Mir geht es nicht um Missionierung in Grundsatzfragen, sondern um pragmatische Kompromisse, ohne die in einer pluralistischen Gesellschaft nichts geht. Das ist in jedem anderen Lebensbereich auch so und anerkannt. Also warum ist es so schwer, das auch in Bezug auf Religion anzuerkennen?
Dem stimme ich zu: pragmatische Kompromisse zu finden ist die Aufgabe der pluralistischen Gesellschaft. Wir leben dabei mit Menschen zusammen, deren Meinung wir ablehnen und die selbst unsere Meinung nicht teilen. Zu Deiner Frage: dies bezüglich der Religion anzuerkennen finde ich deshalb schwierig, weil diese mitunter diskriminierende Ansichten vertritt, die wir einer weltlichen Organisation nicht zugestehen würden.
Wenn man diese Standpunkte kritisiert, reagiert die Religion mit ihrem Anspruch, dass dies aufgrund der Glaubensfreiheit nicht beanstandet werden dürfe. Diese Argumentation gestehen wir sonst niemandem zu, weder links- noch rechtspopulistischen oder -nationalistischen Argumentationen. Die Religion schützt hier vor Argumentation, und das macht es schwierig.
Wenn wir dem Christentum hier einen moralischen Freiraum zugestehen, werden wir das beispielsweise auch antisemitischen Muslimen zugestehen müssen.
Ich kenne Gläubige und Nichtgläubige, die als Ehepaare zusammenleben und letztlich sehr gut miteinander leben können, weil sich ihre Wertvorstellungen sehr ähneln; nur dass einer der beiden eben jeweils in die Kirche geht. Auch ich komme insofern mit Gäubigen im Alltag gut aus, sofern sie nicht z.B. homophobe oder frauendiskriminierende Ansichten vertreten.
Ich halte diesen thread nicht wie Du für entbehrlich. Ich nehme viele Argumente, auch Deine, wahr und denke darüber nach, hinterfrage Deine und meine Position. Ich nehme die Nachrichten über Religionen in Deutschland und der Welt naturgemäß anders wahr, als wenn ich diese Diskussion nicht verfolgt hätte.
...letztere sind ganz überwiegend reine Taufscheinchristen und wissen nicht viel von der christlichen Lehre. Ein Umstand, der übrigens vor allem vom Klerus kritisiert wird, und nicht von mir.
Gut, dann ist es also der Klerus, den man für jemanden halten darf, für den Frauen verderbt sind, Juden verworfen, Homosexuelle vom Teufel und Ungläubige Untermenschen. Sehe ich das richtig?
Auch der Dorfpfarrer, der bei Geburten, Taufen und Hochzeiten der Feier das Feiererliche gibt, christlichen Festen die Tiefe, die viele im Alltag missen oder bei Krankheit und Todesfällen den Menschen Trost spendet?
Das geht am Thema vorbei. Die Frage hier ist, wie viele Menschen im christlich geprägten Europa den Christen für jemanden halten, für den Frauen verderbt sind, Juden verworfen, Homosexuelle vom Teufel und Ungläubige Untermenschen.
Das meine ich mit extremer Einstellung. Also bitte - was ist passiert?
Ich finde den Anspruch des Christentums extrem, moralische Werte gegründet zu haben und insofern einem atheistischen Denken überlegen zu sein.
Passiert ist die Geschichte des Christentums, die keineswegs zielgerichtet auf das hinführte, was wir heute als gemeinsame Werte vertreten; vieles wurde dem Christentum mühsamst abgerungen.
Was ist mit folgender (hypothetischer) Aussage: "Nicht alle Kommunisten glauben an den Kommunismus"? Kann man als Kommunist gelten, wenn man den Kommunismus nicht favorisiert?
Die Tatsache, dass jemand sich für einen Christen hält, bedeutet nicht, dass er tatsächlich ein Christ ist. Um Christ zu sein, muss er mindestens einige zentrale Thesen unterstützen und für wahr halten. Diese zentrale Thesen wurden in den letzten 2.000 Jahren exakt definiert. Niedergeschrieben wurden sie beispielsweise im "Glaubensbekenntnis".
Wenn jemand die zentralen Behauptungen des Christentums nicht teilt, ist er kein Christ, egal wie er sich bezeichnet. Man kann also nicht argumentieren: "Ah, die meisten Christen glauben gar nicht an die Himmelfahrt und die Auferstehung". Wer nicht an die Auferstehung glaubt, ist kein Christ.
Die Bibel als Offenbarung ist völlig eindeutig, was im Christentum von Juden, Frauen, Ungläubigen und Ehebrechern zu halten ist. Es ist deswegen legitim, den Christen diese scheusslichen Bibelstellen vorzuhalten. Wer damit nichts zu tun haben möchte, muss die Bibel zwangsläufig als göttliche Wahrheit ablehnen. Das steht jedem frei.
Passiert ist die Geschichte des Christentums, die keineswegs zielgerichtet auf das hinführte, was wir heute als gemeinsame Werte vertreten; vieles wurde dem Christentum mühsamst abgerungen.
Aber ist doch letztendlich super gelaufen! Ich möchte weder in einem arabischen Land leben und schon gar nicht in China!
Was sind denn nach Deiner Meinung jene Dinge, die einen Christen ausmachen, d.h. was Christen von Nicht-Christen unterscheiden?
Gegenfrage. In welcher Gegend dieser Welt, die durch eine andere als die christliche Religion geprägt wurde, möchtest du lieber leben? Wo geht es Dir liberaler zu, wo sind die Menschen aufgeklärter, wo ist das Rechtssystem verlässlicher?