Noch ein nächtlicher Gedanke bzgl. Einheit, Getrenntsein und Tod.
Man könnte den Tod eventuell als eine Rückkehr zum Ganzen, zur ursprünglichen Einheit betrachten, als eine Auflösung der vom Individuum vorübergehend ("gewaltsam" ... ) imaginierten Getrenntheit.
Damit würde man mit den oben skizzierten, Rückgewinnungssehnsüchten der infantilen, naiven Einheit ja gar nicht so weit von "der Realität" entfernt liegen.
Die Alternative zur "Rückkehr ins Ganze" wäre das rationale hartnäckige Bestehen auf der Individualität, bis in den Tod, eigentlich sogar darüber hinaus, ein Vertrocknen im eingebildeten eigenen Nichts ...
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Essentiell für solche Betrachtungen natürlich auch das jeweilige Bild "des Menschen", z.B. auch mit der weiter oben vom Michel ins Spiel gebrachten Thematik : Unterscheidet sich der Mensch von einer "leblosen", "unbeseelten" () rein mechanischen "Maschine" ? Und wenn ja, durch was ?
C.G. Jung / Von Sinn und Wahnsinn / Textauswahl von Franz Alt
Seite 36: Dämonie des Menschen
Warum zum Teufel kann der Mensch nicht erwachsen werden? Kein Zweifel, der Herr dieser Welt ist der Teufel. Briefe 1, 372
Zitat:
Zitat von Flow
Essentiell für solche Betrachtungen natürlich auch das jeweilige Bild "des Menschen", z.B. auch mit der weiter oben vom Michel ins Spiel gebrachten Thematik : Unterscheidet sich der Mensch von einer "leblosen", "unbeseelten" () rein mechanischen "Maschine" ? Und wenn ja, durch was ?
"Sieh", sagte (Pueblo-Häuptling) Ochwiä Bianno, " wie grausam die Weißen aussehen. Ihre Lippen sind dünn, ihre Nasen spitz, ihre Gesichter sind von Falten gefurcht und verzerrt, ihre Augen haben einen starren Blick, sie suchen immer etwas. Was suchen sie? Die Weißen wollen immer etwas, sie sind immer unruhig und rastlos. Wir wissen nicht, was sie wollen. Wir verstehen sie nicht. Wir glauben, daß sie verrückt sind. Ich fragte ihn, warum er denn meine, die Weißen seien alle verrückt. Er entgegnete: " Sie sagen, daß sie mit dem Kopf denken. "Aber natürlich. Wo denkst Du denn?" fragte ich erstaunt. "Wir denken hier", sagte er und deutete auf sein Herz. (es folgt eine Auflistung von Eroberungen durch die Weißen). Damit hatte ich genug. Was wir als Kolonisation, Heidenmission, Ausbreitung der Zivilisation usw. bezeichnen hat noch ein anderes Gesicht, ein Raubvogelgesicht, das mit grausamer Konzentration nach ferner Beute späht, ein Gesicht, das eines Geschlechts von See- und Landräubern würdig ist. All die Adler und sonstigen Raubtiere, die unsere Wappenschilder zieren, schienen mir passende psychologische Exponenten unserer wahren Natur zu sein."
Erinnerungen, 251f
Würde man die Religion abschaffen, Jörn, wo bliebe das Gegengewicht zum von C.G. Jung beschrieben Raubvogelmenschen? Ohne Religion/Spiritualität wären wir diabolische Maschinen und keine Menschen mehr...
Mit dem Herz und nicht mit dem Hirn denken. Eine Auslegung von Spiritualität? Vielleicht will sich keko ja doch noch zur Spiritualität äußern?
Bringt mich zu einem weiteren Aspekt des von qbz oben verlinkten Artikels. Obgleich mein ursprüngliches Interesse ja auf das Wesen eines vermeintlichen "spirituellen Bedürfnisses" einerseits, sowie dessen Ursprung andererseits abzielte, nehme ich zur Kenntnis, daß Freud wohl Angaben macht, wie mit diesem von ihm skizzierten Gefühl nun umzugehen sei.
Auf der einen Seite wäre der quasi kreative Akt der Religions-"Erfindung", was ich als eine "Erschaffung" interpretiere, in dem Sinne daß diese Religion(sinhalte) ursprünglich nicht existent waren und erst durch den Menschen in die Welt gebracht wurden, was ich wiederum recht interessant im Hinblick auf das Menschenbild finde, dem damit ja gottähnliche Schöpfungsfähigkeit zugebilligt wird.
Die Kirchen werfen Letzteres oft dem Atheismus vor, insbesondere dem historischen Matererialismus von Marx, der jeweils davon spricht, dass die menschliche Natur (und Kultur) sich selbst erschafft durch die Entwicklung der Produktivkräfte in der Arbeit, und sie kritisieren die Befreiung der Menschen von Gott als Hybris, Gotteslästerung, die Gott bestrafen würde. Psychologisch gesehen spiegeln sich die Menschen in den projizierten religiösen Inhalten, indem sie bestimmte Teile ihres Selbsts (Wünsche, Hoffnungen, Allmachtsphantasien usf.) im Gottesbild veräusserlichen. (damit lassen sich z.B. Unterschiede zwischen Katholizismus und Protestantismus / Calvinismus als einen Abschnitt auf dem Weg der neuzeitlichen Individualisierung der Menschen verstehen.)
Zitat:
Zitat von Flow
Auf der anderen Seite die rationale Erfassung, Verarbeitung und damit Überwindung dieses Gefühls, was dann einem Erwachsenwerden entspricht, sofern ich das richtig interpretiere.
Damit einhergehend wohl auch eine Wertung, die den zweiten Weg in irgendeinem Sinn "richtiger", "besser", "erstrebenswerter" einstuft.
Wie könnte diese Wertung begründet werden ?
Es entspricht dem Fortschrittsgedanken seiner Zeit von menschlicher (Marx) und individuell-psychischer Emanzipation (Freud) und Freiheit zu träumen, zu hoffen. Freud betrachtet ja die "Zähmung der Triebe des Menschen" als kulturelle Leistung, wozu auch die Religionen beitrugen. Insofern beschreibt er eher eine Kulturentwicklung, von den Naturvölkern zum neuzeitlichen Menschen, entwickelt aber auch Charaktertypen auf dem Hintergrund seiner Über-Ich/Ich-/Es-Modelle des Bewusstseins.
"Ein Psychologe, der sich nicht darüber täuscht, wie schwer es ist, sich in dieser Welt zurechtzufinden, bemüht sich, die Entwicklung der Menschheit nach dem bisschen Einsicht zu beurteilen, das er sich durch das Studium der seelischen, Vorgänge beim Einzelmenschen während dessen Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen erworben hat. Dabei drängt sich ihm die Auffassung auf, dass die Religion einer Kindheitsneurose vergleichbar sei, und er ist optimistisch genug anzunehmen, dass die Menschheit diese neurotische Phase überwinden wird, wie so viele Kinder ihre ähnliche Neurose auswachsen. Diese Einsichten aus der Individualpsychologie mögen ungenügend sein, die Übertragung auf das Menschengeschlecht nicht gerechtfertigt, der Optimismus unbegründet; ich gebe Ihnen (Freud stellt sich einen Gesprächspartner und Verteidiger der Religion vor. Anm. d. V.) alle diese Unsicherheiten zu. . .. Die Religion wäre die allgemein menschliche Zwangsneurose, wie die des Kindes stammte sie aus dem Ödipuskomplex, der Vaterbeziehung. Nach dieser Auffassung wäre vorauszusehen, dass sich die Abwendung von der Religion mit der schicksalsmäßigen Unerbittlichkeit eines Wachstumsvorgangs vollziehen muss und dass wir uns gerade jetzt mitten in dieser Entwicklungsphase befinden.
. . . Es gibt keine Instanz über der Vernunft . . . Die wissenschaftliche Arbeit ist aber für uns der einzige Weg, der zur Kenntnis der Realität außer uns führen kann . . . Wir glauben daran, dass es der wissenschaftlichen Arbeit möglich ist, etwas über die Realität der Welt zu erfahren, wodurch wir unsere Macht steigern und wonach wir unser Leben einrichten können. Wenn dieser Glaube eine Illusion ist, dann sind wir in derselben Lage wie Sie, aber die Wissenschaft hat uns durch zahlreiche und bedeutsame Erfolge den Beweis erbracht, dass sie keine Illusion ist . . . Ich weiß, wie schwer es ist, Illusionen zu vermeiden; vielleicht sind auch die Hoffnungen, zu denen ich mich bekannt, illusorischer Natur. Aber einen Unterschied halte ich fest. Meine Illusionen - abgesehen davon, dass keine Strafe darauf steht, sie nicht zu teilen - sind nicht unkorrigierbar wie die religiösen, haben nicht den wahnhaften Charakter. Wenn die Erfahrung - nicht mir, sondern anderen nach mir, die ebenso denken - zeigen sollte, dass wir uns geirrt haben, so werden wir auf unsere Erwartungen verzichten . . . die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör geschafft hat. Am Ende, nach unzählig oft wiederholten Abweisungen, findet sie es doch. Dies ist einer der wenigen Punkte, in denen man für die Zukunft der Menschen optimistisch sein darf . . . Der Primat des Intellekts liegt gewiss in weiter, weiter, aber wahrscheinlich doch nicht in unendlicher Ferne. "
Aus: Freud, Zukunft einer Illusion.
Pessimistischer empfinden und beschreiben den Menschen bekanntlich solche Autoren wie Nietzsche, Kafka, Becket, der Existentialismus, Nihilismus, während Jung das Religiöse im Menschen im kollektiven Unbewussten, in den Archetypen suchte, was Freud klar ablehnte. Es gibt gerade am Jung Institut in Zürich immer auch einige Priester, die dort die Ausbildung absolvieren. (selber welche kennen gelernt). Die etwas ironische Rede davon, dass die Analyse die Beichte ersetzt, hat schon einen rationalen Kern. Gott als Archetypus
Essentiell für solche Betrachtungen natürlich auch das jeweilige Bild "des Menschen", z.B. auch mit der weiter oben vom Michel ins Spiel gebrachten Thematik : Unterscheidet sich der Mensch von einer "leblosen", "unbeseelten" () rein mechanischen "Maschine" ? Und wenn ja, durch was ?
„Nur wer die Sinnlosigkeit des Lebens erkannt hat, kann wahrhaft glücklich sein!“
Auf der einen Seite wäre der quasi kreative Akt der Religions-"Erfindung", was ich als eine "Erschaffung" interpretiere, in dem Sinne daß diese Religion(sinhalte) ursprünglich nicht existent waren und erst durch den Menschen in die Welt gebracht wurden, was ich wiederum recht interessant im Hinblick auf das Menschenbild finde, dem damit ja gottähnliche Schöpfungsfähigkeit zugebilligt wird.
Weil der Mensch sich Götter ausdenkt, hat er noch lange keine "gottähnliche Schöpfungsfähigkeit".
Diese Schöpfungen oder Erschaffungen sind teilweise einfach Irrtümer über die Welt. Man "erschafft" den Gedanken an eine flache Welt mit über ihr gewölbten Sternensphären, weil man über die Realität im Irrtum ist. In genau gleicher Weise ist auch ein Schaf im Irrtum über die Realität der Welt, ohne dass man sagen könnte, es zeige dabei gottähnliche Schöpfungsfähigkeit. Es irrt sich, das ist alles.
Unterscheidet sich der Mensch von einer "leblosen", "unbeseelten" () rein mechanischen "Maschine" ? Und wenn ja, durch was ?
Ja, durch das Bewusstsein seiner selbst. Das Bewusstsein ist eine Funktion des Gehirns.
Zitat:
Zitat von Flow
Man könnte den Tod eventuell als eine Rückkehr zum Ganzen, zur ursprünglichen Einheit betrachten, als eine Auflösung der vom Individuum vorübergehend ("gewaltsam" ... ) imaginierten Getrenntheit.
Ausdenken kann man sich vieles. Bevor Du geboren wurdest, warst Du ganz einfach nicht da. Alle Atome Deines Körpers waren woanders. Das "Selbst" ist eine Funktion des Gehirns. Es existiert nicht vor oder nach dem Gehirn. Es ist sinnlos darüber nachzudenken, wo Du warst, bevor Du warst. Wo war mein Haus, bevor es gebaut wurde? Wo war die DDR, bevor sie gegründet wurde, und wo ist sie heute? Das sind unsinnige Fragen.
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Würde man die Religion abschaffen, Jörn, wo bliebe das Gegengewicht zum von C.G. Jung beschrieben Raubvogelmenschen? Ohne Religion/Spiritualität wären wir diabolische Maschinen und keine Menschen mehr...
Mit dem Herz und nicht mit dem Hirn denken. Eine Auslegung von Spiritualität? Vielleicht will sich keko ja doch noch zur Spiritualität äußern?
Ich habe den Smilie mitgelesen. Mir kommt er schon etwas sehr relativierend vor, angesichts des Leids der vielen Kriege, die im Auftrag oder mit Begleitung der Religionen seit Tausenden Jahren geführt wurden. Der von Jung fiktiv beschriebene Raubvogelmensch war ja gerade der Christ, der die heidnischen Indianer unterwarf und missionierte. Ich appelliere stattdessen lieber an die Vernunft, um Kriege und ein gegenseitiges Abschlachten zu vermeiden, die im Kern vollkommen irrational sind, statt an Gefühl und Religion. Dass heute Kirchenmitglieder eine eigene, auch einflussreiche Friedensbewegung hervorgebracht haben, freut mich natürlich sehr. Damit überwinden sie auch eine unheilvolle Vergangenheit.
Pessimistischer empfinden und beschreiben den Menschen bekanntlich solche Autoren wie Nietzsche, Kaftka, Becket, der Existentialismus, Nihilismus, während Jung das Religiöse im Menschen im kollektiven Unbewussten, in den Archetypen suchte, was Freud klar ablehnte. Es gibt gerade am Jung Institut in Zürich immer auch einige Priester, die dort die Ausbildung absolvieren. (selber welche kennen gelernt). Die etwas ironische Rede davon, dass die Analyse die Beichte ersetzt, hat schon einen rationalen Kern. Gott als Archetypus
Jörn forderte Beweise für die Existenz Gottes. Hinweise finden sich womöglich im kollektiven Unbewussten. Was ist das kollektive Unbewusste und wie funktioniert es? Womöglich liegt hier der Schlüssel, den die Gläubigen gefunden zu haben scheinen? Um so wichtiger die Inschrift auf Jungs Grabstein.
„Eine junge Patientin hatte in einem entscheidenden Moment ihrer Behandlung einen Traum, in welchem sie einen goldenen Skarabäus zum Geschenk erhielt. Ich saß, während sie mir den Traum erzählte, mit dem Rücken gegen das geschlossene Fenster. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Geräusch, wie wenn etwas leise an das Fenster klopfte. Ich drehte mich um und sah, dass ein fliegendes Insekt von außen gegen das Fenster stieß. Ich öffnete das Fenster und fing das Tier im Fluge. Es war die nächste Analogie zu einem goldenen Skarabäus, welche unsere Breiten aufzubringen vermochten, nämlich ein Scarabaeide (Blatthornkäfer), Cetonia aurata, der gemeine Rosenkäfer, der sich offenbar veranlasst gefühlt hatte, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten in ein dunkles Zimmer gerade in diesem Moment einzudringen.“
Als Synchronizität (altgriechisch σύν syn, deutsch ‚mit, gemeinsam‘ und χρόνος chronos ‚Zeit‘) bezeichnete der Psychologe Carl Gustav Jung zeitlich korrelierende Ereignisse, die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft sind (die also akausal sind), jedoch als miteinander verbunden, aufeinander bezogen wahrgenommen und gedeutet werden.
Das Prinzip der Synchronizität veranschaulicht Jung in einer Quaternio, einem Kreuz aus zwei sich jeweils polar ergänzenden Begriffspaaren, die sich diametral ergänzen und somit ähnlich aufzufassen sind wie etwa das Begriffspaar Welle/Teilchen beim Übergang von der klassischen Physik zur Quantentheorie.
Mit „unzerstörbare Energie“ wird hier die Größe bezeichnet, die bei allen physikalischen Prozessen konstant bleibt, also auch bei der Umwandlung von Energie in Masse und umgekehrt. Ihre durch alle ablaufenden physischen Prozesse sich ständig ändernde Erscheinungsform wird quasi als Tanz aufgefasst, der sich als Evolution auf der Bühne des Raum-Zeit-Kontinuums entfaltet.
Jung bestreitet nicht, dass jedes der beteiligten Ereignisse in seiner eigenen Kausalkette steht. Deshalb stellt die Synchronizität nicht das Kausalprinzip in Frage, sondern erweitert es linear bis zum rein akausalen Gegenpol: Die Dinge sind in ihrer Entwicklung sinnhaft aufeinander bezogen und „so angeordnet, wie sie sind“ (acausal orderedness)