2012 lief ich ihn schon einmal, den wunderbaren Insellauf von Süd nach Nord, von Hörnum nach List. Damals war ich in der Laufform meines Lebens: die 100/100 erfolgreich abgeschlossen, ein top Trainingslager Anfang Februar gehabt, dann eine Woche danach Sub 90 auf den Halben gelaufen und hochmotiviert beim Syltlauf nur mühelos rumgekaspert und den Fremdenführer gespielt. Kein Vergleich mit diesem Jahr:
7 Jahre älter
3 kg schwerer
viel weniger Laufvorbereitung
und mit einem dicken Steak vom Vorabend im Bauch
viel zu schwere Schuhe
und nicht annähernd die Motivation
sowie, vor allem einfach nicht gut genug.
Trotzdem, gut gelaunt und völlig zu Unrecht total optimistisch stehe ich mit Jens an der Startlinie, wie gehabt mit Ekke Nekkepenn:
Schon gleich nach dem Start fühle ich mich ähnlich wie letzten Mittwoch, alles läuft schwergängig, keine Schrittlänge, keine Bereitschaft zum quälen, alles blöd. Dabei sind die Bedingungen perfekt, gerade für Sylt: Sonne, am Start 5°C, kräftiger Wind von WSW, günstig. Wie stark der Wind ist merkt man in den ganz wenigen, kurzen Gegenwindpassagen. Und damit ich es nicht vergesse: es ist soo toll, mal wieder auf Sylt zu sein, und wenn es auch nur für 24 h ist, das schon oben erwähnte viel zu gute Essen gehört irgendwie dazu, der allgegenwärtige Duft von wilden Beeren, die Heide, die Dünen, Reetdächer, Supercars, das Watt und die See: das lässt mich nie los, bis zum letzten Tag. Nordisch by nature und stolz drauf. Beim Lauf schlagen wir ein für mich vermeitlich moderates Tempo ein, so 5:10 min/km, aber es geht schwer. "Wieso?" frage ich mich unentwegt, aber der Knoten will nicht platzen. Egal, selbstverständlich machen wir die 30-sekündige Poserpause auf der Promenade, der Beweis, dass wir hier waren:
5 km weiter tun die Knochen so weh, dass ich eine Gehpause brauche, ich denke hier (Halbmarathon) sogar an eine Aufgabe. "Totaler Quatsch, selbst wenn Du jetzt noch 12 km gehst bist Du eine Stunde vorm Zeitlimit im Ziel, was soll´s?" sagt Jens. Er wäre sogar aus Solidarität bei mir geblieben, der treue Husar, aber das macht null Sinn, zumal er ja auch für IMFFM trainiert und sogar noch den Hansemarathon laufen will. Er rechnet vor, dass er, wenn er von nun an 4:30 min/km läuft, noch unter 3 h im Ziel ist, gerne lasse ich ihn los, ich will allein sein und weiter gehen.
Das gute an so einer, eigentlich frustrierenden, Gehpause ist ja, dass man andauernd überholt wird, in meinem Fall von Läufern, die ich normalerweise nie sehen würde. Jeder einzelne Anblick noch älterer, übergewichtiger oder gar plaudernder Sportler, die vorbeiziehen, ist ein kleiner Stich. Lange halte ich es nicht aus und fange langsam wieder an zu laufen, laufen ist gut, extrem langsamer Jogg. Irgendwie zählen sich die km runter und dann irgendwann, so bei km 26, beim Anblick der Blidselbucht und dem Blick auf List ist mir klar, dass ich es ins Ziel schaffen werde. Die Zeit: ein Schlag ins Gesicht, der wieder mal zur rechten Zeit kommt. Der Schlüssel heißt Arbeit! Schnitt über die 33,333 km knapp über 6 min/km; trotzdem regulär verdient die Medaille.
In diesem Jahr zeigt sie die Plastik "Reisende Riesen im Wind", die vorm Westerländer Bahnhof steht. Da wir dort sowieso vorbeikommen, präsentiere ich die Medaille hier nochmal zusammen mit dem Original:
Fazit: genau wie unsere Profimannschaft fahre auch ich am Wochenende eine krachende Niederlage ein. Strategiemässig entscheide ich mich für Mund abputzen, Analye ohne Beschönigen, weiter, getreu unserem alten Lied "As hei opsteit säch he het nie weh don". Mit dem Syltlauf habe ich nun eine Rechnung offen, andererseits muss ich gar nichts mehr. Vorstellbar wäre aber sowohl ein Urlaub mit dem Höhepunkt Syltlauf als auch ein hit and run als Heimschläfer. Aber erstmal liegt der Blick auf dem Oisans.
Glückwunsch allen Finishern!
PS Ach ja, damit ich es auch nicht so schnell vergesse, tut heute natürlich alles weh, Knochen, Muskeln sowie andere Organe, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie habe. Genau wie bei unserer Profimannschaft: damit ihr es nicht so schnell vergesst kriegt ihr zum Nachdenken eine Länderspielpause!