Deswegen halte ich es für angebracht, diesem Scheinargument des angeblich nicht erfassbaren Gottes bei jeder Gelegenheit zu widersprechen -- und ich bin in dieser Disziplin zu großer Ausdauer fähig.
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Deine streitlustige Einstellung wäre generell ja ganz erfreulich, nur leider ist sie am falschen Adressaten. Wer verteidigt hier den Klerus?
Die Festlegung, die Du Scheinargument nennst, beschreiben, heißt nicht sie zu verteidigen. Kannst Du das nicht trennen? Das wäre wissenschaftlicher.
Deine streitlustige Einstellung wäre generell ja ganz erfreulich, nur leider ist sie am falschen Adressaten. Wer verteidigt hier den Klerus?
Die Festlegung, die Du Scheinargument nennst, beschreiben, heißt nicht sie zu verteidigen. Kannst Du das nicht trennen? Das wäre wissenschaftlicher.
Einige Leute verteidigen den Klerus durchaus, aber darauf kommt es mir überhaupt nicht an. Ich finde, man sollte dem Argument, dass Gott eben nicht rational erfassbar wäre, jederzeit und in jedem Zusammenhang entgegentreten. Denn ansonsten entsteht (für wen auch immer) der Eindruck, es handele sich um ein statthaftes Argument, weil unwidersprochen. Gewohnheit schafft Fakten. Das ist leider längst passiert. Deswegen ist es wichtig, an dieser Stelle etwas hartnäckig zu sein.
Ebenfalls rein aus Gewohnheit hat sich ein unterwürfiger Respekt gegenüber dem Klerus entwickelt. Deswegen ist es mir ein Anliegen, diesen Respekt ganz bewusst auf jenes Maß zu reduzieren, den wir jedem anderen Menschen (oder jedem anderen Buch) entgegenbringen würden. Daher nehme ich in meine Argumentation immer auch die Möglichkeit auf, dass der Klerus der Scharlatanerie verdächtig ist. Derzeit kann sich der Klerus darauf verlassen, dass dieser Vorwurf in öffentlichen Debatten tabu ist. Ich wäre an einer fairen Aufklärung interessiert. Deswegen breche ich hier und da dieses Tabu, um zu erreichen, dass man diese Prüfung in 100 Jahren vielleicht öffentlich einfordern kann. Irgendwann muss man anfangen.
Ich habe dazu eine Frage. Jörn schrieb, dass es um den Glauben der Kirche geht und nicht um meinen oder Deinen Glauben...
Die Kirche steckt doch zumindest den Rahmen ab, in welchem die Bibel und ihre Schriften interpretiert und ausgelegt werden sollten. Das heißt, dass die Kirche schon ein Leitbild des Gläubigen vorgibt und ihm vorschlägt, wie er nach diesem Leitbild leben sollte. Dieses Leitbild eines Gläubigen ist... sagen wir mal... sehr konservativ. Von diesem Leitbild gibt es nun diverse Abstufungen, weil jeder Mensch die Schriften und den Glauben anders interpretiert.
Landen wir denn dann nicht bei einem "Wunschkonzert" des Glaubens, in dem eher schwierige und kritische Passagen für einen selbst so interpretiert werden, dass es passt? Jeder gestaltet sich dann doch seinen eigenen Glauben, oder? Das ist ok, doch dann brauchen wir doch auch keine christliche Kirche oder keinen Papst... denn jeder Mensch interpretiert den Glauben anders. Für jeden sieht Jesus anders aus.
Das führt dazu, dass der Glaube für mich zu einer Art psychologischen Lösung für Probleme aller Art fungieren kann. Ich habe konkret das Beispiel im Sinn, dass jemand versucht, Schuldgefühle zu verarbeiten. Der Glaube hilft ihm dabei, indem die Person Inhalte des Glaubens so interpretiert, dass er für sich selbst "Vergebung" findet.
PS.: Ich habe jetzt keine wissenschaftlichen Abhandlungen gelesen... Sorry. Ich habe die Zeit dafür leider aktuell nicht. Das sind lediglich Dinge, die mir in den Sinn kamen... beim Radfahren
Ich bin mir nicht sicher, ob ich Deine Fragen richtig verstehe, versuche aber trotzdem eine Antwort: der Gedanke des "Wunschkonzerts" des Glaubens gefällt mir. Soll doch jeder und jede auf seine/ihre Art glücklich werden.
Ich denke, Du hast Recht mit der Feststellung, dass jeder Mensch den Glauben anders interpretiert. Genau das ist meine empirische Beobachtung. Und ich habe auch überhaupt nicht das Bedürfnis, irgendjemanden, der das tut, darauf hinzuwiesen, dass er sich vielleicht nicht ganz auf dem Boden des Katholischen oder sonst eines Katechismus bewegt.
Ein Problem wird "Glaube" für mich eigentlich nur dann, wenn jemand sein persönliches Glaubensverständnis auch von anderen einfordert. Oder dann, wenn das persönliche Glaubensverständnis von jemandem dazu führt, dass er andere Menschen abwertet oder gar materiell schädigt. Das gilt natürlich besonders auch dann, wenn es ein Staat ist, der seine Bürgerinnen und Bürger mit seinem staatlichen Glaubensverständnis terrorisiert.
Ich stimme Dir zu: die Kirchen geben recht strenge und konservative Leitlinien vor. Aber was genau diese Leitlinien sind, ist ja selbst in den Kirchen keine unumstößliche Wahrheit. Da braucht man ja z.B. nur kurz an die unterschiedliche Amts-Auffassungen der beiden Päpste Benedikt und Franziskus zu denken. Wenn sich also über manches nicht mal die Päpste ganz einig sind, habe ich überhaupt kein schlechtes Gewissen, meinen persönlichen Glauben oder Nicht-Glauben auch ganz allein für mich zu interpretieren.
Natürlich ist das eine Wellness-Glaubens-Einstellung, die man auch scharf kritisieren kann. Mir gefällt sie trotzdem. In meinem Weltbild ist Glaube für den Menschen da und nicht der Mensch für den Glauben.
Religion ist etwas anderes. Religion verkündet Wahrheiten und gibt diese als ewig und unantastbar aus. Glaube setzt Wahrheit voraus.
Meiner nicht! Glauben heißt doch nichts wissen. Wenn ich die Wahrheit wüsste, müsste ich ja nicht mehr glauben.
Zitat:
Zitat von Jörn
Neulich hat in einer UNO-Sitzung der Vertreter der Israelis mit der Bibel in der Hand darauf gepocht, dass sie die Golan-Höhen (oder einen anderen Sandhügel) nicht preisgeben werden. Jede Diskussion war zwecklos.
Meine Kritik bezieht sich auf den unbegründeten aber als Wahrheit ausgegebenen Glauben, der Auswirkungen auf andere hat.
Diese Kritik teile ich voll inhaltlich. Hast Du sie dem Vertreter der Israelis auch schon mitgeteilt? SCNR
Genau mit solchen Auswüchsen von Religionen lohnt sich meiner Meinung nach die Auseinandersetzung. Dem harmlosen durchschnittlichen Mitteleuropäer kann man aber seinen privaten "Wellness-Glauben" doch einfach lassen, ohne ihm Nachhilfeunterricht darüber erteilen zu wollen, was er eigentlich glauben müsste.
... Deswegen breche ich hier und da dieses Tabu, um zu erreichen, dass man diese Prüfung in 100 Jahren vielleicht öffentlich einfordern kann. Irgendwann muss man anfangen.
Ja, als revolutionäre Praxis kann ich Deinen Standpunkt (endlich!) gut verstehen. Aber die Rationalisierung sich als rein theoretische Widerlegung der Religion auszugeben, wäre (vielleicht) gar nicht nötig.
Bitte beachte den wichtigen Unterschied, dass es hier nicht um die Frage geht, ob wir heute noch Hexen verbrennen. Sondern es geht um die Frage, ob Hexen existieren. ... Wenn Hexen nicht existieren, verliert jede christliche Behauptung ihre Autorität.
Das ist der Grund, warum die alten Geschichten weiterhin relevant sind. Nicht weil wir uns so verhalten sollten. Sondern weil sie uns zeigen, ob die ganze Geschichte überhaupt wahr ist.
Ehrlich gesagt geht es mir nicht um die Frage, ob Hexen existieren. Ich selbst hab bisher (vermute ich zumindest) noch keine getroffen.
Aber die These, dass die Bibel zur Gänze unwahr ist, wenn Hexen nicht existieren, halte ich eben für eine solche - nämlich eine These, die noch zu beweisen wäre.
Die Bibel ist doch keine "ganze Geschichte", die komplett falsifiziert ist, wenn ein Teil falsifiziert werden sollte. Die These "alle Äpfel sind grün" wird durch einen roten Apfel falsifiziert. Die These "die ganze Bibel ist falsch" kann aber nicht dadurch bewiesen werden, dass einige Abschnitte als unwahr erkannt werden.
Bitte beachte: ich will hier keine neuerliche konkrete Diskussion über den Wahrheitsgehalt der Bibel anzetteln und schon gar nicht die Bibel als alleinige "Wahrheit" bewerben. Ich will nur argumentieren, dass ich es nicht für zulässig halte, hier nach dem alten Sprichwort vorzugehen: wer einmal lügt, dem glaubt man nicht - und wenn er auch die Wahrheit spricht.
Meiner nicht! Glauben heißt doch nichts wissen. Wenn ich die Wahrheit wüsste, müsste ich ja nicht mehr glauben.
In einer Debatte mit anderen Wissenschaftlern über den angeblichen Wellness-Nutzen der Religion sagte Richard Dawkins: "Why don't you tell the people the truth? The truth is perfectly simple!" (Deutsch: "Warum sagen Sie den Leuten nicht einfach die Wahrheit? Die Wahrheit ist total simpel!")
Das ist genau meine Meinung. Wozu der ganze Klimbim? Die paar läppischen Fragen aus der Bibel (oder der Kirchenlehre) sind längst beantwortet, und die unbeantworteten Fragen haben ein viel höheres Niveau als das, was in der barbarischen Bibel oder den kindischen Gottesdiensten zu erfahren ist.
Was sagt die Bibel über den Sinn des Lebens, des Universums und allem anderen? Überhaupt nichts. (Ansonsten möge man mir den Bibelvers zitieren.) Auch die Ethik haben wir längst überflügelt. Es ist eine hartnäckige Legende, dass die Bibel eine nennenswerte Ethik oder Moral enthielte oder irgendwelche Fragen (korrekt) beantworten würde. Die meisten Leute wären völlig verblüfft, wenn sie die Bibel mal lesen würden.
Zitat:
Zitat von trithos
Genau mit solchen Auswüchsen von Religionen lohnt sich meiner Meinung nach die Auseinandersetzung. Dem harmlosen durchschnittlichen Mitteleuropäer kann man aber seinen privaten "Wellness-Glauben" doch einfach lassen, ohne ihm Nachhilfeunterricht darüber erteilen zu wollen, was er eigentlich glauben müsste.
Ich wende mich auch nicht gegen Gläubige. Sondern ich wende mich gegen den offiziellen Klerus und alles, was Wirkung nach außen entfaltet. Wenn es Wirkung entfaltet, darf ich das ebenso. In Privatsachen mische ich mich nicht ein.
Der moderate Wellness-Glaube wird von den Kirchen als Steigbügelhalter missbraucht und als Beweis dafür verwendet, dass die Kirchen als gesellschaftliche Kraft relevant wären, und dass ihre krausen Thesen wahr seien -- nach dem Motto: "Wollen Sie etwa 40 Millionen Gläubigen erzählen, dass sie sich irren?!"
Die meisten moderat Gläubigen wären erschüttert, wenn sie wüssten, was in den christlichen Kirchen "offiziell" geglaubt wird und welche Typen da rumlaufen.
Die paar läppischen Fragen aus der Bibel (oder der Kirchenlehre) sind längst beantwortet, und die unbeantworteten Fragen haben ein viel höheres Niveau als das, was in der barbarischen Bibel oder den kindischen Gottesdiensten zu erfahren ist.
Stimmt, aber wie wir seit Douglas Adams wissen, ist die wichtigste Antwort doch auch schon bekannt, die Antwort nämlich auf die Frage nach "life, the universe and everything"? Die Antwort, die der Supercomputer nach fast ewigem Rechnen schließlich gibt, lautet: 42.