Challenge Roth oder einmal im Jahr ist das Ziel das Ziel
Gerade eben stand ich noch neben Lucy Charles, Yvonne Van Vlerken, Daniela Sämmler und Sebastian Kienle. Jetzt warte ich frierend im Wasser auf den Startschuss, aufgrund meiner MS erstmals neben anderen Sportler mit Beeinträchtigungen, aber auch den Profis.
Bin ich wirklich bereit? Die letzten Monate waren außersportlich extrem fordernd, noch dazu kapitulierte mein Magen vor 2 Wochen mit DNS bei der Challenge Heilbronn.
Eine Langdistanz ist immer eine Wundertüte, erst Recht mit der unberechenbaren MS , aber gerade ihr muss ich immer wieder Zeichen setzen, gemeinsam ja, aufgeben, nein.
Erstmals genieße ich in Roth wirklich das Schwimmen, ich darf 1.18 Std. lang meinen Traum leben, immerhin 9 Minuten schneller als letztes Jahr.
Das Radeln entspricht schon wieder eher der Realität, einerseits positiv frisch, andererseits arg böig. Mit meinen eingeschränkten Reflexen und sichtbaren Auswirkungen(Unfälle, u.a. wie immer Kalvarienberg runter) traue ich mich bald nicht mehr in Aerohaltung zu fahren.
Mich hätte es fast auch einmal vom Rad geweht, als einer in Millimeterabstand überholte
und noch dazu eine Böe kam. Einiges an Adrenalin reicher, fuhr ich vorsichtiger weiter. Wohl zum Glück, da später mir tatsächlich jemand an vollkommen übersichtlicher Stelle ins Hinterrrad fuhr. Es schepperte. Ich bremste ohne zu Fallen(in Aerohaltung hätte es mich wohl gebrezelt). Ich frage, ob alles klar ist. Er bestätigt, ich fahre weiter. Später als er mich einholte, entschuldigte er sich sehr freundlich. Er wollte etwas trinken und vergass dabei ganz nach vorne zu schauen.
In Oberlenkerhaltung wird es aber sehr zäh, die Hände schmerzen, der ganze Kerl steht jetzt voll im frustrierenden Gegenwind. Ich lege die Grundlagen für einen langen langen Lauf
.
6.17 Std. später rolle so ich mit argen Matschbeinen in T2 ein.
Ich merke schnell, dass schnell laufen heute nichts wird. Mittlerweile sticht öfters die Sonne, meine MS blockiert, streikt dann zu gern. Ich denke an Taubertal100, versuche ein ähnliches Tempo zu finden, dass ich laufen, traben kann, Hauptsache nicht gehen.
Ich schleppe mich unendlich lange von Kilometer zu Kilometer. Ertrage, dass mich jetzt viele überholen, nur wenigen geht es noch schlechter. Zeiten sind mir eh egal, nur eine aus Respekt für einen lieben Freund, Andy
nicht. Mit viel Hingabe und Einsatz kämpft er seit Jahren vergeblich um eine SUB 13. Für junge oder talentierte oder unbelastete ist die Schwierigkeit kaum vorstellbar, für unsereins ist es immer wieder eine mitunter gewaltige Herausforderung.
Ich trabe und trabe, auch Mount Büchenbach hoch. Zurück zieht es mir ausgerechnet bergab völlig den Stecker
. Weder Energie noch Flüssigkeit kann ich aufnehmen, der Kreislauf fängt an zu mucken, ich friere plötzlich. Ich will nicht umkippen, besonders jetzt nicht mehr. Ich fange an zu gehen, egal wie peinlich es bergab erscheint.
Ich treffe den ganzen Tag über immer wieder liebgewonnene, aber auch neue Freunde, sauge daraus, wie später bei Fank Horras und der Hardtseemafia neue Energie, genieße die letzten Kilometer jetzt richtig.
Nach 12.51 Std. finishe ich Roth zum neunten Mal in neun Jahren, nicht glücklich, dazu bin ich noch viel zu fertig, aber erleichtert und in dem Wissen:
Ich darf träumen, kämpfen, leiden, hoffen und bisher am Ende immer feiern. Was will man besonders mit MS mehr?