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Über die Schiara...
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Tag 23
7. August 2012 Rifugio Pian de Fontana – Via ferrata di Marmol – Rifugio 7° Alpini Am Abend hatte es noch unfassbar stark geregnet und gehagelt, aber wie so oft auf dieser Reise ist es am Morgen wieder gut. Die Schiara liegt noch wolkenumhüllt, aber bis dorthin sind es ja noch dreieinhalb Stunden zu gehen. Ich gehe mit Alexander und Theresa, zwei jungen Studenten. Sie haben noch nie einen Klettersteig gemacht, aber ich will trotzdem lieber mit ihnen gehen als alleine. Beide sind sehr nett. Ihre Mitwanderer, knapp 60 und knapp 65 Jahre alt, müssen sich nach einer Weile leider von uns trennen, weil sie im Rifugio Pian de Fontana keine Klettersteigsets leihen konnten. Sie sind sehr traurig darüber, weil sie sich so auf den Klettersteig gefreut hatten. Beide sind übrigens sehr nett und extrem fit. Gerd, der nächstes Jahr 60 Jahre alt wird, läuft die 10 km immer noch in unter 43 Minuten und seine Marathonbestzeit liegt bei knapp über 2:30 h! Zunächst gilt es heute, die Forcella de le Nerville zu erreichen und dann die Forcella del Marmol. Dahin geht es immer bergauf, sie liegt auf 2262 m Höhe. Am Ende ist das eine anstrengende Kletterei, aber ich komme den Berg heute sehr gut und sehr schnell hinauf. Das rächt sich, weil ich dann oben lange auf Alex und Theresa warten muss und friere. Denn hier oben hängen die Wolken tief, so dass es leider nichts wird mit dem Blick auf die ferne Adria, den man bei guter Sicht laut Wanderführer erhaschen kann. Wir legen die Klettersteigsets an und dann geht es hinein in den Klettersteig, zunächst eine Weile bergauf und höchst unkompliziert und dann gilt es, die 600 m hohe Wand nach unten hinabzusteigen. Bald sind die Wolken weg, freie Sicht auf dass Ziel, das Rifugio 7° Alpini und noch weiter unten auf Belluno. Alle Befürchtungen bezüglich des Klettersteiges, der als mittelschwer eingestuft wird, waren umsonst! Es gibt nicht eine Stelle, die mir Furcht einflößt. Ganz ruhig und entspannt folge ich den Drahtseilen, Leitern und Spalten hinab. Immer, wenn ich den Blick zurück nach oben schweifen lasse, bin ich erstaunt, wie senkrecht die Wand ist und wie unproblematisch es dank des Klettersteiges ist, hinunter zu kommen. Ich habe sehr viel Spaß, die beiden anderen auch. Wir kommen gut am Ende des Klettersteiges an, dann geht es noch ca. 30 Minuten in Serpentinen steil hinab, immer wieder ungläubige Blicke zurück auf die Schiara werfend: „DA sind wir runter? Wahnsinn!“ Um 15:30 Uhr erreichen wir das Rifugio 7° Alpini. Als ca. zwei Stunden nach unserer Ankunft die Familie mit den beiden 11 und 13 Jahre alten Söhnen noch immer nicht da ist und auch die sechs Rentner aus Kärnten nicht, machen wir uns Sorgen, ob sie alle heil vom Berg hinunter kommen. Auch der Hüttenwirt, der durch einen Anruf beim Rifugio Pian de Fontana weiß, wie viele Leute über den Klettersteig zu ihm unterwegs sind, beginnt, mit dem Fernglas die Wand abzusuchen. Dass der Klettersteig nicht ungefährlich ist, beweist die kleine Kapelle oberhalb der Hütte mit den Gedenktafeln der dort Verunglückten. Dann kommt ein einzelner Mann, der sowohl die Familie als auch die Rentner traf. Die Familie sei extrem langsam unterwegs, aber wohlauf, bei den Rentnern habe sich eine Frau die Schulter ausgekugelt. Wir sind weiter in Sorge, bis die Rentner um 19 Uhr eintrudeln, die Familie um 19:30 Uhr. Beide Jungs strahlen über das ganze Gesicht, ihre Mutter ist fix und fertig. Ich genieße den letzten Abend in einer Hütte, denn morgen heißt es Abschied nehmen von den Bergen. Ein komisches Gefühl... Die Bilder: - Mont Schiara, noch wolkenumhüllt früh am Morgen - Das wunderschön gelegene Rifugio Pian de Fontana - War mein verrückter Bruder hier? - Alex und Theresa im Klettersteig - ich auch! |
Mehr Bilder Tag 23
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- Es ist eine herrliche Kletterei!
- Ein erster Blick zurück - Alex und Theresa bei einem Stück waagerecht entlang der Wand - ...teilweise sehr luftig... -... oder durch Spalten hinab. |
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- DA sind wir herunter? Wahnsinn!
- Das Rifugio 7° Alpini - Wir sind heil hinunter gekommen. Das gelingt nicht allen... |
Unglaublich, ein St. Pauli-Aufkleber am Ende der Welt!
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Frolain, ich will ja nicht drängen, aber wir haben Sonntag und dein letzter Beitrag iss vom Donnerstach...
(Aber natürlich biste jederzeit rehabilitiert, wennst die drei Tage jetzt mitm Picasa gekämpft hast und wir uns die Buidln in voller Grösse und Auflösung angucken dürfen hinterher...) |
Ferien auf dem Bauernhof...
Zitat:
Ich war von Freitag Nachmittag bis eben im Münsterland, um den Hof meiner Freundin zu hüten, die übers Wochenende weg war. Ich kümmerte mich um: - 4 erwachsene Pferde (Bella, Pila, Perlita, Nena) - 2 Jährlinge (Maria, Carma) - 1 Fohlen (Amanda) - 1 Minipony (Bommel) - 1 Zergesel (Majo) - 4 Hunde (Götz, Elmar, Siggi, Klitschko) - 5 Katzen (Rudi, Moshe, Juan, Carlos, Pedro) - 1 Schildkröte (Klaus-Robert) - 1 Kaninchen (weiß nicht, wie das heisst) - 2 Meerschweinchen (Namen auch vergessen) - einen Arsch voll Hühner - einen Haufen Tauben Es war ein sehr schönes Wochenende, aber jetzt kommt auch noch mein Bericht vom 24. Tag meiner Wanderung. Schöne Grüße, J. |
In Belluno...
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Tag 24
8. August 2012 Rifugio 7° Alpini – Bolzano Bellunese – Vezzano – Belluno Belluno! Italien! Ort der Minderwertigkeitskomplexe für die deutsche Durchschnittsfrau! Erst recht, wenn sie in einer beigen Wandershorts, einem ärmellosen Odlo-Laufshirt und beigen Crocks unterwegs ist. Die teilweise atemberaubend schicken Italienerinnen glotzen auf meine Füße und fragen sich vermutlich, aus welcher Institution ich wohl ausgebrochen sein mag. Ob sie eher an Knast oder an Klappse denken, vermag ich von ihren Gesichtern nicht abzulesen. Klar ist jedenfalls: Die Crocks gehen hier gar nicht und sind noch dazu bei der Hitze viel zu warm. Flipflops müssen her. Leichter gesagt als getan, denn zwar gibt es jede Menge schicke Schuhgeschäfte mit sehr hübschen Schuhen, aber stinknormale Gummi Flipflops? Fehlanzeige! Ich kann dann doch noch welche für 10 € erwerben. Besonders schön sind sie nicht, aber luftiger und passender als die Crocks. Leichter ist es, ein Paar Turnschuhe für den weiteren Weg zu erwerben, denn ich werde definitiv nicht mit den schweren Wanderstiefeln den Weg durch die Ebene antreten. Ein paar ziemlich blaue Traillaufschuhe von Brooks machen das Rennen. Teuer sind sie, aber sehr bequem. Ein Abenteuer ist der Besuch der Post, wohin ich die Tüte mit den Wanderstiefeln und einigen anderen Dingen schleppe, die ich nicht mehr brauche und deshalb nach Hause schicke. Nie wieder will ich über die Langsamkeit in deutschen Postämtern fluchen, denn der Untertitel dieses Besuches im Hauptpostamt von Belluno könnte „Die Entdeckung der Langsamkeit“ heißen. Als ich dann endlich dran bin, muss ich feststellen, dass man dort kein Wort Englisch oder Deutsch spricht und ich spreche ja kein Italienisch. Trotzdem gelingt es mir, mit Händen und Füßen verständlich zu machen, dass ich den Krempel nach Deutschland schicken will und dafür einen Karton brauche. Es gäbe noch viel über diesen Postbesuch zu schreiben, aber lassen wir das... Jedenfalls überlege ich nur kurz die ganze Aktion abzublasen, als die Postbeschäftigte mir den Schnäppchenpreis von 38 € für das Paket nennt. Ob das der normale Preis für ein – zugegebenermaßen ziemlich schweres – Päckchen ins europäische Ausland ist oder sie mir zur Strafe für meine nicht vorhandenen Italienischkenntnisse einen Express-Super-Eil-Tarif angedreht hat, wird für immer ungeklärt bleiben... Leicht abgenervt ziehe ich weiter und widme mich, angeregt durch die glühende Hitze hier in Belluno und durch die Aussicht auf das Bad in der Adria in einigen Tagen, erst mal Dingen, die ich wirklich gut beherrsche: Bikini-Shopping! Ohne groß zu fackeln, erwerbe ich zwei Stück und freue mich darüber. Ein Eis in einer kleinen Eisdiele, das ich danach zu mir nehme, stellt sich als eines besten heraus, das ich in meinem Leben gegessen habe und lässt mich die Post-Erlebnisse endgültig vergessen. Am Abend gehe ich mit Alex und Theresa, den Kölnern Gerd und Winfried sowie der Psychotherapeutin Gisela, die hier in Belluno ihre Tour beendet, essen und stelle fest, dass die Italiener nicht nur Eis, sondern auch Pizza am besten können. Um 21:30 Uhr werde ich unruhig, weil ich Angst habe, dass die kleine Eisdiele schließt und verabschiede mich von den anderen, weil ich dringend noch so ein Eis brauche. Hurra! Meine Sorge ist unbegründet, in der Eisdiele herrscht noch reger Betrieb. Aufgedonnerte Italienerinnen springen aus einem fetten Auto, in dem ein lässiger Typ am Steuer sitzt und holen Eis. Ich nehme wieder drei Kugeln und setze damit meine in den Alpen errungenen, sichtbaren Erfolgen in Sachen Shakira-Bauch sehenden Auges auf’s Spiel. Aber wer weiß, wann im Leben ich noch mal so köstliches Eis kriege? Eis essend schlendere ich durch das hübsche Belluno und habe gute Laune. Den Weg morgen werde ich alleine fortsetzen, weil Alex, Theresa und die Kölner einen leicht anderen Weg nach Venedig gehen. Hab’ ich noch was vergessen? Ach ja, der Weg vom Rifugio 7° Alpini nach Belluno: Darüber muss man nicht viele Worte verlieren. Es geht fast nur bergab, das einzig bemerkenswerte sind so genannte Gumpen, die der Torrente Ardo bildet, eine Art natürliche Badewannen mit eiskaltem, kristallklarem Wasser. Nach dem Eisbad im Grindlersee kann mich nichts mehr schocken, so dass ich natürlich in so eine Badewanne steige. Alex auch, Theresa kneift. Mit den Orten Gioz, Bolzano Bellunese und Vezzano ist es dann endgültig vorbei mit der Einsamkeit und diesmal wird sie auch nicht zurückkehren, wie zuvor nach Begegnungen mit dem normalen Leben. Dann erreichen wir Belluno und ich stürze erst mal in den Obstladen gleich am Ortseingang, denn Obst ist ja auf den Hütten eher Mangelware. Den restlichen Marsch von 2-3 km ins Stadtzentrum hätte ich auf später verschoben, wenn ich gewusst hätte, dass ich dann das ätzende Stück nicht zweimal hätte gehen müssen, denn der einige Waschsalon liegt genau hier an diesem Ortseingang. In diesem Waschsalon mache ich dann später den Fehler, mein durch die Konfrontation mit italienischen Frauen ohnehin angeschlagenes Selbstbewusstsein weiter zu zerstören, in dem ich mir die Wartezeit mit dem Durchblättern einer italienischen Modezeitschrift zu vertreiben.... Italienische Durchschnittsweiber scheint es nicht zu geben, in Hochglanzmagazinen natürlich eh nicht. Die Bilder: - Grauenhaft, diese italienischen Toiletten... - Badegumpen - Die Italiener gedenken an vielen Orten den Partisanen des 2. Weltkrieges - Über die A 27 wäre ich ruckzuck da... - Man beachte, dass in Italien Kreuze sogar im Waschsalon hängen! |
Mehr Bilder Tag 24
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- Komisch, gar keine Berge mehr im Weg, nur noch ein paar Hügel... Blick auf den Piave
- Das leckerste Eis der Welt... - ... stammt aus dieser Eisdiele! |
Bikini-Bilder zum gut finden oder fremdschämen...
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Den blauen habe ich von vorne ja schon vorgeführt...
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Zitat:
Ich hab mir meine Beinmuskeln bei der folgenden Sitzung arg malträtiert undn ähnliches Statement abgegeben. Mittlerweile weiss ich, dasses nur in unserer 'zivilisierten Welt' so ist, dass man sich mit dem nacktem Arsch auf verranzte Klobrillen(allein dieses Wort!) setzt, wo zuvor schon weiss-Gott-wer gethront hat und dabei hofft, sich nicht alle Seuchen der Welt einzufangen. Alle andern Völker gehn auf so Dingern wie dem bei dir abgebildeten in die Hocke und berühren den heiligen Boden bestenfalls mitm Schuhwerk und sonst mit nix. Wer beheizte Klobrillen mag, Spülung nicht nur fürs Becken und Gedanken daran, dass auch andere ab und an Stuhlgang haben, gerne beiseite schiebt, braucht jetzt eher nicht weiterlesen. Kommt man nämlich in gewisse Winkel der Welt, fragt man sich in Toiletten, die nach unserem Standard ausgestattet sind bisweilen, wieso die Wände bis Brusthöhe mit Kacke verschmiert sind, ehe man sich n gemütliches Plätzchen in der Botanik rundum sucht. Über die Reinhaltung des Örtchens brauch ich hier keine Worte verlieren, aber Schuhabdrücke aufm Toilettenrand haben mir irgendwann die Lösung verraten und ganz unter uns: wenn ich in bestimmten Lokationen n gewisses Mass an Sauberkeit nicht vorfinde, mach ichs mittlerweile ganz genauso, ehe ich sinnloserweise versuche, die Klobrille (da hammerse wieder, bäh! Klooooobrille ) mit Toilettenpapier (so überhaupt vorhanden...) zu reinigen: draufsteigen, in die Hocke gehen wie in so nem 'Steh'klosett und sich freuen, dass man Hände und Hinterbacken nedd braucht...:) Nach diesem Ausflug an die Orte dieser Welt, wo auch die Könige zu Fuss hingehen: Prost Mahlzeit und zurück ins Studio, ääh, den Blog...:Cheese: |
Sybenwurz, du Irrer!:bussi:
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Zitat:
"Die Bikinifüllung lenkt aber durchaus von der reinen Beurteilung von Stoff und Schnitt ab"....:) |
Zitat:
:Blumen: |
Soo gerne würde ich jetzt Deine herrlichen Bikini-, Gelati- und Bergbilder loben, aber gewisse Niveauterminatoren haben es mir irgendwie verleidet. Und jetzt Schwamm drüber und ab nach Venedig.
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Moin,
Zitat:
Nach meinem Abi habe ich mal etwas ähnliches - also eine Alpenüberquerung - mit dem Rad gemacht. Damals war meine Ahnungslosigkeit vom Radeln so groß wie meine Begeisterung dafür. Als Folge davon hatte ich in Italien tierische Knieschmerzen. Der Besuch des örtlichen Krankenhauses lief wohl ungefähr so ab wie Dein Auftritt in dem Postamt. Er endete mit einem eingegipsten linken Bein und einer Packung obskurer Tabletten... ...Aber erst nachdem ich einmal einbeinig auf so einem Teil abgekackt habe, gab ich auf, und fuhr mit dem Zug nach Hause!... [/Opa chris erzählt] Ansonsten hat Sybenwurz recht! Viele Grüße, Christian |
Ich könnte ja mal Geschichten von aserbaidschanischen öffentlichen Toiletten erzählen. Da gabs nur einen großen Raum mit mehreren Löchern im Boden ohne Trennwände, ohne Klopapier, ohne Trittchen und die Löcher waren so klein, die konnte man nicht treffen, da konnte nur das Flüssige wegsickern ... aber ich hör schon auf ... :Cheese:
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Können wir jetzt wieder wandern? Ja? Geht das?
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...oder Bilder anschauen:Blumen:
Mosh |
Lost im Nirvana...
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Tag 25
9. August 2012 Belluno – Castiòn – Castoi – Valmorel – Casera del Monte Gal – Revine Lago – Tarzo – Arfanta – Agriturismo Le Noci Oft ist es gut, dass man vorher nicht weiß, was auf einen zukommt. Ich hatte schon die ganzen Tage von dieser heutigen Etappe als der ersten flachen gesprochen. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, denn es sind heute noch mal über 800 Höhenmeter nach oben und nach unten zu bewältigen. Von Belluno aus geht es erst einmal nach Castiòn und dann lange Zeit an einer kleinen und kaum befahrenen Landstraße entlang durch das malerische Tal des Torrente Turriga. Hier stürze ich zum zweiten Mal auf dieser Reise und natürlich kommt gerade in dem Moment, in dem ich durch das Gewicht des Rucksackes albern wie ein Käfer auf dem Rücken herum zappele eine Rennradlerin vorbei, nachdem vorher ewig lange keine Menschenseele vorbei kam. So kommt sie jedenfalls in den Genuss einiger der gängigen und derben deutschen Flüche... Dann wird’s anstrengend, denn für mich überraschend, weil ich ja von einer ganz flachen Etappe ausging, steigt der Weg nun bis weit hinter Valmorel, eigentlich bis zum Pian de le Femene stetig und teilweise steil bergan. Ich fühle mich trotzdem wohl, die Strecke ist schön, wenn auch die Orientierung nicht ganz leicht ist, zumal hier kein Schwein Deutsch oder Englisch spricht. Aber extrem freundlich ist hier jeder, den ich auf Italienisch nach dem Weg frage, um von der Antwort nur einzelne Worte oder Gesten zu verstehen. Oberhalb von Revine Lago, ich kann die Seen unten liegen sehen, nimmt das Unglück dann seinen Lauf: Ich muss ja den Bio-Bauernhof Le Noci erreichen, der in Arfanta bei Tarzo liegt, um dort das am Passo Duran ausgeliehene Klettersteigset zurück zu geben. Aus dem Internet hatte ich eine sehr ausführliche, aber offenbar nicht ganz korrekte Wegbeschreibung ausgedruckt. Als mir kurz nachdem sich der Blick nach Revine Lago öffnet, auffällt, dass ich vielleicht doch schon dort mit dem Abstieg hätte beginnen müssen, erreiche ich eine Wirtschaftsstraße mit einem Wegweiser, dass es 8 km in so ein kleines Kaff sei (dessen Namen ich jetzt vergessen habe). Ich bin zu faul zurück zu laufen und beschließe nach einem Blick auf die Karte (übrigens eine der Firma Belletti, in der laut Hinweis im Wanderführer der Straßenverlauf völlig falsch eingezeichnet ist), dass das Kaff so falsch nicht ist, weil ich ja eh weiter nach Tarzo muss und mir Revine Lago auch schenken kann. Die 8 km auf der Drecksstraße überlebe ich mal wieder nur Dank Andrès iPod. Im Tal angekommen, halte ich dann stramm auf Tarzo zu und übersehe so, dass ich nun wieder auf den Weg aus der Internetwegbeschreibung hätte abzweigen können und müssen. Als ich dann doch bemerke, bin ich schon gut 1,5 km vom dem Abzweig entfernt und begehe, weil ich ja unbelehrbar bin, denselben Fehler zum zweiten Mal: Weil ich keine Lust auf Zurücklaufen habe, versuche ich mein Glück sozusagen auf eigene Faust. Ein Fehler, der sich nun, vermutlich als Strafe für doppelte Begehen, bitter rächen wird! Tarzo erreiche ich problemlos. Hier bin ich nun schon mit 8 Stunden reiner Gehzeit und insgesamt ca. 30 Minuten Pause, gut bedient. Und wieder ein Fehler: Anstatt einfach der kleinen Landstraße zu folgen, an der laut Schild nach 4,2 km Arfanta liegt, beschließe ich, den auf der Karte eingezeichneten Wanderweg zu suchen, der mich dann auch wieder auf den Weg aus dem Internet führen soll. Ich finde den Weg aber nicht, dafür aber ungefähr da, wo ich ihn erwartet hatte, einen handgeschriebenen München-Venedig-Hinweis. Im Nachhinein kann ich nur vermuten, dass er von italienischen Partisanen angebracht wurde, die die Schnauze voll haben von dämlichen Deutschen, die ohne jegliche Kenntnisse der Landessprache und ohne jeden Orientierungssinn mit überdimensionalen Rucksäcken und bescheuerter, beiger Wanderbekleidung durch ihr stolzes Land latschen... Jedenfalls lande ich im Nirvana der Prosecco-Hänge. Manchmal treffe ich auf Eingeborene, frage nach dem Weg, verstehe natürlich ihre Antworten nicht, versuche ihre Gesten richtig zu deuten, deute sie offenbar nicht richtig und verlaufe mich immer mehr. Dann ein Bauer auf einem Trecker, der ein paar Brocken Deutsch spricht und mir den Weg über Privatgrundstücke weist, welch ein Glück! Vermutlich handelte es sich aber in Wahrheit um den Partisanen-Chef, denn als ich den von ihm beschriebenen Weg gehe, lande ich endgültig im Otuback des Véneto. Mittlerweile ist ein Gewitter heraufgezogen, rückt immer näher und ich bin froh, dass ich in Belluno nur die Regenhose, nicht aber die Regenjacke nach Hause geschickt habe. Ich irre weglos über Privatland, sehe irgendwann ein paar Hundert Meter entfernt eine kleine Landstraße, in deren Richtung ich Arfanta den Gesten der Partisanen nach vermute. Ich beschließe, den direkten Weg zur Landstraße zu nehmen, so beschwerlich er auch sein möge, um sie nur ja nicht mehr aus den Augen zu verlieren. In der Regenjacke schwitzend wie ein Schwein und fluchend kraxele ich durch die Prosecco-Reben und Dornengewächs Hänge hinab und komme nach einigen Umwegen doch endlich zu der Straße. Von dort aus sind es noch gefühlte 100, in Wahrheit wohl aber ca. 3 Kilometer bis nach Arfanta. Einen München-Venedig-Hinweis, diesmal in vertrauenserweckendem Design, ignoriere ich, weil ich ja schließlich zu diesem verfluchten Bio-Bauernhof muss. In Arfanta noch mal freundliche Partisanen nach dem Weg gefragt und nach einem weiteren Kilometer und gut 10 Stunden reiner Gehzeit, erreiche ich mit blutig verschrammten Beinen und in Bomben-Laune das Agriturismo Le Noci. Wandern macht Spaß, jaja... Das köstliche Abendessen der sehr netten Familie entschädigt mich etwas und ich quatsche noch ein wenig mit Melanie und ihrem Freund Jan, die vor 2 Jahren von München nach Venedig gingen und die mir sagen, dass bis hierhin die Orientierung ja kein Problem gewesen sei, aber in den nächsten Tagen müsste ich mich auf größere Schwierigkeiten gefasst machen... ah ja! Gut, dass ich das geborgte Garmin-Navi nach Hause geschickt hatte, als sich abzeichnete, dass ich mit André bis nach Venedig laufe, der ein besseres hatte. Und gut, dass André jetzt schön zu Hause sitzt und ich vermutlich in der Ebene vom großen Nichts verschluckt werde... Die Bilder: - Blick zurück auf Belluno und die Berge - Meine neuen Schuhe, sehr blau, mit einem unvorteilhaften Bild meiner Beine - Abschied von Alex, Theresa, Gerd und Winfried - Manche Forums-Mitglieder wissen, warum ich die immer fotografiere... - Partisanen überall..., ich hätte es wissen müssen! |
Mehr Bilder Tag 25
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- Noch in der Laune, um Blödsinn zu machen...
- wunderschönes Tassei - Endgültig in der Ebene angekommen. Man sieht es nicht, aber in der Ferne liegt das Meer! - Völlig abgenervt, verloren in den Prosecco Hängen auf der Suche nach dem... -... Agriturismo Le Noci. |
Köstlicher Bericht. :Blumen:
Aber wenn Du schon in den Prosecco-Hängen rumeierst, warum hast Du keinen zur Brust genommen? Macht glücklich. Echt! |
Ein Marathon mach San Bartolomeo...
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Tag 26
10. August 2012 Agriturismo Le Noci – Refrontolo – Collalto – Priùla – Salettuol – Maserada – Candelù – Saletto – San Bartolomeo Zum Glück weist mir die nette Bio-Bäuerin den Weg hinab über ihre Wiesen auf den richtigen Weg, sonst hätte das Verlaufen vermutlich gleich wieder nach dem Verlassen des Hauses begonnen. Auf dem Weg angekommen, bin ich keine zehn Minuten unterwegs, als ein junger Bengel mit einem unglaublich großen Rucksack zu mir aufschließt und fragt, ob ich auch nach Venedig laufe. Alle Leute, die hier mit großen Rucksäcken unterwegs sind, gehen nach Venedig. Wir gehen zusammen weiter und innerhalb kürzester Zeit weiß ich unglaublich viel über ihn. Mir ist ja meine Quasselei oftmals unangenehm, deshalb bin ich immer beruhigt, wenn ich feststelle, dass es noch viel größere Quasselstrippen als mich gibt. Der Bengel heißt jedenfalls Marco, war 6 Jahr bei der Bundeswehr, studiert BWL, ist seit Oktober von seiner Freundin getrennt, lebt in Norddeutschland, ist geschäftstüchtig, schleppt mehr als 20 kg auf dem Rücken, ist nicht unsympathisch und hat ein Navi auf seinem Handy! Grund genug, erst mal mit ihm weiter zu gehen, zumal ich über Gesellschaft ganz froh bin. Ich wollte eigentlich nur bis Priùla gehen, aber Marco fängt an davon rumzuspinnen, wie es wäre, die restlichen ca. 100 km am Stück zu gehen oder zumindest die ca. 80 km bis zum Meer. Ich sehe mich eher nicht 80 oder 100 km am Stück marschieren, weil ich noch gut die Tage in Erinnerung habe, an denen ich 32 und 37 km gegangen bin und wie ich mich da am Abend gefühlt habe. Ich frage ihn, ob er selbst schon mal so lange Strecken am Stück gegangen ist, aber seine längste war ein Halbmarathon in ca. 2 Stunden. Aha... Aber in Priùla machen wir eine längere Pause, essen warm und schütten kalte Cola in uns hinein und ich beschließe, die nächste Tagesetappe bis Bocca Callalta noch mitzugehen, weil’s noch früh am Tag ist und die Orientierung auf der nächsten Etappe im Wanderführer als „nicht ganz einfach“ bezeichnet wird und Marco schließlich der Mann mit dem Navi ist. Ca. 21 km sind wir bis Priùla gegangen, bis Bocca Callalta sindes noch mal 26 km. Weil wir dort aber keine Unterkunft kriegen, gehen wir am Abend nur bis San Bartolomeo und kommen so auf die Distanz eines Marathons. Kurz nach der Pause in Priùla zieht es mich erst mal wieder ins Wasser, diesmal in den schönen Piave. Es ist herrlich erfrischend und ich wünschte, ich könnte hier bleiben. Marco ist entweder verklemmt oder steht nicht auf Wasser, jedenfalls bleibt er draußen. Ich aber beneide mal wieder die Menschen, die an Flüssen leben, die so sauber sind, dass man mit Genuss darin schwimmen kann, denn das Schwimmen in Flüssen hat für mich einen ganz besonderen Zauber. Im Wasser treibend denke ich zum wiederholten Male auf dieser Reise an mein Lieblingsgedicht von Brecht: Vom Schwimmen in Seen und Flüssen Im bleichen Sommer, wenn die Winde oben Nur in dem Laub der großen Bäume sausen Muss man in Flüssen liegen oder Teichen Wie die Gewächse, worin Hechte hausen. Der Leib wird leicht im Wasser. Wenn der Arm Leicht aus dem Wasser in den Himmel fällt Wiegt ihn der kleine Wind vergessen Weil er ihn wohl für braunes Astwerk hält. Der Himmel bietet mittags große Stille. Man macht die Augen zu, wenn Schwalben kommen. Der Schlamm ist warm. Wenn Kühle Blasen quellen Weiß man: Ein Fisch ist jetzt durch uns geschwommen. Mein Leib, die Schenkel und der stille Arm Wir liegen still im Wasser, ganz geeint Nur wenn die kühlen Fische durch uns schwimmen Fühl ich, dass Sonne überm Tümpel scheint. Wenn man am Abend von dem langen Liegen Sehr faul wird, so dass alle Glieder beißen Muss man das alles, ohne Rücksicht, klatschend In blaue Flüsse schmeißen, die sehr reißen. Am besten ist’s man hält’s bis Abend aus. Weil dann der bleiche Haifischhimmel kommt Bös und gefräßig über Fluss und Sträucher Und alle Dinge sind, wie’s ihnen frommt. Natürlich muss man auf dem Rücken liegen So wie gewöhnlich. Und sich treiben lassen. Man muss nicht schwimmen, nein, nur so tun, als Gehöre man einfach zu Schottermassen. Man soll den Himmel anschauen und so tun Als ob einen ein Weib trägt, und es stimmt. Ganz ohne großen Umtrieb, wie der liebe Gott tut Wenn er am Abend noch in seinen Flüssen schwimmt. Schweren Herzens reiße ich mich los und weiter geht es, zunächst entlang des Piave, dann entlang Landstraßen und als sich der Himmel immer mehr verdunkelt und Regentropfen fallen und wir eh schon ziemlich erschöpft sind, machen wir – ich glaube in Maserada – eine Pause in einer kleinen Bar, wo wir wieder erhebliche Mengen Cola in uns rein schütten. Ansonsten ist die Bar neben den Betreibern und dem für diese Gegend Italiens offenbar obligatorischen fetten, kleinen, hässlichen Köter nur von italienischen Rentnern bevölkert, die hier Karten spielen und dabei alkoholische Getränke in den Farben des Regenbogens trinken Marcos Gehlaune schwankt stark und in kurzen Wellen. Eben noch total platt und demotiviert, plappert er Augenblicke später munter davon, wie cool es doch wäre, die Nacht durchzulaufen und am nächsten Mittag am Meer zu sein. Ich will nur noch Bocca Callalta erreichen und das ist noch weit genug entfernt. Nach der Pause ist’s mit Regen schon wieder vorbei, es hätte mich auch gewundert, wenn der ergiebig gewesen wäre, denn die Gegend ist total trocken und die Felder werden gesprengt. Bei Saletto telefoniere ich mit meinem Vater, der für mich in dem Hotel in Bocca Callalto anruft, wo ich ja eigentlich erst morgen ankommen wollte und ich erfahre, dass dort heute nichts frei ist. Ich telefoniere mit einem Hotel in San Bartolomeo und habe dort Glück. Doppelt Glück, denn nach San Bartolomeo sind’s 5 km weniger und das Hotel ist günstig und gut. Marco spricht nicht mehr davon, die Nacht durchzulaufen, sondern entscheidet sich ebenfalls für eine Nacht in San Bartolomeo. Damit ist auch klar, dass wir einen zweiten Tag miteinander wandern werden und ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich das finde... Die Bilder: - seltsame Vorstellung haben italienische Bio-Bauern von artgerechter Haltung ihrer Nutztiere: Kaninchen in grauenhaften Minikäfige mit Drahtböden... - Das Agritursimo Le Noci von innen... - ... und außen. - Ein Huhn im Restaurant in Priùla hatte es jedenfalls besser... - ... als die Hasen auf'm Bio-Hof! |
Mehr Bilder Tag 26
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- In der Bar in Maserada.
- Abendstimmung kurz vor San Bartolomeo. |
Du hast es drauf, bellamartha
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In die Hölle...
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Tag 27
11. August 2012 San Bartolomeo – Zensòn di Piave – Campolongo – Fossalta – Croce – Musile – Caposile – Jesolo – Lido di Jesolo Nach wenig und eher schlechtem Schlaf und einem ätzend italienischen Frühstück, auf das ich daher weitestgehend verzichte, geht’s um 8 Uhr los. Der Wandertag beginnt, wie der gestrige geendet hatte: Auf Landstraßen. Es wird schnell sehr heiß. Kurz nach dem Losgehen wählt Marco einen anderen als den beschriebenen Weg: „Eine Abkürzung!“ Ja, eine Abkürzung ist es, aber eine, die in eine Sackgasse führt und uns deshalb zwingt, uns durch einen Zaun auf Bahngleise zu quetschen, die zu überqueren und auf der anderen Seite über einen mit Dornen zugewucherten hohen Zaun zu klettern und ca. zweieinhalb Meter tief auf eine viel befahrene Straße zu springen. Naja, mein Unmut hält sich in Grenzen, weil heute mal wieder 36 km vor uns liegen und es so vielleicht zwei weniger sind. Was dann folgt, ist die Hölle der bisherigen Wanderung: Es geht hinauf auf den Piave-Damm und dort erst mal schlappe 6-7 km bis nach Zensòn di Piave. Immer geradeaus in der sengenden Sonne, asphaltiert, weil eine Straße entlang läuft. Wie immer im Flachen spüre ich schnell das Gewicht des Rucksackes und schmerzende Stellen an den Füßen. Es ist stinklangweilig und ich rette mich mal wieder mit Andrès iPod, auch um Marcos Gejammer nicht anhören zu müssen, der gerade mal wieder in einem seiner Tiefs ist. Bei Campolongo erspäht Marco eine kleine Bar, in der wir bei Wassereis und, klar, Cola Pause machen. Danach geht’s wieder auf den verfluchten Damm hinauf, dem wir bis Musile treu bleiben. Die Strecke zieht sich wie Kaugummi! Nachdem wir durch Musile hindurch sind, geht es wieder heiß und langweilig weiter, diesmal am Alten Piave, auch Sile genannt, entlang. Ich nutze die Gelegenheit mal wieder zu einem Bad im Fluss und wünschte, ich könnte nach Venedig schwimmen! Als Caposile erreicht ist, sind wird schon fast an der Lagune angekommen. Im Wanderführer ist nun die Rede von 10 km ohne Einkehrmöglichkeit und Schatten, na herzlichen Dank! Marco ist ziemlich fertig, will noch mal pausieren, ich stimme widerwillig zu, aber die Mücken fressen mich sofort auf und ich gehe schon mal weiter. Mal wieder entlang einer Landstraße. Nach Ewigkeiten schließt Marco auf, ich ziehe das Tempo wieder an, Musik in den Ohren, es ist noch weit. Dann, welch frohe Überraschung, eine kleine Einkehrmöglichkeit am Wegesrand, eigentlich nur eine Art Bauwagen mit ein paar Tischen im Schatten, aber mit eiskalter Cola! Der jammernde Marco entschließt sich nun, ein paar Schmerztabletten zu nehmen und ich muss ihn regelrecht auf die Straße zurück scheuchen. Er hat keinen Bock mehr. Ich auch nicht! Gleich nach der Rast stoßen wir auf die Lagune. Endlich! Ich freue mich und erreiche wieder etwas besser motiviert den Ortseingang von Jesolo. Marco beschließt, ebenfalls in Lido di Jesolo zu übernachten, er will dort am Strand schlafen. Ich hatte Papa gebeten, mir was in Lido di Jesolo klar zu machen, weil in Jesolo alles voll ist an diesem Tag. Entlang einer sehr stark befahrenen Landstraße quälen wir uns nach Lido di Jesolo. Und landen mitten in der Vorhölle, wenn nicht in der Hölle! Fußgänger gibt’s hier offenbar nicht, zumindest keine, die von außerhalb in diesen Touristenort kommen, denn wir müssen uns durch eine riesige Baustelle durch die Autos in Richtung Zentrum kämpfen. Wir erreichen den Parkplatz eines Einkaufszentrums und werden dort erst einmal Zeugen eines Überfalls: Deutschen Touristen hat man das Auto aufgebrochen und eine Frau schreit hysterisch immer wieder: „Die haben uns bestohlen!“ Offenbar kamen sie gerade zu ihrem Wagen, als die Diebe am Werk waren, Dann rennen Typen durch das Parkhaus: Dieb und Bestohlener. Dann rast ein Auto los und ich denke erst, dass das der Wagen der Deutschen ist, der nun gestohlen wird. Einer der Urlauber sprintet hinter dem Auto her, die Frau schreit, dass er das lassen soll. Die Diebe verfransen sich auf dem Parkplatz und der Urlauber flippt total aus: Er wirft große Steine auf das Auto der Diebe, die Frontscheibe zersplittert, fette Beulen sind im Blech. Ich denke in dem Moment, dass die hoffentlich keine Waffe dabei haben und jetzt aussteigen und den Typen erschießen. Sie drehen aber und holpern über Absperrungen davon, auf der Straße dann mit quietschenden Reifen. Es ist wie im Film, nur dass das hier Realität ist. Herzlich willkommen in Lido di Jesolo! Marco ist fix und fertig und verwirft seinen Plan, am Strand zu schlafen. Bei einer Information fragt er nach günstigen Hotels, die es hier aber offenbar nicht gibt. Also beschließen wir, dass er erst mal mit zu meinem Hotel kommt, wo mein Zimmer 50 € kosten soll. Vielleicht wird es zu zweit etwas günstiger. Ich habe eigentlich echt keinen Bock mehr auf Gesellschaft... Ohne Marco und sein Navi hätte ich das Hotel vermutlich erst Stunden später gefunden, denn der Ort ist riesengroß. Und abartig hässlich! Meine Laune wird von Meter zu Meter schlechter. Ich frage mich, was mit Menschen los ist, die freiwillig hier Urlaub machen? Beim Hotel angekommen klappt es mit dem Doppelzimmer, günstiger wird’s dadurch aber nicht, die verdoppeln den Preis einfach. Das Zimmer ist das Letzte. Lido di Jesolo ist das Letzte! Es ist hässlich, voll und laut, ich könnte kotzen oder heulen. Ich bin so schlecht drauf, dass ich mit einer alten Tradition breche, nämlich der, immer gleich zum Meer zu gehen, wenn ich es erreiche. Nach dem Duschen habe ich mich soweit beruhigt, dass ich beschließe, das Meer doch noch zu begrüßen. Das Meer! Es heilt. Es heilt meine Wunden. Obwohl es ganz ruhig und friedlich an den Strand brandet, verschluckt es doch den Lärm der nur ca. 200 m entfernten Hauptstraße fast ganz. Ich stehe mit den Beinen im Wasser, die grauenhafte Stadt im Rücken, das Meer landet sanft an, das Wasser umschmeichelt meine Waden, ich atme die salzige Luft ein, ich mache die Augen zu und der ganze Stress fällt von mir ab, wird weg gespült vom Meer. Das Wasser ist ganz warm und die Luft frisch. Gänsehaut lässt den Körper prickeln. Einige Blitze zucken durch die Dunkelheit, eben hatte es kurz geregnet. Wenn ich hinausschaue auf das dunkle Meer, dann kann ich vergessen, dass gleich hinter mir Lido di Jesolo liegt, dieser Alptraum von Stadt, diese Vergewaltigung einer einst schönen Adriaküste. Das Meer heilt meine traurige Seele. Ich mache die Augen zu und werde ganz ruhig. Fühle mich meerverbunden. Meergeboren. Gut, dass ich hergekommen bin! Ich verspüre Lust, in das dunkle Wasser zu gehen und ein Stück hinaus zu schwimmen, aber ich habe keinen Bikini an. Ich telefoniere mit meinem Bruder, kehre friedlich in das Hotel zurück, wo Marco mir zur Besänftigung Kekse, Schokolade und kalte Cola geholt hat. Bald darauf kann ich dank Ohropax trotz des Lärms rasch einschlafen (es waren heute über 40 km, weil’s von Jesolo aus hierher auch noch mal einige Kilometer waren). Morgen werde ich sehr früh aufbrechen, bevor diese Stadt erwacht. Die Bilder: - Der stinklangweilige Weg auf dem Piave-Damm, hier immerhin schon nicht mehr asphaltiert. - Der Alte Piave (Sile) - Der erste Blick auf die Lagune. Ich habe es fast geschafft! - Willkommen im idyllischen Lido di Jesolo! - Blick aus dem Hotelzimmer. Nach der Schönheit in den Bergen sorgt das für Augenkrebs. |
:Huhu:
Kehrt hier schon wieder der Schlendrian ein? |
Genau, issie schon da?
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Venedig!
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Tag 28
12. August 2012 Lido di Jesolo – Punta Sabbioni – Venedig Lido di Jesolo schläft noch, als wir um 6 Uhr aufbrechen. Vielleicht hätte ich im Hotel erwähnen sollen, dass ich Vegetarierin bin, denn so sind die vier Brötchen im Frühstückspaket alle mit Wurst oder Schinken belegt. Egal, ich habe noch von den Keksen und der Schokolade von gestern, außerdem sollte ich auf der heutigen, letzten Etappe auch unterwegs was zu Essen kriegen, wenn nötig. Jetzt nur weg hier, solange es noch ruhig ist! Gleich hinter’m Hotel links herunter zum Strand, wo die Sonne gerade aufgeht. Perverserweise haben sie auf dem Weg dorthin alte Fotos von Lido di Jesolo aufgehängt, aus der Zeit als es erst noch ein Fischerdörfchen und dann ein idyllischer Urlaubsort war. Das mutet an wie Bilder des Paradieses, die der Teufel in der Hölle aufgehängt hat. Einige Menschen spazieren schon am Strand, joggen, führen Hunde aus, andere arbeiten, machen sauber, ordnen Liegestühle, die in schier endlosen Reihen dicht an dicht unter Sonnenschirmen stehen. Barfuß laufen wir an der Wasserkante entlang, da, wo wir nicht im Sand einsinken. Es geht entlang der immer gleichen Sonnenschirme und Liegen, dahinter Hotels, hier in Lido di Jesolo aber immerhin, das muss man ihnen lassen, in der Regel nicht allzu groß und hoch. Was die Bebauung angeht, sind anderswo größere Sünden begangen worden. Unser Zwischenziel ist der Leuchtturm in ein paar Kilometern. Dass wir voran kommen, merken wir zunächst nur an niedriger werdenden Zahlen auf den durchnummerierten Holzstegen, die ins Meer reichen und denen der Rettungsschwimmertürme. Ich bin wortkarg, während wir am Meer entlang laufen, wäre lieber ohne Marcos Gesellschaft, würde diese letzten Kilometer der Wanderung alleine machen. Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich mich nicht schon hier von ihm getrennt habe. Ich passiere einen Holzsteg nach dem anderen und während dessen steigt die Sonne auf. Die ersten Strandgäste erscheinen an den Liegen und Schirmen. Kinder schleppen ihre Spielsachen zum Wasser und beginnen mit dem, was am Strand die Mission von Kindern ist, seit Anbeginn des Badeurlaubes vermutlich: dem Sandburgenbau. Und auch wie schon immer, sind da viele Väter, die nicht nur begeistert mitbauen, sondern ihren Sprösslingen die Sache gleich ganz aus der Hand nehmen, sie zu Statisten machen, während sie selbst mit großer Begeisterung ans Werk gehen. Manche Kinder lassen sich nicht davon beeindrucken und bauen weiter mit, andere wenden sich bald gelangweilt ab, um eine eigene Burg zu bauen. Während ich gehe, schaue ich dem immer munterer werdenden Strandleben zu, Kinder springen im Wasser der kleinen Brandung, Teenies stolzieren in knappen Bikinis am Strand entlang, ein Mann schaut gierig seine Freundin an, die ihren hübschen Hintern im knappen Höschen präsentiert und er legt seine Hand darauf, was ihr gefällt und mir auch. Am Leuchtturm angekommen ist es soweit: Wir wollen eine Frühstückspause machen, aber zuerst werde ich natürlich ins Meer gehen. Endlich! Nach vier Wochen wandern lege ich den Rucksack ab, ziehe die hässlichen Wandersachen aus und gehe ins Meer. Ich schwimme weit raus, das Meer ist sanft und freundlich. Ich lege mich auf den Rücken, das Salzwasser trägt mich und ich blinzele zufrieden in die Sonne. Wie schön das hier ist und wie lächerlich Lido di Jesolo von hier aus wirkt! Nach dem Frühstück müssen wir am Leuchtturm den Strand verlassen und es ist ein ganzes Stück an Straßen zu gehen, bis wir wieder an den Strand kommen, der hier nun von den Gästen der zahlreichen Campingplätze besucht wird. Hier ist das Strandleben weniger in Reih und Glied, weil die Reihen mit Schirmen und Liegen fehlen, sondern sich die Leute ihre Sachen selbst mitbringen und hinstellen, wo und wie sie mögen. Strandverkäufer, ausnahmslos afrikanischer Herkunft, verkaufen allerlei Zeug, was für eine schwere Arbeit, den ganzen Tag in der Hitze durch den tiefen Sand zu laufen. Frauen flechten kleinen Mädchen Zöpfe ins Haar. Ich kann mich nicht sattsehen am Strandtreiben und schlendere dahin, mache Fotos, schaue, bleibe stehen, kaufe eine Cola und lasse die verwunderten Blicke der Badegäste auf mir ruhen, die sich fragen, was das soll, mit einem großen Rucksack am Strand entlang zu laufen. Bevor wir den Strand dann endgültig verlassen müssen, gehe ich noch einmal im Meer schwimmen, lasse mich in der Sonne trocknen und dann nehmen wir die letzten ca. 5 Kilometer bis zur Fähre in Angriff. Die sind nicht schön, aber sie sind ein Witz, noch 5 Kilometer von weit mehr als 500! Dann kommen wir nach Punta Sabbioni, Schilder weisen den Weg zu den Schiffen nach Venedig. Am Anleger erfüllt mich tiefe Zufriedenheit. Ich esse ein Wassereis und während ich auf das Schiff warte denke ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Das Schiff kommt, die Fahrt dauert etwas mehr als eine halbe Stunde. Es ist so schön, sich Venedig vom Wasser her zu nähern, eine große Freude überkommt mich. Marco ist bei mir, aber ich bin weit weg und will auch gleich körperlich weg von ihm, wenn wir ankommen, will die Ankunft alleine genießen. Am Markusplatz ist es genauso wie ich es mir in all den Jahren, seit ich von dieser Wanderung träume und vor allem in den letzten Monaten, in denen es konkret wurde, vorgestellt habe: Ich stehe da, inmitten der ganzen anderen Touristen und denke: „Ich bin aber über die Berge hierher gelaufen!“ Es ist großartig und obwohl es eine eigentlich sinnlose Sache ist, von München nach Venedig zu laufen und dabei auf jegliche Benutzung von Bus, Bahn, Seilbahn oder sonstigen Beförderungsmitteln zu verzichten, stellt sich mir die Sinnfrage gar nicht, sondern es stellt sich nur eine große Befriedigung ein und eine gelassene Heiterkeit. Marco hat kein Hotel gebucht und am Ende werde ich regelrecht unhöflich, weil sich abzeichnete, dass er sich wieder an mich dran hängen will, als er sagt, er könne ja erst mal mit zu meinem Hotel kommen. Ich will jetzt aber alleine sein und auch in den nächsten zwei Tagen hier in Venedig, sage ihm das, verabschiede mich unhöflich knapp und mache mich auf den Weg, um mein Hotel zu suchen. Das liegt in der Nähe des Bahnhofes, also am anderen Ende der Stadt. Ich schlendere durch die Straßen und Gassen, es ist rappelvoll, in Venedig ist Hochsaison. Ich freue mich jetzt schon auf die beiden Tage hier, überquere den Canale Grande über den Rialto und finde mein Hotel. Ein Zimmer ganz für mich allein, eine schöne Dusche, ein Fernseher, ein bequemes Bett, super! Nach dem Duschen esse ich Chips und Schokolade, trinke Cola dazu und schaue mir das olympische Basketballendspiel an. Es geht mir gut! Am Abend werde ich noch mal losgehen und den ersten Streifzug durch Venedig machen. Übermorgen Abend geht mein Nachtzug zurück nach München. Die Bilder: - Früh um 6 Uhr ist es noch ruhig am Strand in Lido di Jesolo - Endlich am Meer! Und zu Fuß hergekommen! - Wenn man den Ort im Rücken vergisst, ist es sogar hier schön. - Heute fast nur mit den Füßen im Wasser... ein 12 Kilometer langer Strandspaziergang. - Der Blick in die Gehrichtung |
Mehr Bilder Tag 28
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- Die Jugend pennt am Strand nach durchgefeierter Nacht.
- Strandleben mit Gummidelphin - Väter bauen Burgen mit Söhnen - Söhne schauen den Vätern... - ...beim Burgenbau zu und dürfen nicht mitmachen. |
Noch mehr Bilder Tag 28
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- Noch mehr Strandleben
- Fast da..! - Gleich kommt das Boot und bringt mich... - .. nach Venedig! Kurz vor'm Anlegen. - Kurz nach dem Anlegen Posing vor der Markus-Kirche. Geschafft! Und Glücklich. |
Ganz beeindruckend Judith!
Herzlichen Glückwunsch zur Ankunft! Ich finde es bewundernswert wie Du das gemacht hast, vor allem, dass Du allein gegangen bist. Du hast eine Wahnsinns-Tour bezwungen und uns das richtig toll miterleben lassen. Lieben Dank! Marion |
Was für Tussis! Ich würd mir zuallererst mal ne gescheite Schaufel ranschaffen und nedd so Spielzeug, um ne Burg zu bauen!
:Cheese: |
Hallo Judith,
sehr schöne Berichte! Du hattest vor Deiner Wanderung Bedenken, Deine Kondition zu verlieren. Schon aus Deinen Schilderungen kann man entnehmen, dass zumindest Dein Fettstoffwechsel ziemlich gut ausgeprägt ist, ansonsten hättest Du mehr vom Essen berichtet. Ich denke,. Du hast gemerkt, dass Deine Befürchtungen völlig umsonst waren. |
Zitat:
obwohl ich Dich noch nie gesehen habe, fühle ich mich Dir nahe und bin richtiggehend stolz auf Dich. Dass Du diese Leistung erbracht hast, einfach toll. Und vielen, vielen Dank, dass Du mich virtuell mitgenommen hast. Einfach toll. Danke! Jan |
Danke:Blumen:
Mosh |
Zitat:
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Das war schön!
Fanboy |
Aber echt ... das war wirklich voll schön!!
Was für eine beeindruckende und irgendwie auch (für mich) unvorstellbare Wanderung ... über alle Berge drüber - wahnsinn... und du hast sie komplett durchgezogen! Respekt!! Habe mich über jeden einzelnen Satz deines Berichtes gefreut ... DANKE fürs teilhaben lassen! :Blumen: |
Ja, da kann ich mich nur allen Vorschreibern anschliessen. :Blumen: :Blumen: :Blumen:
Hat viel Spass gemacht zu lesen, auch mich selber wandern so gar nicht reizt ... :) |
danke.
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