Zitat:
Zitat von FuXX
Nun kann man natuerlich die Frage stellen, wie man ueberhaupt Anspruch auf ein Land erheben kann. Haben die Israelis Anspruch auf irgendwas in dem Gebiet, weil sie da vor 2000 Jahren mal waren? [...] Mit welchem Recht hat die UNO willkuerlich Gebiete an Israel und andere an die Palaestinenser gegeben?
|
Interessante Fragestellung. Genau deshalb hatte ich
in meinem ersten Post nach deiner Herleitung des Existenzrechtes Israels gefragt.
Zitat:
Mit dem Kolonialrecht der Briten?
|
Ich halte den Kololnialismus für das große unaufgearbeitete und ungesühnte Verbrechender Neuzeit. Insbesondere ist es IMO das Verbrechen mit den tiefstgreifentsten Auswirkungen auf die heutige politische Weltkarte. In diesem Sine betrachte ich den Begriff Kolonialrecht als Oxymoron.
Worauf also kann sich das Existenzrecht Israels stützen?
Zunächts möchte ich einige gängige Begründungsansätze auflisten, denen ich
nicht folge:
1.
Religiöser Ansatz / gelobtes Land: Es wird wenige überraschen, dass ich diesen Ansatz nicht teile. Wer aus religiösen Überzeugungen versucht weltliches Recht herzuleiten, der muss IMO zunächst eine weltliche Argumentation für seine religiöse Überzeugung liefern - ansonsten kann er mit seiner Religion in seiner Kirche/Synagoge/Moschee/etc. bleiben.
Abgesehn davon, dass ich nicht an die Existenz eines Gottes und somit auch nicht an die Existenz Göttliche Vorbestimmung und auserwählter Völker glaube, halte ich diesen Ansatz nicht nur für falsch sondern auch in seinen Folgen für fatal:
Aus jüdischer Sicht: Wer daran glaubt, dass es einen Gott gibt, der das eigene Volk dazu ausersehen hat, einen Landstrich zu bewohnen, der hat keine Notwendigkeit, diesen Landstrich zu teilen. Im Gegenteil müsste man jedes Zugeständnis, jeden Verzicht als Verrat an der Vorsehung des eigenen Gottes interpretieren.
Aus arabischer Sicht: Wer an einen anderen Gott glaubt und sich obiger Argumentation gegenüber sieht, darf ebensowenig Kompromisse eingehen, da jeder Kompromiss als Anerkenntniss des fremden und somit Verrat am eigenen Gott interpretiert werden muss.
Von jüdischem Siedler bis Hamas und Ahmadinedschad ist der religiöse Ansatz somit geeignet, die Positionen der IMO schlimmsten Akteure dieses Konfliktes zu rechtfertigen. In diesem Sinne ist es IMO nicht überraschend, dass die zweite Intifada nicht an den unerträglichen Lebensbedingungen in den besetzten Gebieten entzündet, sondern durch eine gezielte religiöse Provokation ausgelöst wurde.
2.
Holocaust Entschädigung: Häufig wird im Rahmen der Israelfrage darauf hingewiesen, dass nach den Verbrechen des Holocaust "die Juden" ein Recht auf einen eigenen Staat, einen geschützten Raum haben. Hätte man nach der Kapitulation Teile Deutschlands geräumt und dieses Gebiet zur Entschädigung angeboten, so ließe sich diesem IMO nicht widersprechen. So wenig man dem Schutzbedürfniss Grundsätzlich widersprechen mag, stellt sich noch immer die Frage, welche Schuld die Palestinänser an diesen Verbrechen tragen und folglich wieso sie es akzeptieren sollten, die Lasten zu tragen.
3. Im öffentlichen Diskurs ist zu beobachten, dass das Existensrecht Israels meistens als feststehende Tatsache betrachtet wird und dass eine verbreiteter Unwille besteht, diesen Punkt argumentativ zu begründen bzw. sich mit der Notwendigkeit einer Begründung auseinanderzusetzen. In diesem Sinne könnte man von einem
Axiomatischen Ansatz sprechen.
Ein Axiom ist eine Aussage, die als offensichtlich wahr betrachtet wird und ohne die Notwendigkeit eines Beweises als Grundlage weiterer Überlegungen verwendet werden kann. Angesichts der rapiden Umwälzungen der letzten 100 Jahre in dieser Region entbehrt IMO jede Position einer derartigen Offensichtlichkeit, die Voraussetzung eines Axoms ist IMO somit nicht gegeben.
Soweit eine Auswahl der Argumentationen, die ich nicht teile. Ich persönlich leite das Existenzrecht Israels aus wesentlich prakmatischeren Überlegungen ab, der
Macht des Faktischen:
Israel existiert. Unabhängig davon, wie man die Gründung Israels beurteilt, wäre eine Änderung dieses Zustandes nur mit Vertreibung und Blutvergießen in gigantischem Ausmaß, bei dem es absehbar nur Verlierer geben könnte, möglich.
IMO hat dieser Ansatz einen wesentlichen Vorteil gegenüber den oben genannten: Er ermöglicht es, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und gleichzeitig die Trauer der Palestinänser über den Verlust der Heimat, die Wut über erlittenes (oder zumindest empfundenes) Unrecht zu respektieren. Letztlich ermöglicht er es, die Poltik des fortschreitenden Siedlungsbaus als das zu erkennen, was er IMO ist - der Versuch, neue Fakten zu schaffen (und somit neues Leid/Unrecht für die Gegenseite). Letztlich öffnet dieser Ansatz die Möglichkeit beide Seiten gleichzeitig zu verstehen und von außen schauen somit den Weg zu Lösungsansätzen.
Zitat:
Zitat von FuXX
PS: Sharon war ein Arschloch und ein Kriegsverbrecher, keine Frage. Ich sehe dennoch in der Wahl einer aktiven Terrorgruppe noch eine andere Qualitaet. Wie soll Israel mit einer Gruppe verhandeln, die offen sagt Israel ausloeschen zu wollen und eben auch entsprechend handelt?
|
Die Hamas akzeptiert nicht das Existenzrecht Israels?
Fassen wir uns doch mal an die eigene nationale Nase. Wie lange haben wir gebraucht, um das Existenzrecht Polens inkl. Oder-Neiße-Grenze anzuerkennen? Wieviele Mühe kostet es uns noch immer zu verstehen, dass Polen Probleme hat mit einer Frau Steinbach, die `91 gegen die Anerkennung von Oder/Neiße gestimmt hat? Wie wäre unsere Position in entsprechenden Fragen, wenn wir ohne Wirtschaftswunder, ohne Aufschwung seit Kriegsende in Flüchtlingslager und Elend gelebt hätten?
In welcher Form, in welchen Grenzen akzeptieren Sharon, Netanjahu u.a. ein Existenzrecht Palästinas?
Ich sehe keine moralischen Unterschiede zwischen den Hartlinern auf beiden Seiten - und ich sehe keine Möglichkeit zu einer Lösung zu kommen, wenn man sich weigert mit einer Seite zu reden.
Gruß Torsten