Szenekenner
Registriert seit: 08.01.2008
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Aloha,
Seit einer Woche sind wir nun wieder zurück und immer wieder denke ich daran, wie wir mit diversen Freunden am Flughafen in Kona standen und keiner von uns wieder nach Hause wollte. Wir mussten feststellen, dass Kona einfach ein Stück Zuhause für uns ist.
Das Ironman Rennen in Kona ist für uns immer Teil eines Urlaubs, der eine Woche vor dem Rennen beginnt und dann eine Woche auf Kauai hinterherschiebt. Erzählt mir was von Menschen als Gewohnheitstieren...
Wie ihr an unserem Blog sehen konntet, hatten wir in der Woche vor dem Rennen viel Ablenkung und kaum Langeweile. Da ist es immer ein bisschen komisch, dass ich dann am Freitag Morgen aufwache und beim Frühstück feststelle: "huch, das Rennen ist ja schon Morgen". Die für mich klassische Spannung vor dem Rennen baut sich da bei mir eher weniger auf. Was ein zweischneidiges Schwert ist - denn die Kampfsau will angeheizt werden, bevor sie rausgelassen wird. Andererseits glaube ich, dass das Rennen in Kona nichts für mich ist, schon alleine wegen der Außentemperatur. So frage ich mich in diesem Jahr, ob nur der Kopf will, dass es mir da zu heiß ist, oder ob es tatsächlich nicht meine Renntemperatur ist...
Egal, die Abläufe am Rennmorgen kennt ihr ja schon von unseren anderen Berichten: frühes Aufstehen, kurz was essen und dann Richtung Wechselzone. Räder fertig machen, Essen verstauen, Dixie besuchen und dann geht es ins Wasser. Habe ich mich gefühlt, als ginge ich bei einer Weltmeisterschaft an den Start? Nicht wirklich, es war mehr ein weiteres Rennen, egal ob lang oder kurz. Die Kanone ballerte und es ging los. Zum Glück war um mich rum nichts, was sich als Schlägerei zu bezeichnen lohnt, ab und an haute mir mal einer auf die Füße oder die Waden, aber das wars auch schon. Nachdem der Pazifik die Tage vorher unglaublich aufgewühlt war, dass man kaum den Boden sehen konnte, sah ich jetzt schon wieder die Fische. Vor mir tauchten die Füße von Misses Ipswich (sie hatte ein Trikot mit "Ipswich" an) auf, an die ich mich hing. Das Tempo war ok für mich und ich schaffte es, sogar bis nach der Wende an ihr dran zu bleiben. Danach wurde sie langsamer und ich musste aufpassen, dass ich nicht mit meiner beim Schwimmen schnell auftauchenden Bummelei anfing. Also zurück ohne den Wasserschatten. Als ich nach 1:20 aus dem Wasser stieg war ich schon enttäuscht, andererseits ist Schwimmen auf jeden Fall meine schwächste Disziplin und deshalb machte ich gedanklich schnell einen Haken dahinter. Dafür hatte ich in der Wechselzone kaum Schwierigkeiten, mein Rad zu finden - schon fast alleine stand es in der Reihe. Das Bolerojäckchen, was meine Schultern und Arme vor dem Sonnenbrand schützen sollte, zog ich schnell im Zelt an und dann gings rauf aufs Rad. Die Schleife durch die Stadt fährt sich schnell und dann raus auf den Queen K Highway. Irgendwie schien der Wind dieses Mal von vorne zu kommen. Nach der Erfahrung von 2009 wollte ich auf bis nach Hawi zügig aber ohne mich kaputt zu fahren, damit ich hinten raus bei dem garantiert kommenden Gegenwind ein wenig Zeitpuffer für was auch immer haben würde. Also versuchte ich zügig zu fahren. Das klappte aber nur bedingt, so richtig wollten die Beine nicht.
An jeder Verpflegung kippte ich Wasser über mich, trank ein paar Schlucke, und achtete darauf, alle 25 min entweder ein Gel oder einen halben Riegel zu essen. Dann begann der Anstieg nach Hawi, der so gar keinen Spaß machte, denn zu der Steigung, die an sich nicht weiter wild ist, kam der Gegenwind. Also, treten, Wattzahlen halten und auf den Wendepunkt warten. Oben gibt es wieder eine Verpflegung, also nochmal Wasser gekippt (mittlerweile war ich bei zwei Wasserflaschen zum Kühlen angekommen) und dann in den Auflieger und den Hügel runter. Das rollte schon sehr gut, auch wenn ich sehr aufmerksam fuhr, damit mich nicht eine plötzliche Böe ein paar Meter nach rechts oder links setzen würde. Und auf ging es Richtung T2. Nach Kawaihae fing sich die Strecke an zu ziehen. Der Gegenwind war immer noch da, immer wieder überholte ich Radler, die sich im Windschatten ihres Vordermannes versteckten und so ging es mit dem Auf und Ab der Radstrecke zurück nach Kona. Ich rollte in die Wechselzone, einer der Helfer übernahm mein Rad und dann eierte ich einmal um den Pier rum. Im Wechselzelt wurde mir als erstes das eiskalte Handtuch umgehängt, auf das ich mich seit km 144 gefreut hatte. Es half aber alles nichts, ich musste wieder raus und den Marathon laufen.
Also raus aus der WZ und die Palani Road rauf. Oben am Hot Corner steht die Michelle und macht Fotos. Ich merke auf dem ersten Kilometer, dass ich bei der Verpflegungsstelle an Meile 1 auf jeden Fall das Dixie besuchen muss. Dort sehe ich auch Alex, der die ersten 10 Meilen da schon hinter sich hat. Nach dem Besuch des Dixies fühle ich mich besser, aber so richtig gut ist mein Magen-Darm noch nicht. Egal, erst mal loslaufen. Ich komme mir vor wie eine lahme Schnecke, was auch dadurch kommt, dass ich bei jeder Verpflegungsstelle gehe, um das Versorgungsprogramm zu fahren: Schwämme einmal auf dem Kopf ausdrücken, Eis hinten in den Anzug, Wasser und dann später Cola trinken, wenn es gibt nochmal Schwämme. Das Loslaufen ist überhaupt kein Problem, also sind die Beine in Ordnung. Bei Meile 3 (oder so) kommt mir Tim entgegen gewankt. Er sieht nicht gut aus, sagt aber, ich solle weiterlaufen. Also weiter bis zum Wendepunkt. Bei Kilometer 10 meldet sich mein Darm noch mal, ich verschwinde kurz und danach ist Ruhe - zum Glück. Wieder durch Kona und dann raus auf den Highway, wo mich oben an der Palani Road ein leichter Windzug empfängt. Herrlich! Es geht über den Highway, hin zu den am meisten ersehnten Solarpanelen des Universums. Rauf und runter, an den Verpflegungsstellen das übliche mit Schwämmen, Eis, Wasser und Cola. Oben am Energy Lab sehe ich Frau Dude, die ein super Rennen hingelegt hat und es geht runter zum nächsten Wendepunkt. Ich laufe die Kilometer knapp unter 6er Schnitt und versuche in meinem weichgekochten Hirn zu rechnen, ob es mit sub 11 reichen wird. Da Zahlen und ich aber keine Affinität zueinander besitzen, lasse ich es bei Versuchen bewenden und denke mir, dass ich schauen sollte, nicht viel langsamer zu werden, dann würde das schon irgendwie passen. Wendepunkt am Energy Lab und schon geht es Richtung Ziel. Irgendwie scheinen die Kilometer nicht zu vergehen und irgendwie vergehen sie ganz schnell. Ich weiß nicht, wo ich mich da befunden habe. 3 Kilometer vor dem Ziel schaue ich auf den Garmin und stelle fest, dass das mit sub 11 nun doch eng wird. Ich versuche nochmal Gas zu geben und endlich geht es die Palani Road runter. Noch einmal die Schikane-Runde und dann bin ich auf dem Alii Drive. Als ich dort einbiege hätte ich heulen können - warum, weiß ich auch nicht so ganz genau. Ich höre schon Mike Reilly's Stimme und laufe die letzten 500m Richtung Ziel. Knapp verfehlt ist auch vorbei denke ich, als ich meine Zielzeit mit 11:01:35 sehe.
Die Helfer nehmen mich in Empfang, ich bekomme den üblichen Lei und das Handtuch (kleine Anekdote am Rande: die schnellen Athleten haben ein Badelaken von Tyr bekommen, als die dann alle waren gab es nur noch Handtücher in Küchentuchgröße von Yurbuds!) und im Finisherbereich kommt mir Alex schon entgegen. Der bringt mich in die Ecke, wo Tim, Michelle, Leonie und ein paar Freunde von uns sitzen und organisiert mir erst einmal Pizza. Wie lecker! ich fühle mich ok und nicht so fertig wie 2009, als ich fast auf dem Stuhl eingeschlafen bin. Wir holen die Medaille und das Shirt, machen Fotos und gegen 8 sammeln wir unsere Sachen, gehen in die WZ und checken die Räder aus.
Wir verabreden uns mit Tim und Michelle zur Finishlineparty, schlappen nach Hause und duschen dort erst einmal und essen unser Eis - irgendwas mit Peanut Butter :-) Alex will vor dem Treffen noch bei den goldenen Bögen vorbeischauen, wo wir gemeinsam mit vielen anderen Athleten sitzen. Hach, was ist es schön zu sitzen. Und: es macht keinen Spaß, wenn man aufsteht!
Wir wandern langsam zum Treffpunkt und gehen Richtung Finishline. Wenn es nicht so einen langen Wettkampftag bedeuten würde, würde ich sehr gerne mal in der Std zwischen 11 und 12 Uhr einlaufen. Was eine Party! Kurz vor knapp kommen nacheinander die Athleten der AK 80 rein - und werden frenetisch bejubelt! Leider ist die letzte Finisherin des Tages 2 Sek außerhalb der 17Std Marke und wird nicht mehr gewertet. Und dann ist auch schon alles vorbei. Als wir am Tag drauf zur Awardsparty gehen, ist schon nicht mehr zu sehen, dass dort am Tag vorher überhaupt irgendwas besonderes passierte.
Jetzt ist erst einmal ein bisschen Pause angesagt, die wir mit einigen Crossduathlons erträglich machen wollen und dann werden wir uns in die Saisonplanung für 2012 stürzen. Ideen, was wir machen könnten, haben wir natürlich :-)
Aloha
Julia
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