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Beste Grüße Alex. |
Ein Mensch ist tot...
... und die Welt dreht sich einfach weiter. Wir essen, wir schlafen, wir lachen, wir fluchen, wir arbeiten, wir ärgern uns über Kleinigkeiten, anstatt jede Sekunde dieses kostbaren Lebens bewusst zu leben. Und all das, obwohl J. gestern Abend gestorben ist. Nach 51 Tagen auf der Intensivstation des Uni-Klinikums, in das sie wegen zunächst unklarer Beschwerden eingeliefert wurde und innerhalb von 24 Stunden in einen lebensgefährlichen Zustand fiel, zwischenzeitlich an der Herz-Lungen-Maschine war, seit Wochen ohne Nierenfunktion und daher rund um die Uhr an der Dialyse, seit Wochen beatmet, die meiste Zeit im Koma und als sie mal wach war zwischendurch weinte sie bitter und ihre Eltern sagten, dass ihr Blick nach Erlösung flehte. Die kam dann gestern spät am Abend, die Lungen voller Blut, Einblutungen im Gehirn, J. hat vermutlich nichts davon gespürt, weil sie ohne Bewusstsein war. J. war die beste Freundin meiner lieben Freundin Yvonne, sie waren seit ihrem 3. Lebensjahr eng befreundet, nie war der Kontakt abgebrochen, im Oktober ist ihrer beider Geburtstag. J. ist nun nicht mehr 40 Jahre alt geworden. Auch wenn es der lang erwartete und zuletzt erhoffte Tod für sie war, weil ihr Körper nie mehr gesund geworden wäre, ist es furchtbar. Und die Welt, sie dreht sich weiter, als ob nichts wäre. Ich erinnere mich in diesen Stunden an den Tod meines Bruders vor nun 25 Jahren, an diese surrealen Stunden und Tage nachdem meine Welt aus den Fugen geraten war und um mich herum das Leben einfach weiter ging. Ich erinnere mich an meine Verwunderung darüber, dass ich Stunden nach der Nachricht eingeschlafen bin, an mein schlechtes Gewissen, als ich zum ersten Mal wieder lachen musste, an all unsere Trauer, unser Leid, unseren unfassbaren Schmerz über den Verlust eines wunderbaren, geliebten Menschen, an meinen Vater, der fast verrückt wurde über den Verlust und meine Fassungslosigkeit, dass Christians Tod die Welt nicht zum Stillstand brachte. obwohl nichts anderes mir angemessen erschien, damals.
Und heute? Heute bin ich froh, dass sie sich weiter drehte, die Welt. Aber der Schmerz ist nicht weg. Manchmal überkommt er mich wie ein Naturereignis, wie ein Gewitter, wie ein Regen, der mich durchnässt bis auf die Haut und zitternd zurück lässt. Dann weine ich nach all den Jahren um ihn. Er fehlt seit diesem Tag im März 1986 und wird mir noch fehlen, wenn ich selbst mal sterbe. Heute trauern wir um J., eine lebensfrohe, liebenswerte, starke Frau. Die Ärzte hatten die ganzen 51 Tage lang keine Ahnung, was sie hatte. Ein unbekannter Erreger hat sie befallen, der auf keine Behandlung dauerhaft und am Ende gar nicht mehr ansprach. Und mir ist heute mal wieder klar, wie kostbar unsere Zeit ist, unsere LEBENSzeit, nicht die Arbeitszeit, Freizeit oder sonst wie titulierte Zeit. Welch unsinnige Unterscheidungen! Es ist alles Lebenszeit und die kann jederzeit zu Ende gehen. Ich wünschte, ich könnte diese Haltung, diese Wertschätzung für mein Leben, so wie es ist, länger bewahren, aber ich weiß, dass das nicht so ist. Auch Yvonnes, auch meine Welt wird sich ohne J. weiterdrehen und wir werden die Kostbarkeit immer wieder aus den Augen verlieren bis wir das nächste Mal daran erinnert werden. Mal erinnert uns das Leben mit besonders glücklichen Momenten daran, mal mit besonders schmerzlichen. Heute sind wir sehr traurig. Judith, nachdenklich. |
Schön geschrieben, auch wenn der Hintergrund traurig ist:Blumen:
Mosh, seit 15 jahren ohne Vater, dieses Jahr schon auf sechs Beerdigungen |
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Lebe jeden Tag, als wäre es dein Letzter und ebenso, als hättest du noch eine unbegrenze Anzahl davon! Ansonsten kann ich natürlich nur dieses nichts ändernde "Herzliches Beileid" hier reinschreiben... Sind es jedoch nicht genau diese Momente, in denen einen der Wert des eigenen Lebens bewusst wird, wie du schreibst? Ich habe schon lange aufgehört daran zu glauben, dass ich automatisch immer wohlbehalten nach Hause komme, weils immer nur die andern trifft. In Situationen wie vorigen Samstag mit dem Auspuff auf der Autobahn, die man zunächst als harmlos ansieht, die sich dann aber schlagartig ändern, wird mir immer wieder bewusst, dasses nix ist als mein (hoffentlich) immerwährendes Glück, das mich vor dem bitteren Ende vieler anderer bewahrt. Wie hat mein Vater irgendwann mal gesagt: wenn nachts um Zwei jemand anruft und sich verwählt hat, ist das nicht schlimm. Aber es könnte sehr schlimm sein, wenn sich jemand NICHT verwählt hätte! |
Hallo Judith,
das ist nicht das erst Mal, dass ich hier vor meinem Rechner sitzend versuche, für dich tröstende Worte zu finden. Das letzte Mal, als du dich für Lanzarote anmelden wolltest, dies aber aufgrund der MS nicht konntest. Ich habe gefühlte 1000 Posts gestartet, aber keiner erschien mir als der Richtige. Auch jetzt geht es mir wieder so, ich würde dir allzu gerne Trost spenden. Deine Zeilen sind so gefühlvoll und tiefgründig... Judith fühle dich gedrückt von mir. Alex. |
Liebe Alex,
vielen Dank für deine netten Worte. Deine Anteilnahme tröstet mich. Es ist ein schönes Gefühl, wenn ein Mensch, der mich gar nicht persönlich kennt, sich Gedanken um meine Befindlichkeit macht. Danke dafür! Vorhin bin ich irgendwann laufen gegangen. Laufen macht den Kopf bei mir nicht frei, aber es ist trotzdem schön gewesen und an einem Tag wie diesem geht es ja darum, dem Traurigen Schönes entgegen zu setzen. Deshalb habe ich Yvonne, die natürlich viel mehr betroffen ist als ich, die ich J. nur über sie kannte, auch dazu geraten, ihre vor Tagen für heute geplante Verabredung zu einer Fotoausstellung wahr zu nehmen und nicht das Gefühl zu haben, zu Hause trauern zu müssen und nichts Schönes erleben zu dürfen. Das Laufen war anstrengend, weil ich mal wieder seit vielen Tagen nicht gelaufen bin. 1:15 Std. war ich in der Sonne unterwegs, bin durch den Wald und oberhalb des Baldeneysees gelaufen, der unten in der Abendsonne hübsch glitzerte. Ich habe dann auf eine Verabredung mit dem Liebsten zum Kino gehofft, aber der wollte mal wieder lieber in seine geliebte Werkstatt, um an irgendwelchen Fahrrad-Projekten zu arbeiten. Also habe ich statt dessen nun noch mal Zwetschgenkuchen gebacken, diesmal ist er heil in den Ofen hinein gekommen. Und jetzt mache ich noch Apfelmus aus den restlichen Äpfeln von Annika. Samstag fahre ich voraussichtlich wieder ins Münsterland zum ernten. Morgen früh holt mich um 5:30 Uhr ein Kollege von der Drogenberatungsstelle ab und wir fahren nach Duisburg zum See, um dort ein Schwimmen in die Morgendämmerung zu machen. Ein bisschen Angst habe ich, nachdem ich heute Morgen zum ersten Mal wieder gerne Handschuhe auf'm Rad angehabt hätte. Schöne Grüße, schönen Abend, bis bald Judith. |
Liebe Judith
auch wir kennen uns nicht persönlich,aber du berührst mich mit deinen Posts. Speziell der Berlinpost mit der großen Liebe hat mich an vieles bei mir erinnert und auch dein gerade Erlebtes ähnelt meiner Gedankenwelt im Moment. Ich mache mir viele Gedanken über Leben und Tod-gerade weil wir dem Ende immer näher rücken und mit vielen heftigen Sachen konfrontiert werden. Uns hat niemand auf solche Situationen vorbereitet und die Erde anhalten wär das Einfachste ,aber das Leben ist nicht nett zu uns.... Ich wünsche die viel Kraft und bin froh hier auch so etwas lesen zu dürfen. |
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