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Zitat von bentus
Warum „soll/muss“ Deutschland bei Olympia erfolgreich sein?
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Gute Frage, wenn auch sehr philosophisch.
Solange man Profisport mit Steuergeldern fördert, Berufssportler in Bundeswehr und anderen Behörden ermöglicht sollte der entsprechende Anspruch sein, auch möglichst gut im Vergleich mit anderen Profisportlern abzuschneiden. In vielen Sportarten ist Olympia der ultimative Vergleich und eine Medaille das klar definierte Ziel.
Mit dem Infragestellen einer Notwendigkeit von Erfolg, stellt man eigentlich sämtliche Notwendigkeit von Sportförderung durch staatliche Zuwendungen im Profisport in Frage. Was bringt einer Behörde ein Olympiasieger in der Praxis? Genau gar nichts. Er schadet sogar, da er Planstellen besetzt und damit andere seine Arbeitskraft kompensieren müssen.
Solange wir die olympischen Sportarten massiv mit Steuermitteln fördern, für gerade diese Sportler exklusive Infrastruktur (Trainingsstädten, Trainer und Betreuer) schaffen und vorhalten, solange dürfen "wir" auch den Anspruch haben, dass diese Sportler bestmöglich ausgebildet, trainiert und vorbereitet an den Start gehen und dabei sollte fortwährend das gesamte System auf dem Prüfstand stehen.
Nun sind wir in Deutschland eine Gesellschaft in der Sport bei weitem nicht den Stellenwert hat, den der Sport in anderen Ländern genießt. In meinen Schwimmerzeiten war es zB für viele niederländische Vereine völlig selbstverständlich ein eigenes Schwimmbad für Trainingszwecke und Schwimmausbildung von der Gemeinde zur Verfügung gestellt zu bekommen. Bei uns werden Bäder mehr und mehr privatisiert und in moderne Wasserspielplätze umgebaut. Gerade Vereine in ländlichen Regionen leiden erheblich unter Wassermangel oder sind Bittsteller bei den privaten Badbetreibern, was zu erheblichem finanziellen Aufwand führt, den sich nicht jeder leisten will. Wenn ich zurückschaue, hatten wir hier oben innerhalb von 50km vier Hallen und noch mehr Freibäder mit Sportbecken vor 20 Jahren. Davon sind ein sanierungspflichtiges Hallenbad und zwei Freibäder geblieben. Die anderen Bäder sind entweder nicht nutzbare Spielplätze oder geschlossen worden. Und das wird ja nicht exklusiv beim Schwimmsport so zu sein, sondern auch andere Sportarten betreffen. Dazu kommen so starre Kaderstrukturen, wo es mehr um die eigenen Pfründe auf Funktionärsebene geht als um die Leistungsfähigkeit der Sportler.
Weiter geht es mit der Einstellung zu Leistung, Gewinnen und Verlieren im Sport. Wenn man Bundesjugendspiele in Grundschulen abschafft, da man es als diskriminierend empfindet, wenn das unsportliche (körperlich benachteiligte) Kind als Reaktion auf seine Leistung "nur" eine Teilnehmerurkunde erhält, wo doch der sportliche eine Ehrenurkunde erhält, muss man sich doch nicht mehr Fragen, warum es kaum mehr Nachwuchs für Leistungssport gibt.
Woher soll denn die Breite an Sportlern kommen, aus denen man die herausragenden zu Spitzensportlern formen kann, wenn an der Basis kaum mehr für viele die Möglichkeit besteht einem Sport in ausreichender Intensität nachzugehen?
Witzigerweise gibt es diese Diskussion alle 4 Jahre nach Olympia, dann verschwindet sie wieder und nach 4 Jahren hat sich nichts geändert und die Diskussion kommt erneut auf. Ja komisch. Es hat sich ja weder die Stellung von Sport in der Gesellschaft noch Strukturen in der Förderung verändert.
Wie man es anders machen könnte, sieht man an den USA, wo Sport bzw die Identifikation mit Sport sehr tief in der Gesellschaft verwurzelt ist. Da treten Schulen in sportlichen Wettkämpfen in allen möglichen Sportarten gegeneinander an und das in Stadien, die mehr Zuschauer haben, als so manche Deutsche Meisterschaft. Von den infrastrukturellen Möglichkeiten mal abgesehen. Viele Schulen dort haben umfangreiche Sportanlagen, professionelle gut ausgebildete Trainer und Betreuer. Hier müssen sich drei Schulklassen 80min eine baufällige Sporthalle teilen und werden vom Sportlehrer (der Sport als Drittfach im Lehramtsstudium nebenher mitgemacht hat) in Bewegungsfeldern unterrichtet.