Linksruck? Oder nicht?
In dem Fall würde ich mich das nicht mit ja oder nein zu beantworten trauen.
Was spricht dafür:
+) FPÖ + Strache haben gemeinsam nur noch ca. 11 Prozent
+) alle anderen Parteien, die ja zwangsläufig links der beiden erwähnten stehen, haben zum Teil erheblich an Prozentpunkten zugelegt
Was spricht dagegen:
+) FPÖ + Strache haben zwar nur noch 11 Prozent, aber mehr als 100.000 WählerInnen (von 257.000) des Jahres 2015 sind nicht zu "linkeren Parteien" gegangen, sondern haben sich fürs Nichtwählen entschieden
+) die ÖVP hat der FPÖ ziemlich viele Themen geklaut, ist also als Partei nach rechts gerückt
+) angesichts der deutlich gesunkenen Wahlbeteiligung hat z.B. der SPÖ sogar der Verlust von 35.000 Stimmen zu einem Prozentplus gereicht.
Daraus würde ich folgende Einschätzung ableiten:
Der Wiener Gemeinderat mit der künftigen Mandatsverteilung ist tatsächlich nach links gerückt - auch weil man erwarten kann, dass die ÖVP nach dem Wahlkampf doch wieder zumindest ein bisschen Richtung Mitte zurück rückt. Die Wahlkampflinie war ja parteiintern nicht unumstritten.
Einen so eindeutigen Linksruck würde ich aber bei den Wahlberechtigten nicht erkennen. Da sind einfach sehr viele ehemalige FPÖ-Wähler zwar verärgert über die Vorkommnisse und daher zu Hause geblieben. An ihrer grundsätzlichen Einstellung dürfte sich aber nicht viel verändert haben. Und wie schon geschrieben, hat es durchaus nicht mehr "Linkswähler" gegeben. Sie haben nur größere Wirkung entfaltet, weil viele "Rechtswähler" zu Hause geblieben sind.
Ob man da also tatsächlich den Begriff "Linksruck" verwenden möchte, fällt wohl unter Meinungsfreiheit.