Zitat:
Zitat von Zarathustra
2. Jesus Christus ist der menschgewordene Sohn Gottes.
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Dies ist Deine Antwort auf meine Bitte, eine These zu nennen, zu der es
keine verschiedenen Meinungen innerhalb des Christentums geben würde. Denn ich hatte argumentiert, man würde zu praktisch jedem Standpunkt immer auch die gegenteilige Position innerhalb des Christentums finden.
Ich lasse Deine Bemerkung mal beiseite, dass abweichende Positionen eben nicht christlich wären und von vornherein keine Rolle spielten. (So kann man natürlich jeden Einwand entkräften.)
Ist Jesus der
menschgewordene Sohn Gottes?
Bevor ich zu meinem Punkt komme, möchte ich den Mitlesern eine kurze Zusammenfassung geben, um was es geht. Es geht um zwei Fragen:
• Erstens, wie kann ein ewiger, unveränderlicher (weil bereits vollkommener) Gott überhaupt etwas "werden"? Wenn er etwas "wird": Wäre er dann noch unveränderlich, ewig und vollkommen? Dieses Problem (und einige andere) werden meist unter dem Stichwort
"Präexistenz" debattiert.
• Zweitens, wie kann Gott/Jesus gleichzeitig Gott und Mensch sein? Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Jesus am Kreuz gelitten hat wie ein Mensch, oder ob es ihm aufgrund seiner Göttlichkeit und seines Wissens um seine baldige Erlösung leichter fiel. Daran hängt die "Gültigkeit" seines Opfers (und damit der Loskauf der Menschen von ihren Sünden). Dieses Problem wird unter dem Stichwort
"Zwei-Naturen-Lehre" (Dyophysitismus) debattiert.
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Die Frage der "Menschwerdung" von Jesus ist eine der umstrittensten Thesen des Christentums. Es stimmt zwar, dass die These der "Menschwerdung" anhand eines päpstlichen Dogmas
entschieden (aber nicht inhaltlich geklärt) wurde, und zwar auf dem "Konzil von Chalcedon" im Jahr 451. Aber bis dahin war die These hoch umstritten --
und sie war es erneut, als es nicht mehr lebensgefährlich war, dies zu äußern.
Ich hatte versprochen, dass ich
moderne Kritiker nennen würde, und hier sind sie:
Adolf von Harnack und
Paul Althaus, beides sehr bekannte Theologen. Sie beziehen sich in ihrer Kritik hauptsächlich auf das
Problem der Präexistenz.
Auch
zeitgenössische Kritik um/nach dem Jahr 451 ist leicht zu finden.
Es führte gar zur Spaltung der Kirche: Der altorientalische Teil der Kirche spaltete sich von der Reichskirche (katholisch und orthodox), später kam es zum Bruch mit den akakianischen und miaphysitischen Christen. In dieser Folge gab es wahre Massaker zwischen miaphysitischen und orthodoxen Gruppen innerhalb des Christentums.
Die Frage der "Menschwerdung" von Jesus streift einen sehr umfangreichen Bereich der Christologie, den ich hier nicht im Detail darstellen kann (außer, es wäre gewünscht). Wer Näheres erfahren möchte, schlage nach bei Wikipedia unter den Stichworten
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Präexistenz Christi
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Menschwerdung
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Konzil von Chalcedon
- und "Zwei-Naturen-Lehre" (Dyophysitismus).
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Fazit
Ob Jesus ein Wundertäter, eine von Gott herausgehobene Person, oder tatsächlich selbst Gott war, ist umstritten und war es zu jeder Zeit.
Selbst die vier Evangelien in der Bibel zeichnen ein unterschiedliches Bild. Je später sie geschrieben wurden, desto göttlicher wurde Jesus, bis er im späten Johannes-Evangelium schließlich selbst Gott war (während er beim früh geschriebenen Markus-Evangelium noch jede Göttlichkeit empört von sich wies, weil dies nach jüdischem Glauben eine große Gotteslästerung gewesen wäre).
Auch unter Theologen war und ist umstritten, was diese ganzen Begriffe überhaupt bedeuten sollen. War Jesus halb Mensch, halb Gott? War er ein Gott, der ein Gastspiel als Mensch gab?
Wann begann seine (Jesus) Existenz? Begann sie mit Maria, oder gab es überhaupt keinen Beginn, weil er ewig existierte? Wenn Jesus schon ewig existierte, wieso kann man dann sagen, er wäre von Gott gezeugt worden?
Gab es während seines irdischen Gastspiels keinen Unterschied zu einem Menschen? Falls doch: War er dann wirklich ein Mensch oder eher ein "Gottmensch"? Aber was unterschied einen solchen "Gottmenschen" von Gott selbst? Fehlten ihm bestimmte Kenntnisse oder Fähigkeiten? War er nur "halb-allmächtig"?
Wenn Jesus selbst Gott war, warum spricht er dann von Gott in der dritten Person und stellt ihm Fragen:
"Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" (Mk 15,34; Mt 27,46) Wieso kann Jesus von Gott verlassen werden, wenn Jesus selbst Gott war?
Anhand dieser Fragen lässt sich leicht ablesen, warum es hier alle nur denkbaren Positionen gibt und geben muss. Die Darstellung, hier herrsche eine grundsätzliche Einigkeit unter Theologen, ist nicht plausibel und lässt sich leicht widerlegen.