Servus qbz!
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Zitat von qbz
Der Autor des Essay argumentiert eindimensional, weil er die Ursachen für den AFD-Aufstieg ausschliesslich dem subjektiven, kulturellen Faktor zurechnet und soziale, wirtschaftliche Faktoren kategorisch verneint, während ich "mutlifaktoriell" argumentierte und auch auf die sozialen Ursachen verwies.
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Ich meinte dich ja gar nicht
Zunächst ging es mir um den tendenziellen Artikel auf herner-sozialforum.de, dessen Framing sofort zu erkennen und auch zu verstehen ist, wenn man sich die Autorenschaft ansieht. Ich kritisiere das, weil genau solch eine tendenzielle Analyse von Situationen eben der AfD (zurecht übrigens) vorgeworfen wird. Es ist aus meiner Sicht überhaupt nicht hilfreiche eine Nachricht in der Art und Weise zu publizieren. Zumal man ja auch nach zwei bis drei Klicks eine andere Sichtweise lesen kann und auch die Erläuterung der Sichtweise von Lengfeld wo er aus seiner Sicht das Problem in der Herangehensweise der Kritiker sieht in der Literaturliste auftaucht. Dabei geht es noch nicht mal darum, was jetzt vielleicht eher zutrifft und was weniger - wer Recht hat oder nicht.
Ich würde mir wünschen, dass die Sichten der Autoren (Essay und Forschungsnotiz) objektiv gegenüber gestellt werden und dem Leser das Fazit aufgrund der vorgebrachten Argumente überlassen wird: Selber Denken statt politisch gefärbte Meinungsvorlagen. Es handelt sich bei dem verlinkten Artikel m.E. schlicht um das Ergebnis eines politischen Kalküls (im schlechtesten Fall) oder im verständlichen Falle "nur" um einen Confirmation-Bias (Bestätigungsfehler); oder ggf. halt um beides.
Aus meiner Sicht interpretierst oder implizierst du allerdings schon unzulässig wenn du schreibst, der Autor "[...]
argumentiert eindimensional, weil er die Ursachen für den AFD-Aufstieg ausschließlich subjektiven, kulturellen Faktor zurechnet und soziale, wirtschaftliche Faktoren
kategorisch verneint [...]"
Einerseits vermischt du m.E. strukturell Gründe verschiedener Ordnung und du verwechselst hier mMn Prämisse und Conclusio. Es wurde ja gerade GENAU DAS (untere Statuslagen) als Prämisse der "Modernisierungsverliererthese" geprüft und das Ergebnis war, eben es gibt
keinen dominierenden Effekt auf die
Absicht (hier steht übrigens nicht Wahlverhalten) AfD zu wählen. Begründet wird folgendermaßen: "Wenn man in multivariaten Analysen den Einfluss dieser Einstellungen kontrolliert,
verschwinden die Statuseffekte."
Es ist sogar so, dass der Autor einräumt, dass "[...]der Studie zufolge
sozial Schwächere häufiger zur AfD als die Mittelschichten oder die Bessergestellten. Allerdings sei das
vor allem deshalb der Fall, weil sie häufiger als andere Schichten die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland ablehnen. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich dahinter unter anderem der Wunsch der angestammten sozial Schwachen nach Konkurrenzabwehr verbirgt." Er sieht also in der Statuslage als Grund eine Korrelation zur Wahlabsicht aber keine Abhängigkeit.
Das mögen andere anders sehen und andere mögen zu einem anderen Schluß kommen. Ich will das auch nicht bewerten. Mir scheint nur wichtig, dass nicht versucht wird die Dinge so darzustellen, als sei das eine oder das andere richtig, denn wenn m.E. eines aus der Gemengenlage hervorgeht ist: Man weiß es nicht genau, es könnte alles zutreffen. Irgendwie. Zu einen Bestimmten Grad.
Allerdings stimme ich dir zu, dass eine entsprechende Sozialpolitik/Verteilungspolitik zumindest mittelfristig eine Wirkung haben könnte. Wichtig scheint mir, dass das beachtet wird, was Lux geschrieben hat: Solch eine Politik muss eine hohe Glaubwürdigkeit besitzen.
Also keine heuchlerische Debatte über die Bezüge der "alleinerziehenden Krankenschwester" mit der die SPD seit 20 oder 30 Jahren Wahlkampf macht und für deren Situation sich trotz Regierungsverantwortung der SPD in dem Zeitraum nichts wesentliches verbessert hat. Es kann auch keine Linke Rhetorik sein, denn gerade die Linke ist neben der AfD die mit Abstand am meisten rückwärtsgewandte Partei aktuell, obwohl sie dazu gar keinen Grund hätte. Denn es gab noch nie eine Zeit, in der das klassische Linke Traumideal "Die Maschinen arbeiten und die Arbeiter singen." so realistisch schien wie gerade jetzt.
Langfristig allerdings wird Verteilungspolitik das Problem einer erstarkenden (aus welchen Gründen auch immer) populistischen Partei nicht lösen. Dafür werden andere Einflüsse, wie z.B. die Veränderung des Arbeitsmarktes, deutliche Zunahme der Migration (auch durch Sekundäreffekte wie Klimawandel) zu dominant sein. Es muss eine neu Gesellschaft gedacht werden, eine Utopie, in der vor allem der Mensch und seine Freiheit im Mittelpunkt steht anstatt ein ewig notwendiges Wachstum, ein über die Maßen hoher Ressourcenverbrauch, ein "shifting baseline" in der Verdummung/Entmündigung der Bevölkerung hinsichtlich Selbstbestimmung oder ein nationalstaatliches Gewurschtel.
LG H.