Du musst lieben, was du tust
Die Kleinfamilie hat das erste Jahr hinter sich: weiterführende Schule und Nachwuchsleistungszentrum im Fußball. Beides nicht ohne. Andere sportliche Dinge sind so nebenbei gelaufen ...
Vor den diesjährigen Bundesjugendspielen hatte ich dem 10-jährigen Dicken noch gesagt, er solle den Ausdauerlauf locker nehmen, schließlich würde das dauernde Im-Tor-Stehen ja nicht unbedingt ein Training der körperlichen Ausdauerleistung darstellen. Am Tag der Bundesjugendspiele sitze ich bei offenem Fenster am Scheibtisch und höre vom 150 Meter entfernten Sportplatz mehrfach ohrenbetäubenden Lärm. Später erzählt der Blonde (und mittlerweile recht Langhaarige) mir strahlend, dass alle - wirklich alle, Mama - geschrien und gegen die Bande getrommelt hätten ... "Und alle haben meinen Namen geschrien, Mama, wirklich alle!" Ja, denke ich, eine Sünde ist das, dass du nicht mehr läufst, sage aber nichts. 3:30 Minuten auf 1 km. Aus dem Stand. Der Dicke gehört zu den jüngsten Kindern und ist schneller als die anderen. Und warum? Weil ihm das Laufen einfach einen Heidenspaß macht. Eigentlich war das schon immer so.
Drei Wochen später an einem Freitag ist Sponsorenlauf an der Schule. 45 Minuten haben die Kinder Zeit. Eine hügelige Runde sollen 510 Meter sein. Zum Trinken und Eintragen der gelaufenen Runden auf der Läuferkarte müssen die Kinder nach jeder Runde kurz stehen bleiben. Das Kind läuft 19 Runden. Erster. Immerhin hat der Junior einen ordentlichen Muskelkater. Aber zum Glück muss er ja eh nur im Tor stehen.
Beim Fußball hingegen attestiert man dem Dicken eine "3" im Bereich der Ausdauer. Eigentlich müsste es wohl heißen "im Bereich der vermuteten Ausdauer", denn gemessen worden ist das nie. Im Gegenzug dazu wurde allerdings mal die Sprintfähigkeit gemessen. Da hat der Dicke gestandene Feldspieler hinter sich gelassen. Zumindest im ersten Durchgang. Im zweiten Durchgang ist er dann nicht mal richtig durchgelaufen - "ich hatte irgendwie keine Lust mehr, Mama." Ah, klar. Das muss ich mir wahrscheinlich so vorstellen wie mit Mathe: Einen Preis im anspruchsvollen Mathe-Wettbewerb absahnen und ein paar Wochen später in der leichten Mathe-Arbeit eine lupenreine 4 hinlegen. Auch keine Lust gehabt. So einfach ist das.
"Fußballprofi hin oder her", sage ich immer, "du solltest in deiner Freizeit das machen, wozu du Lust hast. Meistens ist man immer dann ganz gut, wenn einem etwas leicht fällt und man Lust dazu hat."
Und nun ist es soweit. Das Kind möchte nicht mehr im Tor rumstehen. Es will wieder ins Fußballfeld und rennen. Ich meinte, das schon länger beobachtet zu haben, aber der Nachwuchs ist meinen Gesprächsangeboten dazu lange Zeit ausgewichen. Ein Gespräch mit dem Trainer steht jetzt an, Verhandlungsspezialist Cyberpunk ist gefragt. Mal gucken, was passiert. Möglich, dass das Kind dem Traum vom Profi-Fußball den Rücken kehren muss, weil der Verein ihn nicht als Feldspieler möchte, aber das macht ihm nichts und uns Eltern sowieso nichts. Hauptsache, er darf wieder laufen. Denn dann liebt er, was er tut.
PS: Seit der Blonde mein Mountainbike fährt, ist die Freude am Radfahren deutlich gestiegen und er unternimmt auch gern mal allein eine kleine Radtour.
Mit der Schulklasse gehen die Kinder übrigens einmal die Woche schwimmen - mit dabei der hessische Vizemeister im Freistil in der AK des Juniors. Auch das scheint ungeahnte Schwimmkräfte unseres Kindes auszulösen, wurde mir berichtet.
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