So, in die Hände gespuckt und weiter gehts. Die Dr. Oetker Fertigpizza grummelt ölig im Magen und neben mir liegt eine ungeöffnete Riesenpackung Toblerone. Das sollte als Wegzehrung locker bis zum Piz Gloria reichen.
Kurz noch mal die harten Facts:
Wir befinden uns 8km vorm Ziel haben also ca. 95% der Wegstrecke hinter uns. In Höhenmetern betrachtet auf ca 1600hm . Fehlen also 1400 bis zu den knapp 3000 im Ziel, d.h. ca. 25% der Gesamthöhenmeter liegen auf 5% der Gesamtstrecke vor uns!
Es ist fast 17:30 und ich bin 10:00 auf den Beinen, seit Stechelberg sind 2:15 vergangen.
Ich steige mit Vincent nun meist schweigend immer weiter den Berg hinauf, es ist neblig und langsam wird es dämmrig. Km um Km verrinnt, wenn auch langsam. Vincent macht Hochrechnungen wann wir oben ankommen, kommt aber immer wieder zu anderen Ergebnissen. Ich hatte im Vorfeld ungefähr mit 4,5h gerechnet, das sollte noch möglich sein.
Auf den Schildern standen nur KM , keine Höhenangaben, das machte das Schätzen etwas schwierig.
Alle 2-3km gibt es jetzt eine Versorgung, wodurch sich wieder eine kleine Gruppe bildet. Vor uns bibbert sich Horst im Singlet und kurzer Hose dem Schildhorn entgegen, unglaublich aber war. Wenn wir dem Wind ausgesetzt sind, wird es richtig ungemütlich. Die Temperaturen sinken Richtung 0 Grad.
Kurze Zeit später sehe ich Horst in einem schwarzen Müllsack gesteckt Meter machen. Man muss sich zu helfen wissen. Wobei ich glaube, dass er nicht mehr selbst auf die Idee gekommen ist.
Ich nehme wie gewohnt Boullion zum wärmen, Cola und Wasser. Und der Magen nimmt zum Glück auch nach 11h alles brav auf. Dank der ganzen salzigen Boullion habe ich auch mit Krämpfen nichts zu tun.
Der Akku geht so langsam in den roten Bereich, die Schritte werden immer schwerer, leichter Schwindel macht sich breit und Vincent löst sich einige Meter von mir. Hinter mir ist niemand zu sehen also Zähne zusammenbeißen und dran bleiben.
Über uns sind schemenhaft andere Läufer zu sehen, sind das 50 hm, 100hm. Bald verschwinden Sie im Nebel.
Ich denke an die Reinhold Messner Bücher. Und erzähle Vincent wie er das Höhenbergsteigen jenseits der 7000m als brutale Schinderei beschreibt, wo die Schritte nicht mehr spinal ausgelöst werden sondern jeder Schritt einzeln willentlich ausglöst werden muss und nach 3-5 Schritten ein Pause nötig ist. So weit sind wir ja zum Glück noch lange nicht. Also kann es nicht so schlimm um uns bestellt sein. Trotz aller Müdigkeit, zweifele ich nie daran auf dem Schildhorn anzukommen. Fragt sich halt wie lange es noch dauert.
Die letzten km habe ich nur noch ziemlich schemenhaft in Erinnerung. Es gab einige steile Passagen, die mit einer Leine gesichert waren, eine Art Treppe. Das war wohl das Kanonenrohr. Vincent bleibt immer öfter stehen und stöhnt vor sich hin.
Bei km 21 stelle ich mir meinen Grundschulweg vor, der war 2km lang, also noch einmal hin und zurück.
Die letzen 2 km dauern unendlich lange. Es fängt jetzt leicht an zu schneien, was die Stimmung sehr schön abrundet. Wir gehen über die Traverse, da jedoch gar keine Sicht mehr ist, ist die nur wenig spektakulär. Noch 1 km, irgendwann hören wir den Sprecher, der die Finisher euphorisch empfängt. Noch 500m. Der Sprecher wird nicht wirklich lauter. Wir können das Ziel immer noch nicht sehen. Die Minuten vergehen, Vincent vor mir wird nicht schneller, eher immer langsamer. Will er die letzten Meter besonders genießen? Wir passieren noch mal einen Fotografen, der bibbernd in der Kälte liegt. Vor uns steht ein Schild 25k und wir können die verf****te Hütte nicht sehen. Was soll das? Die Laufstrecke soll doch 25k lang sein. Wer denkt sich denn so was aus?
Dann taucht sie aber doch noch auf. Wir klettern die Treppe auf die Plattform hoch. Mich übermannen kurz die Emotionen, ich schluchze einige Male, denke daran was für ein unglaubliches Schwein ich habe, dass erleben und machen dürfen, denke an nahe Menschen, die nicht mehr da sind. Vincent bleibt auf der Treppe nochmals stehen, schaut nach oben. Dort stehen immer noch viele Menschen und feuern jeden Finisher an, nach vielen Stunden. Ein richtiger Gänsehaut Moment. Jetzt gehen wir die letzten Meter hoch, ich klatsche einen Wildfremden Menschen ab, der an der Treppe steht. Ich sehe meine Eltern und umarme sie.
Dann laufe ich mit Vincent Hand in Hand ins Ziel!
Ich habe es geschafft, ich bin auf dem Schildhorn!
Fanfare, Abspann
P.S. Sorry Flachy , jetzt habe ich „Erotisme“ doch nicht mehr unterbekommen, deshalb für dich ein Bild vom Bondgirl aus „Her Majestys request“ Diana Rigg der teilweise auf dem Piz Gloria alias Schildhorn gedreht wurde. Kannst du nach deinem Finish im Bondmuseum bewundern
Und jetzt die Frage an das Fachpublikum: Aus welcher Serie ist diese Dame weltbekannt?