damit, dass bestimmte Ereignisse sich tatsächlich ereignet haben.
Du beschreibst psychologische Effekte, eine Art Wellness. Das Christentum spricht von realen Ereignissen, von denen es auch Zeugen gibt.
Das eine sind sind die sprachlichen Äußerungen, deren Sinn unklar und umstritten ist über die Du aber gerne „wissenschaftlich“ spekulierst, das andere die symbolischen Handlungen und die damit verbundenen Gefühle und sozialen Konsequenzen, die - ein gewisses Maß an Empathiefähigkeit vorausgesetzt - objektiv nachvollziehbar sind.
Menschen erzählen sich gelegentlich Märchen und nehmen diese sehr ernst. (Die Betonung der Wahrheit von religiösen Texten würde ich mit dieser Ernsthaftigkeit in Verbindung bringen und der Abwehr von Zweiflern und Gegnern.)
Geändert von Zarathustra (22.04.2017 um 12:42 Uhr).