24.6.2018 kurz vor 9.
Dem Radl war Guten Morgen gesagt, ich hatte gefrühstückt, die Family war gut drauf.
Ich hatte einmal mehr furchtbar geschlafen und stand mit gemischten Gefühlen im Startbereich. Die Wassertemperatur machte mir insbesondere zu schaffen und mittlerweile waren es laut Aushang nur noch 15,9 Grad. Die Lufttemperatur war schätzungsweise ähnlich. Es gab trotzdem kein Entrinnen mehr und tapfer lief ich ein paar Meter ins kühle Nass ... bis zu den Knien, nicht weiter. Okay, anstandshalber ein paar Tropfen ins Gesicht, ehrfürchtig diejenigen beobachtend, die sich wirklich einschwammen. Ich kreiselte einige Male mit den Armen, hüpfte auf der Stelle. Ich stand ganz am rechten Rand des Feldes, mein Ziel: das Schwimmen überstehen, gerne ohne im Anschluss Eisblumen an den Füßen zu haben.
Noch 10 Sekunden.
3 - 2 - 1. Los.
Ich lief so weit es ging, vertraute auf das Adrenalin und stürzte mich mit dem Kopf voran in die Fluten. Uff, mir stockte kurz der Atem, dann überkam mich riesige Erleichterung. Der von mir am meisten gefürchtete Teil des Tages war geschafft
... und dann schwamm ich. Versuchte möglichst wenig nachzudenken, die immer kälter werdenden Hände und Füße zu ignorieren. Ich hoffte maximal 40 Minuten zu brauchen, war überraschender Weise des öfteren am Überholen.
Endlich, nach einem recht welligen aber vergleichsweise unspektakulären Schwimmen nahte das rettende Ufer und ich torkelte an Land... fing mich aber rasch wieder, trabte in die Wechselzone. Kurz konzentrieren, der vorletzte Beutel unten rechts am Ständer war meiner. Im Zelt beim Umziehen war meine Überraschung groß dort noch einen meiner Vereinsmitstreiter anzutreffen, der eigentlich deutlich schneller schwimmen könnte als ich. Also fix aus dem Neo gepellt, mir die Zeit genommen wenigstens den gröbsten Sand zwischen den eiskalten Zehen zu entfernen, was sich mit Fingern ähnlicher Temperatur als eher schwierig herausstellte.
Socken an, Schuhe, Brille ... endlich konnte es los gehen. Ich machte mir übrigens sogar die Mühe meine nicht sonderlich stylischen Armlinge überzustülpen ... mögen sie wenigstens ihren Zweck erfüllen.
Die Radstrecke stellte sich als anspruchsvoller heraus als ich es befürchtet hatte! Hügelig, kurvig. Wind und Regen erhöhten den Schwierigkeitsgrad noch einmal. Ich radelte also so vor mich hin. Konnte gelegentlich überholen, wurde überholt. Irgendwann kam mir er Song „Lemon Tree“
von Fools Garden in den Sinn, ich begann zu singen. Merkte, dass ich nicht sonderlich textsicher war, fühlte mich völlig bekloppt. Egal. Sang ich eigentlich wirklich!? Keine Ahnung, hören würde mich eh keiner. Die knapp 90 km zogen sich ziemlich, Hände und Füße machten keine Anstalten aufzutauen. Ich hoffte auf Besserung beim Laufen. Die vierte Radrunde näherte sich dem Ende, endlich. Ich gab kurz etwas Gas um den Mitstreiter unmittelbar vor mir im Blick zu behalten, war ich mir doch sicher, dass auch er nun in die Wechselzone musste ... ich war mir nämlich nicht ganz sicher, wo wir so abbiegen mussten ...
VERDAMMT!!! ER AUCH NICHT!!! Ich schloss zu ihm auf, brüllte was von „Wechselzone“. Er brüllte was zurück, eine Zuschauerin gestikulierte wild, dass wir zurück müssten.
SCH%$#£>!!!!!!!
Boah, war ich sauer. Umkehren, Vollgas. Frust.
Wie viel Zeit mögen wir verschenkt haben!??? Laut Garmin fast drei Minuten!!!
Ich raste bis zur Wechselzone. Wutentbrannt. Hängte das Radl an seinen Platz, rannte weiter. Mein Adrenalinpegel am Anschlag. Gelben Beutel einsammeln, wieder ins Wechselzelt. Helm ab, Brille ab ... aber stop!
DAS GING NICHT!!! Meine Hände waren mittlerweile vor Nässe und Kälte so gefühllos, dass ich diesen besch$%#% Helm nicht aufbekam. Jemanden um Hilfe fragen!? War das erlaubt??? Ich wechselte also erst die Schuhe. Die Lasche vorne am Schuh faltenfrei ziehen!? Keine Chance, die Finger kooperierten kein Stück. Ich fluchte lautstark vor mich hin. Irgendwann, nach gefühlt unzähligen Versuchen, war immerhin der Helm vom Kopf, ich rannte los. Da auch die Füße weiterhin kurz vor taub waren, würde ich ein paar Falten in Schuh oder bunten Socken eh nicht merken.
Ich stürmte also wieder aus der Wechselzone, mein Blick vermutlich mittlerweile echt wahnsinnig.
Aber: Fokus!!! Ich war wild entschlossen mich von Anfang bis zum Ende der Laufstrecke hin ordentlich zu verpflegen und steuerte nach rund 2,5 km die erste Futterquelle an, griff mir ein Gel.
Cola erwischt,
Mist,
Mist,
Mist!!! Zum einen hasse ich Cola, zum anderen brauchte ich bei meinem derzeitigen Zustand ums Verrecken kein Koffein mehr!!! Das Gel also zurück, ich ohne weiter. Das Laufen fühlte sich verdammt gut an, vereinzelte Blicke auf die Uhr sagten mir, dass ich eigentlich zu schnell war. SCH&%# drauf. Ich beschloss es drauf ankommen zu lassen. Es fühlte sich gut an, mein Zeh war doppelt und dreifach verpflastert, bremsen war keine Option. Relativ schnell kam der Mitstreiter an mir vorbei, mit dem ich gemeinschaftlich die Wechselzone verfehlt hatte. Rief mir fröhlich zu, dass uns das beim nächsten mal nicht mehr passiert, ich antwortete, dass wir nun einfach etwas schneller laufen müssten, dann passt das schon ... zügig war er wieder weg, ich mit dem Tunnelblick on Tour.
„Nothing can stop me now“ kam mir in den Sinn. Ich lief und lief und lief. War nun von Gels auf Isoplörre umgestiegen. Bäääääh, ich hasse Isoplörre! Aber sie muss ja auch nicht schmecken, nur ihren Zweck erfüllen ... ich warte tapfer darauf, dass die Beine einfach den Dienst quittierten, aber es lief. Km 10 laut Garmin der erste über einer 5er Pace.
WEITER die Füße tauten langsam wieder auf, ich fürchtete nichts Gutes... aber der Zeh schlug sich wacker, lediglich die Waden schwächelten irgendwann etwas.
WEITER!!! 5 km to go. Die letzte Runde. Ich wurde langsamer, nicht viel. Hangelte mich km um km. Die letzte Isoplörre, das letzte orange Bändchen. Einmal noch auf dem befestigen Schotterweg zurück. Der letzte Kilometer. Ich nahm den Jubel aus dem Zielbereich wahr, der Sprecher im Ziel faselte gerade was von „der nächsten schnellen Frau unter 5 Stunden“.
WAAAAAAAASSS??? Meine Schwimm- und Radzeit wusste ich dummerweise nicht, einzig beim Laufen schielte ich immer mal auf die Uhr. Ich setze zum Endspurt an. Die Aussicht, dass auch ich die 5 Stunden noch knacken konnte, setzte ungeahnte Kräfte in mir frei, hatte ich doch im Vorfeld nicht ansatzweise auf sub 5 zu hoffen gewagt!!!
Mit gefühlter Lichtgeschwindigkeit bog ich auf die Zielgerade ein.
Das Messer zwischen den Zähnen, die Püschel überall.
Blick auf die Uhr über dem Ziel ...
SUPERKNÜLLEROBERHAMMERMÄSSIG!!! Da stand was von 4:55:xx!!!
... mit sonstigen Zahlen und Platzierungen muss ich Euch nicht langweilen, die kennt Ihr ja längst
Ich bin natürlich hochzufrieden
Der einzige kleine Wehmutstropfen: die Dame vor mir war nur wenige Sekunden schneller ... und zu allem Überfluss auch noch in meiner AK ... ohne meinen kleinen Umweg auf der Radstrecke hätte es also möglicherweise noch kleine Verschiebungen in der Ergebnisliste gegeben
Der Zeh hat gelitten, aber etwas Schwund ist überall...
Last but not least ... noch 33 Tage to go ...