Zitat:
Zitat von Trimichi
Sollte also die blinde Fresswut (Profitmaximierung) über die Vernunftbegabung und das daraus bedingte Talent des Menschen sich über seine animalische Natur zu erheben und Moral zu schmieden triumphieren?
Falls ja, es wird ein trauriges Fest... .
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Das ist ein zu einfaches Bild. Erfolgreiche Strategien sind viel komplexer. Nehmen wir als Beispiel die Partnerwahl. Wer bekommst die begehrtesten Frauen oder Männer ab? Im einfachen Bild vom Fressen und gefressen Werden hole ich mir die Frau notfalls mit Gewalt und breche allen Konkurrenten das Nasenbein.
In der realen Welt ist das komplexer. Viele Frauen bevorzugen Männer mit ausgeprägten sozialen Stärken. Sie (die Männer) können damit langfristig zuverlässige Versorger für den Nachwuchs sein, können soziale Netzwerke knüpfen und einen hohen Status in der Gemeinschaft erlangen.
Falls diese (wahrscheinlich unbewusste) Strategie erfolgreich ist, breitet sie sich in einer Population aus. Man findet dann nach einiger Zeit viele Männer mit diesen sozialen Eigenschaften, sowie Frauen, welche diesen Typ bevorzugen. Das wiederum wirkt sich auf die Erwartungen und Gepflogenheiten innerhalb einer Gesellschaft aus. Offen unsoziales Verhalten wird nicht geduldet und geächtet.
Das bedeutet nichts anderes, als das die erfolgreichste Strategie automatisch die Moralvorstellungen hervorbringt: Das Verhalten eines Mannes, der stark davon abweicht, gilt als unmoralisch. Etwa, wenn er viele Frauen schwängert und sich anschließend nicht um die Kinder kümmert.
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Ein zweites Beispiel:
Frauen gehen in einer Partnerschaft eine große Investition ein. Denn sie sind es, welche die Kinder gebären und im Falle einer Trennung jahrelang aufziehen müssen. Deshalb sind sie tendenziell an Männern interessiert, die langfristig zuverlässig sind und dauerhafte emotionale Bindungen einzugehen bereit sind.
Männer hingegen können nicht 100% sicher sein, ob die Kinder, die aufzuziehen sie täglich mithelfen, ihre eigenen sind. Sie sind daher tendenziell an Frauen interessiert, die ihnen sexuell treu sind.
Beide verfolgen damit das Ziel, ihre "Investition" zu schützen.
Die Eifersucht der Frau bezieht sich in diesem schematischen Bild darauf, die emotionale Bindung ihres Mannes nicht zu verlieren. Sie legt auf seine emotionale Treue mehr wert als auf seine sexuelle. Bei Männern ist es aus dem genannten Grund umgekehrt: Sie fürchten vor allem die sexuelle Untreue ihrer Frauen, weniger die emotionale.
Das wirkt sich auf unsere Moralbegriffe aus. Bei der Frau ist die
sexuelle Untreue moralisch sehr negativ besetzt, weit stärker als die des Mannes. Beim Mann ist die
emotionale Untreue moralisch sehr negativ besetzt; beispielsweise werden Seitensprünge von Männern gesellschaftlich akzeptiert, solange sie sich zu Hause um Frau und Kinder kümmern.
Wir unterliegen nun dem Irrtum, wir hätten solche Moralvorstellungen selbst erfunden. Sie sind aber nur das Ergebnis erfolgreicher Strategien oder erfolgreicher Verhaltensweisen.
(Vorsorglich bitte ich um Vergebung, dass ich vereinfachte Beispiele aus sehr komplexen sozialen Gebieten gewählt habe. Mir geht es nur um die Verdeutlichung einer Tendenz oder eines Prinzips.)