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Zitat von bellamartha
Lidl, wie geil ist denn dieser Bericht, den ich mir hier gerade nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub reinziehe? Großartig, schreib weiter, bitte!
Gruß
J.
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Ok, weil Du 's bist!
Aber ich fürchte, ich kann das Niveau nicht ganz halten ...
Nachdem ich die Tücken der Bekleidungstechnik bewältigt habe, sitze ich also endlich da, wo ich hingehöre: auf meiner Zeitfahrmaschine. :-)
Die normalerweise 185 km lange Strecke mit 3900 Hm ist kurzfristig auf 210 km mit 3500 Hm geändert worden, da der Sölkpass immer noch nicht befahrbar war, nachdem letztes Jahr ein Erdrutsch die Straße weggerissen hatte. Das war schon schade (um nicht zu sagen: nicht gut), da damit die Hauptattraktion der Radstrecke mit dem höchsten Punkt und der größten Steigung fehlte. Aber ich versuchte, es positiv zu sehen, da so die Entscheidung für die Zeitfahrmaschine statt des deutlich leichteren Rennrades etwas mehr Sinn machte (ja ich weiß, dass das kein gescheites Deutsch ist - ist mir aber Wurscht!).
Da die Strecke weitgehend nur in eine Richtung ging, hatte ich mich vorher über den zu erwartenden Wind informiert. Es wird keinen wundern, dass der natürlich von vorn kommen sollte. Auch das könnte man für nicht gut halten, aber es war wiederum ein Pluspunkt für die Zeitfahrmaschine - zumindest solange ich in ordentlicher Position fahren können würde ...
Da gab es in der Tat einen kleinen Unsicherheitsfaktor, da ich dieses Jahr kaum Trainingsfahrten über 100 km gemacht hatte. Komischerweise beunruhigte mich das aber nicht.
Frühmorgens hielt sich der Wind noch in Grenzen und alles lief erst mal normal. Wie üblich überholte ich einige Leute und wurde nicht überholt. Fast nicht. Nur ein Chinese ging mit erstaunlicher Geschwindigkeit an mir vorbei. Noch erstaunlicher war, dass er das auf einem Rennrad ohne Zeitfahraufsatz tat. Chinesen waren mir bisher nicht als Überbiker aufgefallen - aber ok, so suuuperschnell war ich heute auch nicht unterwegs.
Ich glaub, es war am Anfang des ersten Bergs, wo mir ein entgegenkommender Läufer zurief: "43ster!" oder so - die genaue Zahl hab ich vergessen. Unter der Annahme, dass er tatsächlich alle Radfahrer ordentlich durchgezählt hätte, versuchte ich fortan, mein Hirn damit zu beschäftigen, bei jedem Überholvorgang meine aktuelle Position zu ermitteln. Das klappte aber nur so mittelgut, da ich oft nicht sicher war, ob ich schon in Vorfreude auf das Überhol-"Opfer" meine Position mental upgedatet hatte, oder ob ich das noch tun musste. Tja, irgendwie kann das Blut wohl nicht überall sein - Beine und Hirn sind einfach zu viel.
Zurück zum Chinesen: Da ich mich höchst ungern überholen lasse, versuchte ich, an ihm dran zu bleiben, was aber nur kurzzeitig halbwegs gelang. Ne Weile konnte ich ihn in Sichtweite halten, aber es war klar, dass ich das nicht lange durchhalten könnte, also musste ich ihn ziehen lassen.
Etwas später näherte ich mich einem anderen Chinesen. Was der so trieb, fand ich aus anderen Gründen unlustig: Er lutschte nämlich ziemlich dreist und dicht hinter einem unbeteiligten Rennradfahrer. Da letzterer nach ner Weile abbog, hielt sich der unfaire Vorteil in Grenzen - ebenso verhält es sich mit meinem Verständnis für solches Verhalten. (Nebenbei: Kampfrichter gibt's dort nicht, an Regeln halten sollte man sich trotzdem.)
Wahrscheinlich hätte ich den Lutscher nicht sehr freundlich auf die Regeln aufmerksam gemacht, wenn ich ihn normal überholt hätte, aber er hielt bei seinem Supportteam an, bevor ich vorbeirauschte.
Übrigens hatte ich ein ausgedrucktes Profil der Radstrecke in der Trikottasche, so dass ich mich grob orientieren konnte, wie weit ich war und was denn noch so kam. Das grobe Profil erwies sich allerdings als zu grob, denn ich konnte sowohl km als auch Höhenmeter nur schätzen, was meist nicht so toll klappte. Bei jedem Anstieg dachte ich verfrüht, er müsste doch jetzt endlich mal zu Ende gehen - ging er aber nicht. (Man denke sich hier ein "Das war nicht gut!" Ich habe gerade keine Lust, es zu schreiben.)
Aber erstaunlicherweise gab es nicht nur Anstiege sondern auch Abfahrten. Und die sollten sich noch erstaunlichererweise als für mich schwieriger erweisen, denn hier war mein P2 so schwer beherrschbar, wie ich es noch nicht erlebt hatte. Mehrfach gab es eine unschöne Kombination aus böigem starkem Wind, heftiger Steilheit, Serpentinen und üblem Straßenbelag. Das war definitiv gar nicht gut! Da habe ich einige Zeit liegengelassen, was auch daran erkennbar war, dass ich in einer Abfahrt extrem schnell von einem - ich sag mal - Mitstreiter überholt wurde. Kurz danach war die Abfahrt zu Ende und es ging durch einen Kreisverkehr, wo ich dem Raser blind folgte. Leider zu blind, denn da waren wir falsch, wie uns zum Glück sehr bald aus seinem Supportfahrzeug signalisiert wurde. Ich konnte eher wenden als der Raser und somit ward er fortan nicht mehr gesehen.
Einen weiteren Kollegen gab es noch, der mich mehrfach kurzzeitig überholte / einholte. I.d.R. war er bergab etwas schneller und ich bergauf, so dass das öfters hin- und her ging. Das ging erstaunlich lang so, denn auch nachdem ich ihn irgendwann eigentlich abgehängt hatte, tauchte er kurz vor dem 2. Wechsel wieder auf, als ich von einer Baustellenampel aufgehalten wurde. Er war übrigens einer der wenigen, mit denen ich auf dem Rad mehr als ein "Hi" austauschte. Aber nachdem die Ampel grünte, musste ich mir dann doch noch einen kleinen Vorsprung vor dem Wechsel zurückholen.
Jetzt hab ich aber MatthiasR übersprungen. Ich hatte zwar wenig Hoffnung, ihn überhaupt im Rennen zu sehen, da er mich sicherlich schon im Schwimmen deklassieren würde, und auch sonst flott unterwegs ist. Aber für den Fall der Fälle hab ich mir doch seine Startnummer rausgesucht und sogar gemerkt. Ich glaube, es war am steilsten Anstieg nach ca. 160 km, als ich ihn doch noch eingeholt habe. Es war sofort klar, dass er ein Problem hatte. Er war schwer am kämpfen und lieferte auch gleich die Erklärung: Er war schon vorher krank, hätte wohl eigentlich nicht starten sollen und plante nun seinen Ausstieg bei nächster Gelegenheit. So kam's dann auch.
Da ich jetzt chronologisch schon ziemlich durcheinander bin und nun doch mal im Bett muss, erwähne ich nur noch schnell, dass ich schon nach ca. 100 km unschöne Sitzprobleme hatte (man erinnere sich an meine kurzen Trainings!), was mir in dem Moment größere Sorgen machte, da noch ein paar km vor mir lagen und sowas meist nicht besser wird. Es wurde aber zum Glück besser!
Nicht besser wurde der Wind. Zeitweise konnte ich im Flachen - wenn es das denn mal ausnahmsweise gab - trotz Zeitfahrhaltung nur mit Mühe 25 fahren. Nicht gut!
N8! Bett. Gut!