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Alt 16.05.2013, 10:03   #145
pioto
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Registriert seit: 09.10.2006
Ort: Oberbayern
Beiträge: 1.830
Die Brevet-Saison kommt so langsam wieder in Schwung, also höchste Zeit, diesen Fred mal wieder aufzuwärmen. Über die KD (200 km) und OD (300 km) werden hier keine Berichte gepostet, das würde dem Randonneurs-Gedanken widersprechen Los geht es mit dem 400er in Osterdorf, einer etwas größeren Schleife um Nürnberg.

Kennt ihr die Radiosender mit dem besten Wetterbericht? Und dem besten Mix aus 80ern, 90ern und von heute? Wo ständig dieselben Lieder laufen? Hier in Bavaria sind Bayern 3 und Antenne Bayern die prominentesten Vertreter dieser Gattung. Und wie beim 300er zwei Wochen zuvor auch, als die Sender noch am Morgen prophezeiten, dass es „von allem etwas“ geben wird (Graupel, Gewitter, Schauer, böigen Wind - es fiel schließlich nicht ein Tropfen Regen!) war es beim 400er ähnlich, wenn auch nicht ganz so tief ins Klo gegriffen: es sollte viel Regen geben, am Samstag dann freundlicher. Und da der Start des 400ers traditionell am Freitag um 20 Uhr stattfindet, rechneten wir mit einer ziemlich feuchten und weniger fröhlichen Fahrt durch Oberpfalz und Fränkische Schweiz. Hier der Streckenverlauf inkl. Höhenprofil:

www.gpsies.com/map.do?fileId=gjetioqeytytqrox

Während erste Teilnehmer gegen Mittag bereits mit einer Absage liebäugelten, wurde das Wetter gegen Abend stündlich besser und auch die Prognose für den Samstag wurde immer positiver. Am Treffpunkt in der Alten Schule in Pappenheim OT Osterdorf wurde erstmal Spaghetti Bolognese serviert, mit unbegrenztem Nachschlag. All dies ist selbstverständlich im Startgeld von 15 Euro ebenso enthalten wie Semmeln, Kaffee und Kuchen sowie Joghurt. Ich stopfte alles in mich hinein, bis Oberkante Unterlippe. Habe damit beste Erfahrungen gemacht, denn unter Belastung ist es mit dem Essen nicht immer so einfach. Also vorher zuschlagen so gut es geht.

Kurz vor dem Start noch ein kurzer Plausch mit TS-Forumsmitglied „Carvinghugo“, der seinen ersten Brevet mitfuhr. Bin auf seine Eindrücke gespannt.

Leider zwingen behördliche Auflagen die Veranstalter inzwischen, in Startgruppen a 30 Personen zu starten, was natürlich nicht so schön ist wie ein Massenstart (ähnlich Roth <> IM). Ich war in Startgruppe III, welche sich 10 Minuten nach den ersten Randonneuren auf den Weg machte.

Horst S., Alter ca. 58, Puls bei 33 km/h und starkem Gegenwind max. 115, sorgte wie gewohnt für Dampf und es ging mit 38 km/h in der Ebene Richtung Nordosten. Das Tempo war anfangs gut zu fahren, da die ersten 60 km ziemlich flach sind. Horst fährt sonst eigentlich immer vorne, war aber am Freitag etwas müde, sodass munter durchgewechselt wurde. Ein Gruppenmitglied fiel dadurch auf, das Tempo bei seiner Führungsarbeit sogleich auf 43 km/h zu erhöhen. Vielleicht ein Seelenverwandter von Captain Hook? Uff, anstrengend! Es war klar, dass man sich aus so einer Gruppe lieber beizeiten verabschiedet, weil man die gewonnene Zeit hinterher doppelt und dreifach verliert. Aber es soll ja auch Spaß machen...Nach km 65 war an einem kleinen Buckel mit dem Gruppenritt Schluss für mich. Ich musste etwas bremsen, war plötzlich im falschen Gang und weg war die Gruppe. Keine Chance, diese Harakiri-Fahrer wieder einzuholen.

Ich reduzierte das Tempo und fuhr weiter Richtung erste Kontrollstelle (km 124), teils alleine, teils in kleinen Gruppen. Bei km 119 dann ein Knacken im Gebälk und Null Widerstand an der Kurbel. „Mist“, dachte ich, „jetzt ist die Kette herunter gesprungen“. Normalerweise bekommt man die Kette mit etwas Gefummel am linken Schaltgriff wieder aufs Kettenblatt. Nicht aber in diesem Fall. Ich musste anhalten und mir das Ganze ansehen. Ich griff nach der Kette, konnte sie aber nicht finden. Also Frontlicht abgeklemmt und nachgeschaut. Nix Kette. Nach kurzer Suche fand ich sie dann 20 m weiter vorne auf der Straße. Ich überlegte sogleich, wo ich die Zeit bis zum Morgen überbrücke und wo in dieser Gott verlassenen Gegend wohl ein Bahnhof sein könnte. Nun fuhren die ganzen Gruppen, die wir zuvor zügig überholt hatten, wieder an mir vorbei. Helfen konnte bzw. wollte keiner, aber zwei Fahrer sagten mir, dass hinten noch Leute mit Werkzeug kommen, die mir evtl. helfen können. Ich nahm meinen Fußmarsch Richtung Kontrollstelle auf (Look Keo sind dafür nicht das optimale Material), immer noch nicht überzeugt, dass ich diesen Brevet durchfahren kann. Nach 3 km in der Ebene und bergauf endlich eine 1 km lange Abfahrt. Inzwischen waren meine kommenden Retter an mir vorbeigefahren und erwarteten mich am Autobahnrasthof, der Kontrollstelle. Nach einem kurzen Kommentar-Spießrutenlaufen („Das kommt doch bei dir öfter vor“, „Das ist aber nicht dein erster Defekt“ .....), das ich wahrheitsgemäß mit einem „Dieses Mal bin ich unschuldig, die Kette wurde vor max. 1500 km von einer Fachwerkstatt montiert“ konterte, begab sich ein Kollege, ausgestattet mit weißen Latex-Einweghandschuhen, an die Reparatur, die ganze 7-8 Minuten dauerte. Eine Schande, dass man so was nicht selbst kann. Insgesamt war so zwar fast eine Stunde verplempert worden, aber immerhin konnte ich die Fahrt fortsetzen - mit voller Kraft voraus, denn die Kette hielt.

Weiter ging es zu K2, dem McDonald's bei der weltbekannten Stadt Plech an der A9, wo wir nach etlichen Höhenmetern gegen 4 Uhr eintrafen. Mich wunderte, dass diese Filiale überhaupt noch Brevet-Karten abstempelt, denn vor 2 Jahren hatten die Brevet-Teilnehmer aufgrund einer besonders lehmigen Baustelle kurz vor dem Schnellimbiss ungefähr 2 Zentner Dreck auf Parkplatz, Restaurant und sanitäre Anlagen verteilt. Angeblich seien wir sogar „hochwillkommen“...Ich bekam leider nicht mehr als eine Cola und einen Cheeseburger runter, ein zweiter Burger wäre eigentlich Pflicht gewesen, aber Essen unter Anstrengung geht nicht immer. Und das ist kein gutes Zeichen.

Bald gabelten wir noch 2-3 weitere Fahrer auf und fuhren so in einer 7er-Gruppe durch ein schönes Tal nach Ebermannstadt, wo es mit etwas ernsteren Steigungen (bis 250 HM am Stück) weitergeht. Nachdem wir diese alle bewältigt hatten, folgt eine lange Abfahrt und ein ziemlich sinnfreier Schlenker, um 100 zusätzliche Höhenmeter zu sammeln, bevor es zur Kontrollstelle 3 nach Hirschaid geht, wo ich mich ausgiebig mit Leberkässemmel, Wurstsemmel, Croissant und Kaffee verpflegte. Langsam schlug jetzt die Müdigkeit durch und es folgte ein halbstündiger Hänger, bei dem ich der Gruppe nur noch mit Mühe folgen konnte. Zum Glück war es nicht weit zu K4. Wobei eine weitere Station nach 30 km eigentlich ähnlich sinnfrei ist wie der Schlenker vor Hirschaid.

Jetzt standen 70 äußerst hügelige Kilometer mit ein paar sehr fiesen Stichen an. Kein Spaß, wenn man ohnehin saumüde ist. Ein Gruppenmitglied wollte sich komplett umziehen, was ich zu einer gemütlichen Vorausfahrt nutzte. Dauerte erstaunlich lang, bis mich die Gruppe wieder eingeholt hatte. Die letzten 10 km vor K5 konnte ich den anderen nicht mehr ganz folgen und kam mit 1 min Rückstand bei Familie Loy an, die sich wie immer mit vollstem Engagement um die Randonneure und deren (meiste) Bedürfnisse kümmerte. Eigentlich ein super Stopp 50 km vor Schluss, um nochmals Essen zu fassen und sich zu stärken, aber ich konnte nur eine Landjäger, eine halbe Semmel und etwas Limo herunterwürgen. Das Kaloriendefizit wurde somit immer größer, ebenso wie die Müdigkeit.

Ich kündigte der Gruppe nach ca. 10 km an, dass ich zu müde zum Weiterfahren bin und mal kurz die Augen zumachen muss. Das wurde mit hämischen Bemerkungen quittiert. Worte wie Weichei machten die Runde, aber aufgrund persönlicher Erlebnisse nehme ich Schlafmangel inzwischen recht ernst.

In der Kreisstadt Weißenburg wartet noch ein sehr steiler Berg, den ich schon 20 km vorher fürchtete. Und er war tatsächlich genauso schlimm wie erwartet. Hier müssen der Straßenbaumeisterei die Schilder mit „Steigung 16%“ offenbar ausgegangen sein, denn nie und nimmer hat dieser Anstieg nur 12%. Auf einem kurzen Flachstück hing eine kleine Kontrollzange, mit der man einige Löcher in sein Streckenheft drücken musste. Diese Stelle nutzte ich für 20 Minuten Pause mit Augen zu und allgemeinem Bejammern der Situation. Fast hatte ich schon vergessen, dass direkt anschließend nochmals ein halber Kilometer mit 10-12% folgt, aber dieser war nicht ganz so fürchterlich wie erwartet.

Nach einer langen Abfahrt ins Tal steht dann der letzte Anstieg ins Ziel mit nochmals 140 HM an, die zu dem Zeitpunkt kein Mensch mehr braucht. Mühsam ernährte sich hier mal wieder das Eichhörnchen, aber irgendwann ist man oben und auch im Ziel, 14 Uhr 35 war es (Brutto: 18h25, 412 km, 4080 HM). Essen ging nicht, Trinken auch nicht. Ich wollte nur schlafen. Nach 30 Minuten war ich immerhin soweit wieder hergestellt, dass ich einfachen Gesprächen folgen konnte und anderen Randonneuren ihre eigenen früheren Verfehlungen vorhalten konnten, als diese mich nochmals mit dem Defekt konfrontierten.

Um 16.40 Uhr saß ich bereits frisch geduscht im Zug nach Hause und die 7 km vom Bhf. nach Hause erwiesen sich als die härtesten überhaupt. Trotz 0 HM benötigte ich eine halbe Stunde. Scheint ziemlich anstrengend zu sein, so ein Brevet mit 400 km.

Bedanken möchte ich mich besonders bei Roger, mit dem ich anreiste und der 45 min. beim Defekt auf mich wartete. Tobias, der die Kette reparierte und Armin, welcher das Werkzeug dafür bereitstellte. Ohne euch wäre es schwierig bis unmöglich geworden.

Und wenn Fitschigogeler meint, er sei der einzige „Zerstörer“, so hat er sich gewaltig getäuscht! Leider, denn solche Vorkommnisse sind zwar toll für einen Bericht, aber während des Brevets geht der Spaß schon mal kurz verlustig.

Bild 1: Ca. 5 Uhr am Morgen in der Fränkischen Schweiz. Beste Radbedingungen die ganze Nacht, kein Nebel oder Regen und nicht zu kalt.

Bild 2: K5 bei Verwandten des Veranstalters. Das Highlight: Alle Getränke aus Deutschlands größter Brauerei.
Angehängte Grafiken
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