Back2Racing - Teil II
Diesmal mußte ich mein Bike nur 500 Meter schieben, dann ging’s in’s Wechselzelt. Windweste aus, Blackroll aus der Tüte, in den Schmodder gelegt und die Wirbelsäule mit lauten Knacken herrlich entspannt – was für eine Wohltat!
Am Abend zuvor hatte ich mich dann für die Variante „All In“ entschieden – Marathon entweder in 3:10 oder 4 Stunden. Also Kompressionssocken, Vaporfly, 6 Gels und Abflug!
Lief gut – bis zum ersten Dixiklo. Denn was ich am Rad begann, wollte meine Blase leider auch beim Lauf forstsetzen. O.K., einmal kann nicht schaden – sagte mein Verstand und ich sprang in die blaue Plastebude. Während es unten weiter „flüssig durchlief“ nutzte ich die Minute zum Stretching. Ja, richtig gelesen – man kann mit Puls 160, nach 6 Rennstunden im Regen beim Pinkeln auf einem halben Quadratmeter auch noch ausreichend gut die Waden und Oberschenkel dehnen. Die Optik war jetzt sowieso egal, beim Hochzerren der Strümpfe merkte ich bereits, wie sich am ganzen Körper eine schöne Kruste Hamburger Allerlei verteilt hatte.
Ich kann Euch das gut berichten, denn unten lief es unvermindert durch.
Also gleich noch ein Gel im Klo oben nachgedrückt und dann ab, zurück in’s Rennen.
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Ich kann leider kein Lauf-Bild finden, bei dem ich nicht grinse - sorry, HH war einfach herrlich
Und jetzt wird es – im Nachhinein – leider etwas betrüblich. Durch meine momentane Verfassung entschied ich mich, den ersten Halbmarathon sehr defensiv anzulaufen. Und da ich in dem Moment die Frauenspitze (welche bereits eine Runde weiter war) erreichte, dachte ich, bleib ich einfach hier, das Tempo ist ziemlich easy. Und so fand ich einen guten Rhythmus, nahm vor jeder Verpflegungsstelle einen Schluck aus meiner Gelpulle und spülte mit Wasser&Iso nach.
Bis meine Blase wieder den Finger hob. FUCK!!! Statt dass ich körperlich am Limit war, kamen mir jetzt fast die Tränen – was ist nur los! Sämtliche Trainingseinheiten dieses Jahr – selbst die Handvoll 7 Stunden Koppeltrainings – absolvierte ich mit maximal einem Boxenstopp. Aber da war es trocken, warm, ohne Wettkampfstress. Naja, egal, machte ich eben das Dutzend für heute voll und wurde erneut freundlich von meinem persönlichen Dixi empfangen. The same Procedure as before – Stretching, Gel, Strullern. Ich dachte auch kurz daran, eventuell meine Nummer aussen dran zu hängen, damit auch jeder Bescheid wußte, dass dies meine Bude für den Rest des Marathons war…
Und irgendwann rannte ich erneut am verrückten ZOOT-Fanclub vorbei – 28 Kilometer waren absolviert, als mein Kopf das Kommando übernahm und „Shut up Heulsuse!!!“ brüllte.
Dazu kam, dass die komplette Laufstrecke durch das Stadtzentrum führte, abwechslungsreich war und es keine 100 Meter gab, an denen uns keine Zuschauer pushten.
Hamburg rockt einfach von Anfang bei Ende!!!
Ich kann mich eigentlich nicht erinnern, dass ich in den letzten Jahren, bei meinen (wahrscheinlich) über 30 Langdistanzen einmal bei Kilometer 37 noch richtig Bock auf den Lauf hatte, bei Kilometer 40 noch zulegte und den letzten Kilometer laut meiner Suunto noch in 3:57 Min laufen konnte.
Das Adrenalin schob mächtig, die Zuschauer feierten, ich feierte und nach 9:22h und (wie ich danach beim Umziehen im „Athletes Garden“ von einem anderen Athleten und dessen Handy-Tracker erfahren konnte) einer vorderen Platzierung in meiner Agegroup, war mein Rennen leider auch schon wieder vorbei – ein grossartiges Gefühl, Gänsehaut überall!!!
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Endlich wieder Action für uns!!!
Was in dem Moment geil klingt, ist mit dem Abstand eines Tages und ein bisschen Analyse etwas schade und zeigt, dass ich viel zu defensiv gelaufen bin. Auch dass ich meinen ersten Krampf abend im Hotel bekam, als ich mich auf dem Sofa nach hinten verrenkte, um mir die nächste (alkoholfreie) Bierdose der Athletes Brewery aus dem Verpflegungsbeutel angeln wollte und dabei meine eingeschränkte Motorik etwas vernachlässigte (zu recht – es ging um eine kühle Dose BIER!!!), zeigt mir, dass ich beim Lauf die 3:10h in den Beinen hatte.
So steht 3:15h auf der Uhr, meine reine Bewegungszeit (ja, die Suunto ist so gehässig, dass sie „Stehzeiten“ in meinem Stamm-Dixi auf der Strecke herausrechnen kann) für den Lauf lag bei 3:12.
Apropos gehässig – auch auf der Radstrecke piepte der Dreckswecker in der Stadt regelmäßig.
Denn während ich wie auf Eiern um die diversen Kurven schlitterte, dachte sie, ich mach Pause, weil sie kaum Bewegung und Vortrieb wahrnehmen konnte. Aber besser so eine gehässige Uhr und sturzfrei anstatt – wie leider einige der Athleten im Rennen - zuviel zu riskieren und über den glatten Asphalt zu schreddern.
Mein Fazit:
Der Tag in Hamburg war legendär und meine Performance lässt mir (glücklicherweise) noch Reserven.
Genial in den Tag gestartet, beim Bike fast verzweifelt und von "Sieg"- auf "Finisher"-Modus umgeschaltet und beim Run wie ein Duracellhäschen immer am Drücker geblieben und vom Ungerman vor dem Rathaus mit "You are an Ironman" begrüßt worden!!!
Und auch wenn ich das nächste Rennen gern in der Wärme fighten möchte, werden wir definitiv wieder zurück an die Alster kommen.
Denn da ist noch etwas für jeden von uns in der Familie zu erledigen!
Mein Sohn fand das Gym, welches meine Frau ihm suchte&buchte - cool, meine Kleine konnte bei dem Wetter gar nicht die Shopping Meile heimsuchen und die Elbsinfonie haben wir zwar gestern von aussen bei unserer Schnitzeljagd durch Hafencity und Speicherstadt bestaunt.
Aber jetzt wäre natürlich eine besuchte Veranstaltung in diesem phänomenalen Gebäude – natürlich als Koppeleinheit mit dem Ironman in der City - der nächste Schritt…
Es hört einfach nie auf – haut rein und don’t stop training!!!