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Alt 24.10.2020, 14:15   #16287
Jörn
Esst mehr Gemüse
 
Benutzerbild von Jörn
 
Registriert seit: 22.09.2006
Beiträge: 3.499
Zitat:
Gottes Gesetz ... gilt überwiegend für Israel ... Mosaisches Gesetz für Israel ... das Gesetz ist voll gültig ... Das Gesetz gilt nur noch für die Ungläubigen und Sünder ... Für die Gläubigen gilt jetzt das Gesetz des Geistes ... Das Gesetz gilt weiter für die Ungläubigen ...
Das Gesetz, das Gesetz, das Gesetz.

Das Wort "Gesetz" suggeriert eine faire Übereinkunft einer Volksgemeinschaft, mit klaren Regeln und einem Nutzen für alle Beteiligten. "Du sollst nicht morden oder stehlen" klingen ebenfalls nach einem friedlichen Ausgleich, und daher sind wir versucht, alle anderen Gesetze der Bibel in diesem vernünftigen Licht zu betrachten.

Doch die Bibel beschreibt ein ganz anderes Szenario. Es ähnelt eher einem Märchen, bei dem ein armer Köhler seine Seele an den Teufel verkauft, ohne die Bedingungen zu kennen; woraufhin der Teufel ihn mit immer neuen Bedingungen quält, von denen der Köhler nichts wusste. Es ist kein Vertrag, sondern eine Falle.

Die Bibel schildert im 2. Buch Bose die Knechtschaft der versklavten Israeliten in Ägypten. Ohne eine Forderung zu stellen, erbarmt sich Gott der Israeliten. Genauer gesagt fühlt er sich zur Hilfe sogar verpflichtet, weil Jahwe zuvor diverse Bünde mit Abraham, Jacob und Isaak geschlossen hatte. Jahwe löst also eine Schuld ein — nicht umgekehrt. Die Israelis nehmen seine Hilfe an, um sich aus der Sklaverei zu befreien. Sie verpflichten sich zu nichts.

Das ändert sich im weiteren Verlauf des Buches. Als die Israeliten längst in der Wüste herumirren (Gott hat sie also aus Ägypten befreit), schlägt Jahwe eine neue Vereinbarung vor. Zwar würde Gott ohnehin alles gehören, aber er wünsche sich die Israeliten als ein in besonderer Weise auserwähltes Volk. Die Gegenleistung für die Israeliten ist nicht klar formuliert, aber es kann nur Vorteile haben, den besten aller Götter zum Freund zu haben. In der Bibel wird es erzählt wie folgt:
"Mose stieg zu Gott hinauf. Da rief ihm der HERR vom Berg her zu: Das sollst du dem Haus Jakob sagen und den Israeliten verkünden: Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und zu mir gebracht habe. — Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören. Das sind die Worte, die du den Israeliten mitteilen sollst.

Mose ging und rief die Ältesten des Volkes zusammen. Er legte ihnen alles vor, was der HERR ihm aufgetragen hatte. Das ganze Volk antwortete einstimmig und erklärte: Alles, was der HERR gesagt hat, wollen wir tun. Mose überbrachte dem HERRN die Antwort des Volkes."
(2.Mose 19)
Vereinbart wird also "alles, was der HERR gesagt hat". Und der Herr hat gesagt, die Israeliten sollten ihm "als ein heiliges Volk gehören".

Nun kann man geteilter Meinung sein, ob das bedeutet, dass Gott jederzeit und willkürlich irgendwelche Gesetze ausrufen kann und sich stets auf die einst getroffene Vereinbarung berufen darf. Oder ob es bedeutet, dass die Israeliten nur jene Gesetze gemeint haben können, die ihnen zu dieser Zeit bekannt waren. Bekannt war ihnen die Vereinbarung, Gott zu ehren und ihm die Treue zu halten. Nicht bekannt waren ihnen die ca. 630 Gebote, die erst im späteren Verlauf der Bücher (Moses 2 bis 5) verkündet wurden. Ebenfalls unbekannt waren ihnen die Zehn Gebote, diese wurden erst im Kapitel nach dem neuen Bundesschluss verkündet (Kapitel 20).

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Ein weiterer Aspekt bei der Frage der Legitimität dieser Gesetze: Wie "ziel" uns mitgeteilt hat, gelten manche Gesetze nur befristet, manche kommen neu hinzu. Manche Gesetze gelten nur für die Ungläubigen, manche nur für Sünder, manche sind ein "Gesetz des Geistes", was immer das sein mag. Dabei werden zwei Dinge recht deutlich: Erstens, dass die Gesetze willkürlich eingesetzt, verändert und abgeschafft werden, ohne dass die unterjochte Partei dabei irgendein Mitspracherecht hätte. Zweitens, dass das Gesetz sogar für Ungläubige oder völlig Unbeteiligte gilt — manche Gesetze sogar ausdrücklich nur für sie (sagt "ziel"). Das wäre ungefähr so, als würden wir Deutsche ein paar Gesetze beschließen für die Franzosen. Noch treffender wäre es, wenn fanatische Islamisten in Afghanistan darauf bestünden, dass die Scharia auch in Deutschland gelte — und bestimmte Gesetze sogar nur in Deutschland.

Ich biete mal folgenden empörenden Vergleich an: Es gibt ja tatsächlich Leute, die kleine Kinder entführen und jahrzehntelang in einem dunklen Keller einsperren. Ab und zu öffnen sie die Tür, werfen etwas Essbares hinunter oder verkünden spontan neue Regeln, die sofort zu befolgen sind. Eine Flucht wird verhindert; schon der Versuch würde eine drakonische Strafe auslösen. Außerdem verlangt man die eigene Anbetung. — Es stellt sich die Frage: Kommt hier zum Element der Kriminalität nicht noch ein weiteres Element hinzu, welches man eher im Bereich einer psychischen Störung verorten müsste?

Die Israelis waren also gefangen in ihrem dunklen Keller, und Jahwe warf gelegentlich ein neues Gesetz hinunter. Tatsächlich war es aber noch schlimmer: Denn kaum eines der unzähligen Gesetze war der normalen Bevölkerung bekannt. Es gab keine allgemein zugänglichen Gesetzbücher, sondern es ging um mündliche Übereinkünfte, die nur einer Priesterkaste bekannt waren, und die vermutlich von ihnen nach Gutdünken erfunden wurden. Nur vereinzelt gab es ein paar Schriften in Tempeln o.ä., denen die Priester leicht etwas hinzufügen konnten. Hinterlistig wurde die Bevölkerung von den Priestern gegängelt und bestraft, stets begründet mit irgendeinem angeblichen "Gesetz", das kaum jemand gesehen hatte. Bis das Alte Testament schließlich komplett schriftlich vorlag, vergingen viele Jahrhunderte.

Für diese These der Priester-Willkür spricht auch, dass die vielen Gebote keine Systematik haben, sondern einfach einen großen Haufen zusammenhangloser Einzelentscheidungen darstellen, wie sie den Priestern gerade in den Kram passten ("wenn eine Frau einen Esel stößt und dieser sich den Knöchel bricht, dann... blabla..."). Die meisten Gebote formulieren einen Nutzen für die Priesterkaste, die Betrugsabsicht ist völlig eindeutig.

Die angeblichen "Gesetze" sind keineswegs eine Sammlung von ehrwürdigen Weisheiten, sondern in der überwältigenden Mehrheit nichts weiter als ein groß angelegtes Täuschungsmanöver. Sie erfüllen die Kriterien für Gesetze weder heute noch damals. Sie wurden nie legitim vereinbart, nutzten einseitig einer privilegierten Priesterkaste und schadeten der Allgemeinheit. Kurz, den Israeliten wäre es viel besser gegangen ohne ihre Jahwe-Priester.
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