Zipp, zapp, Zipperlein, welches darf´s denn heute sein?
Mit Belastungen körperlicher Art ist es bei mir wie mit dem Alkohol: früher habe ich einfach mehr vertragen. Heute will jede Anstrengung gut überlegt, wohl vorbereitet, maßvoll durchgeführt und sorgfältig ausgeheilt sein. Und selbst dann gibt´s gelegentlich noch kleinere und größere Überraschungen. Zu den bereits bekannten Zipperlein gesellen sich unaufgefordert stets neue hinzu. Plötzlich und unerwartet. Einige verschwinden wieder ganz von allein, aber andere verhalten sich wie kleine, graue Esel: zuverlässig, robust und treu. Die weichen dir einfach nicht mehr von der Seite.
Bekanntester, leistungs-unabhängiger Esel dürfte die Altersweitsichtigkeit sein. Selbstverständlich ist das alles gar nicht so schlimm, denn Deutschlands Optiker-Infrastruktur ist wirklich ganz hervorragend. Aber es bleibt dieses nagende Gefühl, dass es einen erwischt hat und man auf einmal auf die andere Seite der Fehlsichtigen wechselt. War man bisher jung und kurzsichtig, ist man jetzt alt und weitsichtig. Ich hege die Vermutung, dass ziemlich genau in diesem Zeitfenster Nicht-Sportler das Reformhaus oder die Apotheke für sich entdecken. Beipackzettel, die Heilung versprechen, und Preise, die einen dazu zwingen, an das Heilsversprechen zu glauben. Mancher ignoriert derlei Anzeichen aber auch einfach. Mein Mann zum Beispiel. Bisher hat er sich über seine überdurchschnittlich langen Arme nur beim Schwimmen gefreut, aber jetzt freut er sich darüber auch bei seiner täglichen Zeitungslektüre. Den Rad-Tacho abzulesen geht wohl auch noch ganz gut. Ich habe zumindest noch nichts Gegenteiliges gehört.
Dann gibt es natürlich noch den Nackenschmerz-Esel. Der zeigt sich Entspannungsübungen gegenüber in manchen Fällen geradezu resistent. Wer in seinem Leben spät mit dem Radfahren auf dem Auflieger begonnen hat, kommt selten ungeschoren davon. Die detaillierten Schmerzstellen sind in unserem Alter manchmal auch gar nicht so leicht auszumachen. Schließlich haben wir nebenbei noch Muskelkater in den Oberarmen vom Schwimmen und die Schultern fühlen sich sowieso schon länger irgendwie nicht so geschmeidig an.
Und dann erst der Beinschmerz-Esel. Der lässt einen gar nicht mehr zur Ruhe kommen. Füße, Achilles-Ferse, Wade, Schienbein, Knie, Oberschenkel vorn und hinten. Erst jetzt wissen wir, wo es uns überall zwicken kann. Dass ich hier die Rückenschmerzen aus lasse, liegt einzig daran, dass wir die eh alle schon länger haben, oder?
Das Ermüdende dabei ist, dass die Recherche nach Diagnosen und Therapiemaßnahmen einen doch zunehmend Zeit und Geduld kostet. Von Nerven ganz zu schweigen. Aber wenn wir uns denn ganz doll bemüht haben, die Sache selber in den Griff zu bekommen und endlich, endlich den Gang zum Arzt wagen, dann sind wir sicher, dass wir bestimmt etwas Heftiges haben und der Doktor schimpfen wird, warum wir denn nicht eher gekommen seien und er da jetzt in nächster Zeit mit Sport ganz, ganz schwarz sieht. Nein, er wird uns den Sport sogar verbieten, damit wir uns endlich eine Auszeit gönnen, die wir schon viel eher hätte einlegen sollen. Wir sind aber auch harte Hunde, Mannomann.
Und was ist dann wirklich das Allerschlimmste, das uns passieren kann? Das mit Abstand Aller-aller-aller-Schlimmste ist dann, dass der Weißkittel nach eingehender Untersuchung die Stirn in Falten legt, uns mit Augen, die schon alles gesehen haben, über seine Goldrandbrille tief und vertrauenserweckend ansieht und leise, einfühlsam und eindringlich in B-Moll raunt: „Tut mir leid, ich kann da nichts finden!“. In einem Film würde darunter genau jetzt der Untertitel „Sie werden alt.“ stehen. Und dann gibt´s einen Schnitt und man sieht einen alten Esel heim gehen und sich zu Hause ein Gnadenbrot mit Nutella machen.
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