Dem Rennsteig die Treue!
Was für ein herrliches Wochenende im Thüringer Wald neigt sich dem Ende - es hat den Himmelhund "Ehrgeiz" in mir erweckt und was soll ich groß drumrum schwadronieren - ich habe mir noch auf der Schmiedefelder Festwiese gestern gegen 13 Uhr für den 9. Mai 2015 einen fixen Termin um 09:00 Uhr auf dem Neuhauser Sportfeld geholt.
Dann will ich es wissen!
Denn anders als in diesem Jahr brauche ich 2015 keine Rücksicht auf unmittelbar anstehende Ligatrias (mit 44 Jahren habe ich dann dort nix mehr zu suchen) und IM's (mein Termin dafür ist ja 2015 erst im Herbst) zu nehmen, werde keine Messe mit maximalem Bierkonsum davor zu bestreiten haben und will dann das erste Mal auf dem Rennsteig ernsthaft über meine Komfortzone gehen.
Gern schildere ich jetzt, wie es zu meinem Sinneswandel in den letzten 24 Stunden kommen konnte.
Freitag war ich ja noch im Triathlonmodus, Intervalle in den New Balance als auch auf dem Höllenbike absolviert, bevor ich mit den Kids gegen 21 Uhr in Jena bei der Schwiegermama eintrudelte.
Dort noch zünftiges Sportlerabendbrot in Form von drei Bratwürsten, Kartoffelsalat und einer Pulle Köstritzer inhaliert, so dass ich mir am Samstag in der Tat jegliche Nahrungsaufnahme bis gegen 9:45 Uhr ersparen konnte.
Nach superkurzer Nacht traf ich mich am Samstagmorgen kurz vor 5 Uhr mit meinem Kumpel Ingolf auf dem Parkplatz vor dem Abbe-Stadion.
Und wir waren bei weitem nicht die Ersten, der lokale Laufladen hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 2 Busse voll mit 80 hochmotivierten Rennsteigläufern auf die Reise geschickt, zwei weitere Busse sollten noch folgen.
Darauf mußten wir nicht warten, da wir mit meinem neuen Wohndienstwagen zu Zweit zum Zielort Schmiedefeld gebügelt sind - und dort war gegen 6:20 Uhr bereits die Hölle los.
Wie bei einer Geiselnahme war der Ort von blaulichternden Polizeistaffeln hermetisch abgeriegelt, so dass wir eine gefühlte Ewigkeit nach einer Parklücke nahe dem Bustransfergelände herumirrten.
Und jetzt kommt die Berechtigung, meinen Rennbericht in das Frühsportformum einzutragen, denn wir parkten (versenkten wäre der treffendere Begriff) den niegelnagelneuen Seat um 6:20 Uhr auf einer wunderschön modrigen thüringer Waldlichtung und sprinteten in gut 5 Minuten ca.1.500 m steil bergab (90 HM), um als letzte Fahrgäste in den ersten Transferbus nach Neuhaus am Rennweg rein zu hechten.
Sitzplätze waren natürlich bereits aus, so dass wir uns wie in den guten alten Tagen einfach in den Gang Rücken an Rücken auf Höhe der Stollenschuhe unserer Mitkämpfer pflanzten und die 45 Minuten Transferfahrt dusslig quatschend verbrachten.
In Neuhaus angekommen, sprangen wir dann als Erste raus und eilten zur Meldestelle.
Da wir viel zu gut in der Zeit lagen und uns ja bereits eingesprintet hatten, bogen wir vor dem Nachmeldeschalter noch beide gleichzeitig in die davor aufgestellten Dixis ab und erledigten unser Geschäft, nicht ohne auf das Quatschen zu verzichten, denn so eine Plastedose ist zwar halbwegs blickdicht aber in keinster Weise geräuschreduzierend, so dass man da prima Kommunikation betreiben und eher stumme/schüchterne Laufkameraden durch die geräuschvollen eigenen Darmwinde gleich mal korrekt "unter Druck" setzen kann, nach dem Motto "Wer so früh schon so laut furzen kann, der kann gleich auch mächtig flink losrennen!"
Psychologische Kriegsführung at it's best!
Der Dixistop war übrigens länger als unsere Verweildauer am Nachmeldeschalter - geniale Organisation!
Danach sind wir rüber in die Rennsteighalle, Nummer und Chip befestigen und das unverfälschte Bratwurstaroma ist wie erwartet allgegenwärtig.
8:30 Uhr sind wir nach einem weiteren "Stoffwechsel" in einer idyllisch saftig-grünen Mooslichtung dann über die Beutelabgabe auf direkten Weg in den Startgarten rein, um das komplette Partyprogramm der Lichtenhainer Blasmusikanten zu absolvieren.
Denn hier wird ausgiebig und ergonomisch korrekt mit den anderen 3.000 Läufern geschunkelt&gesungen - und diese "Popgymnastik" ersetzt jedes ausgefeilte Aufwärmprogramm um Welten!
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10 Minuten vor dem Böller und während des Partykrachers "Schneewalzer" kam er dann daumenbreit über die dichten Fichtenwälder angeknattert - der Gänsehautverursacher in Form eines Helikopters und drehte seine Runden über uns.
Und BUMM - auf geht's!
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43,5km und gleich zu Beginn gute 1.000m himmelwärts.
Um Stürze und Staus zu vermeiden, führt die Strecke nach dem Ort ca. 4km eben bis abfallend über die komplett-gesperrte Bundesstraße, bevor es dann den absoluten Bruch gibt - von breit&Asphalt auf matschig&verwinkelt&Schotter&Trail.
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Und dann kam ich wie erhofft bereits bei KM 10 zu meinem Frühstück - zwei Becher lauwarmen Schleim - so geil!
Also eigentlich griff ich mir nur einen Becher und rief der anreichenden Dame zu, dass ich ja jetzt gleich zwei Höhepunkte auf einen Schlag erleben darf (Im Original klang das eher so: "Superlecker! Schleim und Köchin tausend Dank!"), so dass sie hinterher gesprintet kam, aber anstatt mir wegen eventueller Belästigung eine zu zimmern, brachte sie gleich noch einen Becher.
Ich liebe es!
Weitere "schleimige" Highlights des Streckenspeiseplans gab es bei KM 19 auf dem Masseerberg und KM 29 in Neustadt - hier griff ich immer zu, einmalig!
Darüberhinaus habe ich mir noch bei KM29 und 36 je ein Gel (auch so etwas wird ab und an gereicht) reingepfiffen sowie bei der letzten Verpflegung 5 KM vor dem Ziel - also ca. bei KM 39 - einen Becher VitaCola gegönnt.
Den Lauf selber hatte ich mir wie geplant eingeteilt, bis zum Anstieg Masserberg (KM 16) "Easy Going", danach zügiger DL.
Die Splitzeiten mögen Uneingeweihten seltsam vorkommen, daher eine kurze Erklärung dazu:
10KM => 41 Minuten
Klingt nicht wie Easy Going,ist aber so, da es tendenziell leicht bergab geht und vor allem ca. 5km feinster Asphalt am Anfang zu laufen ist. Hier lag ich um Platz 50.
20km => 1:22h (Halbmarathon 1:26h)
War wahrscheinlich mein "gefühlt" schnellster Zehner am Tag, da es auf diesem Stück fast nur offroad und sehr bergig ist, ich müßte da bereits um Platz 35 gewesen sein.
30km => 2:05h
In diesem Abschnitt ist der 2km Bonebreaker Downhill, krassester Offroad mördersteil bergab!
Und 2014 war mein erstes Jahr ohne Sturz in diesem Abschnitt, allerdings habe ich hier auch meine Dreiergrupp ziehen lassen müssen - aber man sieht sich immer zweimal auf dem Rennsteig, aktuelle Platzierung: 25.
Bonebreaker2.jpg
42,195km => 2:55h
Hintenraus kackt die Ente, viele sachte aber lange Offroadanstiege überfordern hier die Meisten, denn neben Kraft fehlt es dann absout an Koordination und jedes Umknicken kostet Energie, die man nicht mehr hat.
Umso mehr pusht es die Läufer wie mich, die jetzt noch Schub haben.
Ich bin an der Marathonmarke dann bereits 12.
Und jetzt wacht auf einmal der Ehrgeiz auf - nur noch 1,3km und 4 Minuten für eine Sub-3h, das ist doch machbar!?
Eine Endbeschleunigung wie so häufig im Training und ich hab's unter 3h gepackt!
Und ab geht's!
Die Herausforderung ist jedoch, dass die Schmiedefelder Festwiese 90 HM über der Marathonmarke liegt und ein 10%-iger Berglauf über 1.300 m in Sub-5-Minuten ist schon im "frischen" Zustand eine Mörderchallenge.
5:30 Minuten dauerte es bei mir - 03:00:30h steht jetzt auf der Uhr.
Danach mit einem Bierchen in die geile Massendusche und auf dem Weg zu meiner Waldlichtung noch eine Bratwurst gegönnt und dann schleunigst zur Geburtstagsparty meines Seniors gedüst um rechtzeitig zum Kuchenbudffet dort aufzuschlagen, es ging alles paletti!
Und um den Kreis final zu schliessen - da ist er nun, dieser vermaledeite innere Antrieb&Ehrgeiz!
Denn so kann ich das für mich nicht stehen lassen, 2015 werde ich den Rennsteig zum ersten Mal richtig ernsthaft angehen, denn dieser Wildschweinholperkurs ist mein Ding.
P.S:
Bewegte Bilder gibt es hier:
http://www.mdr.de/sport/sport-im-osten/video197276.html
Und mein Kumpel Ingolf (Marathon-PB 2:55h) hat gelitten, nach HM in 1:30 ging's "abwärts", knapp 3:40h dauerte sein Leiden, er ist 2015 aber natürlich auch wieder dabei.
Und heute bin ich mit dem Rennrad zum Frühsport noch ein paar Mal über den Rennsteig zwischen Friedrichroda und Ruhla gefahren, 100km feinster Thüringer Wald, eine herrliche Gegend!
I'll be back!