Szenekenner
Registriert seit: 28.10.2007
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Schön wars..
„Eine Langdistanz käme für mich nie in Frage“, davon war ich noch im letzten Jahr felsenfest überzeugt, …dann war ich 2009 als Zuschauer in Roth…
Am Samstag, 17.07. quälten mich entsetzliche Kopfschmerzen, ich habe Tabletten eingeworfen und gedacht, ich werde krank, weil ich mich die letzten Tage schon schlapp fühlte. Trotzdem hab ich am Nachmittag noch mal 30 min Rad und 15 min Lauf durchgezogen – es ging schwer!
Ohne Gedanken an den Wettkampf schlief ich früh ein und erwachte nachts 3:00 Uhr als neuer Mensch: Voll fit und fröhlich auf den Punkt.
Frühstück, Anreise, alles entspannt und voller Vorfreude. Beim Weg über die Brücke zum Wettkampfgelände überkam mich das erste Gänsehautfeeling: Ganz großes Kino hier, betrifft mich das? Irgendwie übertraf das, was ich heute vorhatte, meine Vorstellungskraft und daher hab ich es lange nicht an mich herangelassen, was mich all die Nächte vorher ruhig schlafen ließ.
Mein Rad stand noch an seinem Platz, die Mädels um mich herum waren schon am Wuseln.
Erst mal zum Dixi. So: Nun Gedanken mal langsam zusammennehmen. Ich traf Ute Mückel, die mir einen schönen Tag wünschte. Den Gedanken an das Schwimmen hab ich bislang erfolgreich verdrängt. Noch im März gingen grad mal so paar Bahnen, erst in den letzten Wochen hab ich auch mal eine Stunde geschafft - jetzt bloß nicht daran denken!!!
Dixi - Trinken, Roten Beutel mit den Radsachen wegbringen – Trinken – Dixi – Bodyglide an den Hals und mal Neo bis zur Hüfte an.. doch erst mal Dixi. Ich wollte so spät wie möglich in die Startzone, denn dort steigt das Adrenalin.
Ca. 6min vor Start hab ich meinen grünen Post-Race-Beutel auf den LKW gegeben und bin zur Startzone. Dort treff ich Sandra, auch vor ihrer ersten LD, traurig mit zerrissener Schwimmbrille in der Hand, sie fragt nach einer eventuellen zweiten Brille. Wir zurück zum LKW, wo wir dank der Helfer bald meinen Beutel in der Hand hielten..wühl..kram..keine Brille. Noch 3 Min. bis zum Start. Wir flitzen rein in die Startzone, rufen einen Athleten her, der soll meinen Bike-Beutel bringen. ..wühl..kram.. Da ist die Brille, noch höchstens eine Minute. Hoffentlich steht mein Beutel an der richtigen Stelle, wenn ich aus dem Wasser komme.
Oh, nein, jetzt muss ich tatsächlich so weit schwimmen. Startschuss-Hymne…nein, bloß nicht in die Schwimmbrille heulen..so schön emotional.
Wir Mädels sind die größte Startgruppe im Feld, es war eng. Paar Züge Brust, kraule dann erstmal im Zweierzug und drifte ab in die Hafenbucht (war ja klar..)
Nun bin ich aufgeregt, werde fitzig, kraule mit Brust im Wechsel, versuche, mich wieder einzureihen in dem Heer aus pinken Badekappen. Da seh ich Ute Mückel am Rande der Bucht stehen. Jetzt aber mal Stil her: Ich gebe mir die größte Mühe und finde endlich meinen Rhythmus. Wie im Trance schwimme ich, irgendwann kann ich die Musik nicht mehr hören, wage mich nicht, nach vorn zu schauen, spule Meter um Meter ab. Sogar um die Boje komme ich ganz locker.
Nach weiteren Minuten sehe ich auf einmal meinen Sohn am Ufer. Im gleichen Augenblick überschwimmt mich die Spitze der ersten Männergruppe. Ich nehme mich zusammen und halte gegen, schwimme, schwimme, schwimme, beruhige mich wieder. Mein Sohn und mein Freund begleiten mich am Ufer, machen Fotos. An der Brücke bin ich zuversichtlich: Nun zieh ich durch.
Der Blick auf die Uhr am Ausstieg macht mich überglücklich. Ich flitze zum Beutel, freu mich aufs Radfahren. Stimmen rufen meinen Namen, ich sehe das Gesicht einer Freundin beim Anfahren, bin mit breitem Grinsen unterwegs.
Jetzt geht’s los: Ziemlich schnell hab ich Kraft in den Beinen, bleibe aber meinen Puls-Vorgaben treu. An den Bergen bleib ich im Sattel, kurbel locker. Ich sauge alles auf, was es an Zuspruch und Beifall von den Zuschauern gibt, versuche, auch mal zu winken.
Am Greding heißt es beißen.
An der langen Serpentinen-Abfahrt hatte ich vor, mein erstes Mal auf dem Rad zu pinkeln, wusste aber von Arne, dass dann da auch ein Fotograf kommt.. es ging nicht.. Also Pitstop zum ersten.
Am Kränzleinberg war es nicht mehr weit, dann kam er: Der Solarer Berg. Hammer, Wahnsinn, zum Heulen schön. Ich sah meine Leute und blickte immer wieder in Gesichter, die mir so viel Mut machten.
Es gibt kaum Worte, die beschreiben, wie man sich da fühlt.
Auf in die zweite Runde, mir ging es prima. Übers Pinkeln auf dem Rad hab ich nicht mehr nachgedacht, es fühlte sich komisch an im Bauch. Drei Mal Pitstop in Runde 2. Die Radrunden vergingen wie im Fluge. Ich bin sehr zufrieden mit mir: ganz konstant war ich unterwegs, hab ich einen Schnitt von 30,2 auf dem Tacho.
In der Wechselzone bin ich dann wieder zum Dixi.
Auf zum Marathon: Yipiyahee, schöne Eierei am Anfang, aber ich vertrau meinen Beinen. Ich kenn die Laufstrecke nur von der Karte, da geht’s doch nicht etwa gleich am Anfang leicht bergan? Nach ca. zwei KM kommt mir Chrissie entgegen, locker fluffig (die hats gut, es geht ja bergab). Ich feuer sie an, sie freut sich.
So, jetzt raff ich mich auf, wage den ersten Blick auf meine Uhr mit Pace-Sensor: 5min, ich denke, ich sollte noch drosseln. Das kenn ich schon, die Beine laufen, es fühlt sich nur langsam an. OK, bis zur Lände ruhiger. Der nächste Busch-Stopp drängt sich mir schon vorher auf...
Ich kann den Lauf von nun an so beschreiben: eine Hangelei von Busch zu Busch. Ich bin mental ausgeblendet, laufen, Busch, laufen, Busch. Jeder Schluck Wasser will sofort wieder raus. Erst in Eckersmühlen beruhigt sich die Sache allmählich – nur ohne Nahrungszufuhr ist natürlich Vorsicht angesagt.
Ich bleibe ganz ruhig, versuche auf Sparflamme zu laufen, ich kann das, ich vertrau darauf. Irgendwann nehm ich mir TUC-Kekse – staubtrocken, bissel Wasser. Hoffentlich bleibt das drin. Stadtrunde Roth ist klasse, mir wars dann zuviel. Gut, dass ich den MP3-Player dabei hatte.
Den Zieleinlauf erleb ich nicht so intensiv, hatte auch das Pech, dass grad alles voll war, mir niemand gratulierte und sich auch kein Profi fand, der mir die Medaille umhängt (ich hab dreimal nach dem Teil fragen müssen). OK, kein wirkliches Problem, machen wir das eben im nächsten Jahr. 11:51h ist mehr, als ich erwartet hatte.
Ich bin dann nur noch meinem Sohn in die Arme gefallen und hab geheult – aber er war sehr souverän.
Meine Uhr zeigte einen Pace von 5:35 im Schnitt beim Marathon, da sind die Gehpausen dabei. Der Marathon in 4:17 ist den Pitstops geschuldet. Ärger? Nein, 2011 hab ich das hoffentlich im Griff. ROTH – ICH KOMME WIEDER, was für ein geiles Rennen!!!!
Montag abend hab ich am Kanal geschlafen, bin mit dem MTB die Schwimmstrecke abgeradelt und hab es bis heut nicht begriffen, was hier abging.
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-Jeder von uns ist ein Engel mit nur einem Flügel. Und wir können nur fliegen, wenn wir uns umarmen.-
Gona, mir kumm'm zum Bier
Geändert von Dieda (22.07.2010 um 21:13 Uhr).
Grund: Korrektur
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