Es wurde die erwartete knallharte, superbescheuerte und leider geile Radtour, genau wie gewünscht. Zum Start Traumbedingungen an den Elbbrücken, 12°C und Sonne sowie ein vielversprechendes Grupetto von fünf Leuten. "Super", denke ich, das verspricht viel Entertainment und nicht so viel Arbeit auf unserer Reise durch die Dunkelheit. Tja, da habe ich gleich einen dicken Irrtum, denn einer verabschiedet sich nach 10 und einer nach 30 km, so dass wir danach zu dritt sind, Ingo, Rick und ich. Die beiden kennen sich, der eine hat pbp Erfahrung, der andere ist auch nicht besser und plant nächsten Monat Hamburg-Skagen-Hamburg. Ich erstarre vor Ehrfurcht, komme aber klar und es rollt gut, Sonne scheint, was gibt es schöneres. Nach Überquerung der Elbe fahren wir auf niedersächsischer Seite Richtung Osten, Kurs Bleckede, immer wieder gibt es Traumblicke über die Elbe, immer in der Gewissheit, dass man das Erblickte später von der anderen Seite ebenfalls nochmal sehen wird. Und schöne Erinnerungen, z.B. an der Elbbrücke Geesthacht, wo wir fortan auf unserer Hamburg-Berlin-Strecke unterwegs sind. Nett.
Vor Bleckede, km 60, Sonnenuntergang im Sattel
In Bleckede gibt es die erste Pause und von mir die Frage: "Warum machen wir unsere Pause in einer Eisdiele, bei diesen Temperaturen?" Wird mir dann aber klar: auf Anfrage sagt der Patron, er habe den Kuchen gerade weggeräumt und Abrakadabra gibt es phantastischen Schonkoladenkuchen, dazu Capuccini. Mit dem Kuchen ist mein Körper aber eine sehr sehr lange Weile beschäftigt.
Who needs this?
Als nächstes lerne ich, dass es um km geht und nicht um die Strecke: weil es gern 190 km sein sollten, kurven wir rund um Bleckede noch ein wenig rum, Richtung Hitzacker, bis wir vor einer Kneipe stehen, dem Kupferkessel. "Hier ist der Wendepunkt!" Aha. Prima. Noch nicht einmal eine Einkehr. Drehen wir eben um und rollen, rollen, rollen, in völiger Dunkelheit ab 17.30 h, aber mit reichlich Licht von Nabendynamos. arbeiten brauche ich nicht viel, die beiden Kameraden bremse ich ein und sie sind so viel stärker, so dass die Rollenverteilung klar ist. Zwar bemühe ich mich immer wieder um "Take your time in the wind", aber es macht wenig Sinn, dazu ist die Qualität zu unterschiedlich. Unterwegs spiele ich meine Psychospielchen im Selbstgespräch: "Falls Du es schaffst, den Schokokuchen zu verdauen, gibt es nachher ein Big Tasty Bacon Menu!" oder "Wenn Du nachher zu Hause bist, gibt es noch eine Flasche 0,375 l edelsüssen Weisswein in der Badewanne", hält mich bei Laune, aber es verpufft, denn der Schokokuchen im Magen wird und wird nicht weniger. Gegen 21.30 h oder so erreichen wir Lauenburg.
Sieh genau hin: Elbbrücke über der Skyline von Lauenburg
Kaum wieder in Schleswig-Holstein angekommen, hole ich mir noch einen wunderbaren Platten, Gott sei Dank am Vorderrad und es hätte, in jeder Beziehung, schlimmer kommen können, viel Schlimmer sogar. Hier in Lauenburg, mit Strassenlaterne und Kameraden, halb so wild, aber der selbe Wahnsinn eine halbe Stunde früher: das hätte Kraft gekostet. Von Passanten werden wir bedauert, als sie hören, dass wir noch nach HH fahren, denken sie, der Leibhaftige stünde vor ihnen. Da sagt Rick: "Ich brauche jetzt dringend eine Portion Pommes!" Nehme ich erst gar nicht Ernst, aber es ist wahr. Einen km weiter befindet sich ein griechischer Imbiss, den Rick tatsächlich ansteuert. Ein Wahnsinn, nie im Leben wäre ich unter normalen Bedingungen da reingegangen, aber Rick ist sehr selbstbewusst und souverän. Allein das Plastikzelt als Raucher-KZ, dass man durchqueren muss... Aber alles Vorurteile. Drinnen ist man sehr nett, das alkoholfreie Weissbier ist super, die Pommes handgeschnitten. Der Burger ist in diesem Moment draussen, nicht bereut. Der Patron: "Nach einem Uzo brauche ich Euch wohl nicht zu fragen, was?" Doch zwei von dreien entscheiden sich für den Schnaps, nicht bereut, auch wenn es zuerst ein wenig komisch war. Der Schokokuchen ist in diesem Moment jedenfalls besiegt.
Augen zu und runter damit. Noch zwei Stunden!
So langsam kommen wir in vertraute Gefilde. Eine halbe Stunde später sind wir in Geesthacht,
Erinnerungen an meine verkorkste IM-Generalprobe 2012, mit Pumpspeicherkraftwerk, Kernkraftwerk und tollen Häusern an der Elbuferstrasse sowie der Elbbrücke im Zuge der B 404, die auch bei HHB überquert wird. Kenne ich schon von der anderen Seite! Und dann beginnt ja auch tatsächlich irgendwann Hamburg. "Hammonia, Hammonia, oh wie so herrlich stehst du da!" denke ich, aber wir sind noch sehr sehr weit draussen in Kraul, später dann am Zollenspieker, wo auf dem Hinweg schon 100erte Biker an der Elbe sassen, findet nun noch eine Party statt. Rollen, rollen, rollen.
Um 23.59 h erreichen wir die Elbbrücken. Ich fühle mich super, danke den beiden Kameraden für tollen Support, klasse Entertainment und all die Arbeit. Was für ein Abend! Ausserhalb unseres Mikrokosmos kann man, glaube ich, niemandem erklären, wie geil das ist. Kaum im Auto tut mir alles weh, besonders die Oberschenkelmuskulatur. Zu Hause lasse ich es mir nicht nehmen, noch um 01.00 h ein Bad einzulassen. Der Edelsüsse ist dann doch nicht mehr der Drink der Wahl, aber ein Pikkolo direkt aus der Flasche, das geht, den habe ich mir auch verdient.
Interessant die Erkenntnisse: obwohl ich seit HHB, also seit vier Monaten, eigentlich nur 1x ernsthaft radeln war, die Tour an die Kieler Hörn, ist die Grundfitness offensichtlich hoch, sehr hoch, um genau zu sein. Ein nächtlicher 190er ist jedenfalls drin! Und auch der Body, mit immer noch 4 kg über Wettkampfgewicht, macht keine Sorgen: die werden schon fallen, bald ist Fastenzeit! Was ich aber brauche sind noch einige Hügelkilometer, Berge gibt es hier ja nicht, sowie endlich die Wiederaufnahme eines Schwimmtrainings. Ansonsten werde ich einfach weiter aufbauen, Frühform vermeiden und, ganz im Stil des latin lovers, zurückhalten, zurückhalten, zurückhalten, alles für einen einzigen, grossartigen Moment.
Hallo Jungs! Es war ja so geil! Nehmt ihr mich mal wieder mit?