Das Etikett des Betrügers ist im Falle Doping kein Juristisches, sondern ein Moralisches. Auch ein Mark S. wurde nicht wegen Betrugs verurteilt sondern wegen eines Verstoßes gegen das AntiDopG (und wegen gefährlicher Körperverletzung - nebenbei erwähnt). Die Nada reagiert aber - so zumindest die Kommunikation in der diskutieren Sache der Veröffentlichung - nicht aufgrund moralischer Aspekte, sondern aufgrund von Juristischen. Ich finde man kann nur sehr schlecht Argumente der einen Kategorie mit Argumenten der anderen Kategorie abwägen. Dies ist die Kernschwierigkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Würde aber andererseits das juristische Korsett einer Gesellschaft nicht idealerweise auch deren gängige Moralvorstellungen abbilden?
Also in euren Augen doch alles Flitzpiepen beim BDR und NADA?
Zitat:
Zitat von captain hook
Sag du es mir nach Schilderung des Sachverhaltes. Was denkst du?
Es gibt mit Sicherheit auch im Radsport solche und solche Typen.
Also einerseits anachronistische Typen, wie du sie beschreibst, die sich um Doping wenig scheren, den Antidopingkampf als Behinderung und scheinheilig empfinden und die immer noch glauben, dass es zu Hochleistungssport dazu gehört und genauso schen mit einer komplett anderen Einstellung, die engagiert das Krebsgeschwür Doping bekämpfen wollen.
Und es würde mich wundern, wenn es nicht auch im Radsport, den du bislang kennen gelernt hast, Aktive, Trainer, Veranstalter und Funktionäre gäbe, die eine ganz andere Einstellung zum Antidopingkampf entwickelt haben und für die Fairness im Sport ein verteidigenswertes Prinzip ist.
Von daher wäre es schön, wenn du auf Adepts Frage mit einer derartig differenzierten Antwort reagiert hättest.
Und wenn du bislang in deiner schon recht langen Radsportlaufbahn solche positiv besetzte Protagonisten nicht (oder nur äußerst selten) kennen gelernt hast, wäre es zur Information von Mtlesern mit im Vergleich zu dir deutlich weniger Insiderkenntnissen auch gut, wenn du diese entmutigende Erfahrung teilen würdest, damit sich jeder hier ein eigenes Bild machen kann.
Bei der NADA (neben dem BDR zielte Adepts Frage ja auch auf diese Institution ab) habe ich selbst noch überhaupt niemand kennengelernt, der in das "Flitzpiepenschema" gepasst hätte.
Die Regeln dazu sind (leider!) nicht eindeutig. Zumindest werden sie nicht so eindeutig umgesetzt.
Mir ist zumindest ein Fall persönlich bekannt, wo eine des Dopings überführte Person in jener Ausdauersportart gesperrt wurde, in der sie die positive Probe hatte. In einer anderen Ausdauersportart blieb sie jedoch Startberechtigt, das hat ihr Anwalt mit dem Sportverband oder dem DIS, das weiß ich nicht mehr genau, verhandelt.
(In ihrer Ausweich-Sportart ist diese Person immerhin so gut, dass sie einen City-Marathonlauf gewonnen hat.)
Würde aber andererseits das juristische Korsett einer Gesellschaft nicht idealerweise auch deren gängige Moralvorstellungen abbilden?
Selbstverständlich. Sehr gut erkannt.
Deshalb gehört das m.E. ja in das StGB (Kernstrafrecht) und nicht ins Nebenstrafrecht. Dort (StGB) beschäftigt man sich mit allgemein schützenswerten Rechtsgütern wie z.B. dem Vermögen. Betrug ist ja bekanntlich (nur) ein Vermögensdelikt. Provokant: Geld ist allgemein schützenswert; Fairness und Ehrlichkeit im Wettkampfsport nicht. Das ist die Kommunikation unseres Strafrechts.
Es spielt ja bei entsprechender Ausgestaltung des Nebenstrafrechts bzgl. des Strafmaßes freilich keine Rolle. Allerdings zeigt es - da hast du völlig recht - die Gewichtung eines Wertes in einer Gesellschaft.
Beispiel Mark S.: Er ist kein verurteilter Betrüger. Er wurde wg. Verstoßes gegen das AntiDopG verurteilt. Außerdem wegen gefährlicher Körperverletzung. Leider ist das Urteil noch nicht nachlesbar, ich vermute aber, dass das Ruhen der Approbation wegen eben dieser gefährlichen Körperverletzung angeordnet wurde (und nicht wegen Verstoßes gegen das AntiDopG). Wäre er wegen Betrugs verurteilt worden, hätte das z.B. auch einen Widerruf der Approbation gerechtfertigt. Ich bin gespannt was in dem Urteil drin steht. Aspekte wie und ggf. weitere Folgen wie Schadenersatzpflicht (die sich aus einer Verurteilung wegen Betrugs auch ergeben) haben wir ebenfalls noch nicht betrachtet.
Mir ist selbstverständlich auch klar, dass die Position (Kernstrafrecht/Nebenstrafrecht) eines Deliktes auch was mit der grundsätzlichen Rechtskonstruktion zu tun hat und Änderungen diesbezüglich eine Menge Fragestellungen aufwerfen. Möglicherweise wäre es das aber wert.
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Und genau da sind dann eben nicht neutrale Personen dabei, sondern die, die diesen schönen Schein sehr gerne aufrecht erhalten wollen. Und zwar so lange, bis es zum Himmel stinkt und der Mist aus Jahrzehnten ans Licht kommt.
Das sieht man beim Doping jetzt auch in den Amateurklassen, daher ja auch die "Einberufung" von Amateur Senioren in den teuren Testpool, oder leider sehr aktuell auch in Hinblick auf Mißhandlungen und sexuellen Missbrauch von Kindern im Sport.
Die ganzen "neutralen" Stellen scheinen das über Jahrzehnte entweder übersehen oder ignoriert (und dadurch gefördert zu haben)zu haben. Die Konsequenzen müssten normalerweise die Absetzung der Verantwortlichen Stellen sein.
Ist etwa so, wie beim liebe Kardinal Woelki mit dem Gutachten.
Wenn man sowas unter Verschluss hält fördert das nicht unbedingt das Vertrauen in eine ehrliche Aufarbeitung.
Meistens reicht die Frage bei solchen Aktionen: wem nutzt die Vorgehensweise?
Und die Vorgehensweise bei der Intransparenz nutzt definitiv nicht all den sauberen Sportlern, sondern den Dopern, den Verbänden und der Politik, die sich allzu gerne mit einem sauberen Sport schmückt. Und das ist in Deutschland nicht anders als in vielen Staaten, die allzu gerne von den Deutschen als dopingverseucht kritisiert werden.
Flitzpiepen ist ein Begriff, unter dem ich jemand etwas einfacher strukturiert verstehe, der es nicht besser kann weil er es nicht besser weiß,
Das Gegenteil ist der Fall: die wissen sehr wohl, dass es stinkt, wollen aber die saubere Luft präsentieren.
Sicherlich gibt es da auch Ausnahmen, wenn ich aber die teilweise kriminellen Verflechtungen von den Verbänden sehe liegt es doch eher im Argen.
Und noch eine Anmerkung zu den "neutralen" Stellen: wie war das doch gleich mit dem Herrn Oberstaatsanwalt in der Schweiz und Herrn Infantino?
Wundert sich dann jemand ernsthaft, dass das Vertrauen in die Aufklärung gering ist?
An dieser Stelle ist die Personalie von Sylvia Schenk für die Zustände beim BDR selbstredend. Wer die Einzelheiten nicht kennt, hier die Wiki über sie: https://de.wikipedia.org/wiki/Sylvia_Schenk
Jetzt übertreibst du ein bisschen! Sind alle in BDR und NADA machtgeile Egomanen, die Böses im Schilde führen? Na, so hoch sind dort die politischen Aemter dann doch nicht anzusiedeln.
Zitat:
Zitat von captain hook
Sag du es mir nach Schilderung des Sachverhaltes. Was denkst du?
Ich sehe es ähnlich wie Hafu: Es wird dort Leute geben, die ihren Job gut machen, aber auch welche die es nicht so gut machen. So wie überall. Ich habe ein paar im BDR kennengelernt, aber nicht genug, um mir ein vollständiges Bild machen zu können.
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Deshalb gehört das m.E. ja in das StGB (Kernstrafrecht) und nicht ins Nebenstrafrecht. Dort (StGB) beschäftigt man sich mit allgemein schützenswerten Rechtsgütern wie z.B. dem Vermögen. Betrug ist ja bekanntlich (nur) ein Vermögensdelikt. Provokant: Geld ist allgemein schützenswert; Fairness und Ehrlichkeit im Wettkampfsport nicht. Das ist die Kommunikation unseres Strafrechts.
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Österreich z.B. hat Doping im STGB als schwerer Betrug eingestuft:
Der WADA Code steht natürlich nicht über den Grundrechten. Das Problem ist, dass sich Vereine und Verbände selbst Regeln geben können, und entweder ich möchte da mitmachen, dann muss ich die Regeln akzeptieren, oder eben nicht. Es geschieht ja auf freiwilliger Basis.
Nicht ganz. Man kommt im Sport nicht an den Verbänden vorbei. Außerdem gibt es keine Wahl zwischen verschiedenen Verbänden, denn in Deutschland gilt das Ein-Verbands-Prinzip. Deshalb gibt es nur einen Bund Deutscher Radfahrer und nur eine Deutsche Triathlon Union.
Weil keine Wahlfreiheit und damit ein de-facto-Monopol besteht, sind die Verbände keineswegs frei in der Durchsetzung der eigenen Verbandsinteressen mittels selbst verfasster Regelwerke. Sondern es müssen auf jeder Ebene die Interessen der Athleten mit berücksichtigt werden.
Das Interesse des Athleten kann auch darin bestehen, keiner unnötigen sozialen Ächtung ausgesetzt zu sein.