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Alt 21.07.2019, 12:20   #14881
Klugschnacker
Arne Dyck
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Zitat:
Zitat von Jörn Beitrag anzeigen
Warum hat Jesus (oder Gott) überhaupt das Recht, irgendwen zu verfluchen, oder aus dem Paradies zu werfen oder Schmerzen zuzufügen?
Diese Frage ist aus meiner Sicht berechtigt. Ist es das Recht des Stärkeren?

Mich würde interessieren, wie hier aus religiöser Sicht argumentiert wird. Eine Standardantwort scheint nach meinem Verständnis zu sein, dass Götter außerhalb (oberhalb) aller Moral stehen, da sie die Moral erst definieren. Folglich könne man moralische Fragen nicht auf Götter anwenden. Und damit auch nicht an Christus, der mit Gott identifiziert wird.

Aus meiner Laiensicht ist das jedoch eine wenig befriedigende oder überzeugende Antwort. Denn wenn für Gott keine Moral existiert, ist er weder gut noch böse, denn diese Begriffe hätten für ihn keine Bedeutung. Was wäre dann jedoch mit der Vorstellung der Allgüte Gottes gemeint? Hier wird eindeutig ein moralischer Begriff (gut/böse) auf Gott angewandt. Oder täusche ich mich da?

Wenn man die Vorstellung des Guten, sogar des "nicht steigerbar Guten", mit Gott verbindet, darf man fragen, was ihm das moralische Recht gibt, Menschen zu verfluchen, zu betrafen, mit Schmerzen zu belegen, die ihm eigentlich nichts getan haben. Gibt es darauf eine Antwort?

----

Anders kann man sich diesen Fragen eventuell nähern, wenn man sich fragt, was genau an Christus und seinen Taten besonders gut war? Was hat er getan, was ihn verehrungs- und anbetungswürdig macht? Was hat er andererseits an Gutem zu tun unterlassen?
Klugschnacker ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.07.2019, 12:51   #14882
qbz
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Zitat:
Zitat von Klugschnacker Beitrag anzeigen
,,,,,,
Mich würde interessieren, wie hier aus religiöser Sicht argumentiert wird. Eine Standardantwort scheint nach meinem Verständnis zu sein, dass Götter außerhalb (oberhalb) aller Moral stehen, da sie die Moral erst definieren. Folglich könne man moralische Fragen nicht auf Götter anwenden. Und damit auch nicht an Christus, der mit Gott identifiziert wird.
Ich hatte das schon geschrieben, wie das Christentum IMHO den ersten Sündenfall sieht: Der Bestrafung, weil sich Adam und Eva nicht an die Weisung Gottes hielten, inform der Vertreibung aus dem Paradies steht die Erlösung der Menschen gegenüber, indem Gott seinen Sohn auf die Welt sandte.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker Beitrag anzeigen
Wenn man die Vorstellung des Guten, sogar des "nicht steigerbar Guten", mit Gott verbindet, darf man fragen, was ihm das moralische Recht gibt, Menschen zu verfluchen, zu betrafen, mit Schmerzen zu belegen, die ihm eigentlich nichts getan haben. Gibt es darauf eine Antwort?
Sie waren "Ungehorsam". Mir scheint der "Gehorsam" gegenüber Gott, dem Allherrscher, bzw. denen, die ihn auf der Erde vertreten, repräsentieren, eine zentrale Forderung des alten und mittelalterlichen Christentums an die Menschen. Positiv gedeutet, um die Gesetze Gottes und der kirchlichen und weltlichen Stellvertreter im Feudalismus einzuhalten, kritisch gesehen, um die Menschen zu knechten und auszubeuten.

In der Neuzeit rücken "Liebe", "Bindung" im Christentum eher in den Mittelpunkt statt des Gehorsams, wodurch wiederum andere Erzähl- und Deutungsmuster entstehen.

Geändert von qbz (21.07.2019 um 13:14 Uhr).
qbz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.07.2019, 13:47   #14883
Klugschnacker
Arne Dyck
triathlon-szene
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Zitat:
Zitat von qbz Beitrag anzeigen
Ich hatte das schon geschrieben, wie das Christentum IMHO den ersten Sündenfall sieht: Der Bestrafung, weil sich Adam und Eva nicht an die Weisung Gottes hielten, inform der Vertreibung aus dem Paradies steht die Erlösung der Menschen gegenüber, indem Gott seinen Sohn auf die Welt sandte.
Ruckelt und hakt es hier nicht etwas?

Alle Menschen werden zunächst wegen ihres Ungehorsams von Gott bestraft, später wird diese Strafe für einige Wenige etwas abgemildert, nämlich im Paradies.
Im Einzelnen: Menschen gibt es vielleicht seit 100.000 oder 200.000 Jahren, je nach dem, wo man die Grenzen innerhalb der Primatenfamilie zieht. Seit der frühesten Existenz unserer Spezies leiden wir unter dem Fluch Gottes. Die Frauen gebären unter Schmerzen, werden von den Männern beherrscht, die im Schweiße ihres Angesichts zwischen Dornen und Disteln den Acker bestellen.

Diese Situation währte 98.000 bzw. 198.000 Jahre lang. Erst nach dieser langen Zeit intervenierte Gott in Gestalt seines Sohnes Jesus Christus. Seither, also erst seit 2.000 Jahren, können einige Menschen wieder ins Paradies, allerdings erst nach ihrem weiterhin beschwerlichen Leben, welches von Gott verfügt wurde. Die übergroße Mehrheit der Menschen kommt nach christlicher Vorstellung nicht ins Paradies. Viele landen in der ewigen Hölle. So sei es der Wille Gottes.
Unterm Strich stehen doch fast alle Menschen nach der Intervention von Gott und Christus erheblich schlechter da, als wenn Gott sich einfach rausgehalten hätte. Mit anderen Worten: Optimal wäre es für uns Menschen, wenn es die "beiden" nicht gäbe. Kein Sündenfall, denn die Neugier und der Gewinn von Erkenntnissen wäre eine ganz normale menschliche Regung. Keine Vertreibung aus dem Paradies, kein unnötig beschwerliches Leben auf der Erde, keine ewigen Qualen in der Hölle.

Ohne Gott wären also die meisten von uns erheblich besser dran. Warum ihn dann anbeten oder gar für nicht steigerbar gut halten?
Klugschnacker ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.07.2019, 16:43   #14884
Jörn
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Steht Gott über oder jenseits der Moral?

Falls es so ist, dann ist es sein Problem. Es bedeutet jedenfalls nicht, dass es ohne Gott keine Moral gebe oder dass sie nicht definiert wäre. Moral ist nicht auf Gott angewiesen. Wenn Gott außerhalb steht, dann steht er eben außerhalb.

Es bedeutet auch nicht, dass nur Gott eine Moral definieren könne. Und falls doch, bedeutet es nicht, dass wir uns an genau diese Moral halten müssten.

Nehmen wir an, wir fänden im Weltall eine weitere Zivilisation auf einem entfernten Planeten, und dort herrsche eine ganz andere Moral als bei uns. Was bedeutet das für uns? -- Nichts. Was irgendwo auf einem Planeten für eine Moral gilt, kann uns einerlei sein. Und ebenso kann uns einerlei sein, welche Moral irgendein Gott definiert. (Es sei denn, wir würden mit Gewalt gezwungen.)

Kümmert uns Deutsche die Moral in Saudi-Arabien? Eben. (Es sei denn, wir würden mit Gewalt gezwungen.)

----

Gläubige werden seit Jahrtausenden in den Irrtum hineingetrickst, Moral wäre gleichbedeutend mit "Folgsamkeit". qbz spricht daher von "Gehorsam" und "Ungehorsam"; Arne schreibt vom "Ungehorsam" Adams.

Aber die Existenz einer Moral bedeutet nicht, dass man ihr zwingend folgen müsste. Nehmen wir an, wir fänden im Weltall nicht nur eine, sondern hundert Zivilisationen, jeweils mit einer unterschiedlichen Moral. Welcher folgen wir?

Moral erfordert das Nachdenken und das Argumentieren darüber, welche der vielen Möglichkeiten vermutlich am besten ist. Christen haben dieses Nachdenken und Argumentieren eingestellt; mindestens jedoch haben sie der Moral die rationale Grundlage genommen. Vielleicht ist dies das größte Unglück des Christentums.

Es ist beinahe eine Regel: Sobald sich Gläubige auf Götter berufen, fällt ihre Moral schauderhaft aus. Erst wenn Gläubige den "gesunden Menschenverstand" benutzen und selber nachdenken, kommen meist moralisch akzeptable Standpunkte dabei heraus. Mit anderen Worten: Nur jene Christen, die ihre Moral eben nicht als absolut voraussetzen, sondern sie als wandelbar und verhandelbar verstehen, bewegen sie sich in einem gesellschaftlich akzeptablen Rahmen.

----

Selbst wenn es eine ultimative Moral geben sollte, die Gott uns offenbart: Das beseitigt nicht die Erfordernis, dass ich ihr als Vereinbarung erstmal zustimmen muss. Moral ordnet das Zusammenleben von Menschen durch Übereinkunft, nicht durch Überwältigung.

Das Christentum pfeift auf Übereinkunft. Sein Mittel ist die Überwältigung. Selbst der gute Jesus hatte zur Durchsetzung seiner Moral nichts weiter zu bieten als Einschüchterung und Gewalt ("Wehe Euch!").

Eine Form der Überwältigung besteht meiner vorläufigen Meinung nach auch darin, das Thema "Moral" für Laien völlig undurchschaubar zu verschwurbeln. Meine Augen schielen hier vorsichtig in Richtung Zarathustra & Co. Es wird den Gläubigen dadurch suggeriert, sie würden besser den Mund halten, wenn sie nicht zuvor 124 Bände von Kant und Schopenhauer gelesen hätten; und falls sie es tun, sagt man ihnen, sie hätten es auf Latein oder Griechisch lesen müssen. Nach meiner Meinung dient das auch dazu, den Menschen ihr unveräußerliches Recht zu nehmen, sich frei und nach eigenen Maßstäben eine Meinung zu bilden und ihre Zustimmung ohne Zwang zu geben oder zu verweigern.
Jörn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2019, 09:48   #14885
qbz
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Zitat:
Zitat von Klugschnacker Beitrag anzeigen
Ruckelt und hakt es hier nicht etwas?

Alle Menschen werden zunächst wegen ihres Ungehorsams von Gott bestraft, später wird diese Strafe für einige Wenige etwas abgemildert, nämlich im Paradies.
.........
Unterm Strich stehen doch fast alle Menschen nach der Intervention von Gott und Christus erheblich schlechter da, als wenn Gott sich einfach rausgehalten hätte. Mit anderen Worten: Optimal wäre es für uns Menschen, wenn es die "beiden" nicht gäbe. Kein Sündenfall, denn die Neugier und der Gewinn von Erkenntnissen wäre eine ganz normale menschliche Regung. Keine Vertreibung aus dem Paradies, kein unnötig beschwerliches Leben auf der Erde, keine ewigen Qualen in der Hölle.

Ohne Gott wären also die meisten von uns erheblich besser dran. Warum ihn dann anbeten oder gar für nicht steigerbar gut halten?
Vielleicht bilanzieren Christen eher ein zeitlich begrenztes irdisches Jammertal gegen ein ewiges Leben im Paradies. Letzteres soll eben der Gnade / Güte Gottes zu verdanken sein. Ohne Gott gäbe es für diese Menschen keine (göttliche) Seele und kein ewiges Leben bei Gott und keine Hoffnung. Letzteres motiviert auch Millionen zum Lottospiel . Die Menschen scheinen im Alltag oft nicht mit realen Wahrscheinlichkeiten zu rechnen.

Um zu verstehen, weshalb das Christentum heute (immer noch) eine Weltreligion ist, überlege ich mir als Atheist, was die Kerngedanken der Lehre sind und wie diese sich bis zur Neuzeit gewandelt haben und welche ziemlich unverändert blieben. Offenbar haben die inkonsistente, wenig plausible Lehre über die Eigenschaften Gottes die Verbreitung nur begrenzt geschmälert. Vielleicht macht die Widersprüchkeit und Vagheit von Teilen der Lehre (z.B. vom ewigen Leben, Paradies) sie gerade auch anpassungsfähig an unterschiedliche Epochen.

Nicht religiöse Personen und überzeugte Atheisten sind ausser in China überall noch in der Minderzahl.
globaler-index-religiositaet-und-atheismus

Geändert von qbz (22.07.2019 um 21:51 Uhr).
qbz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.07.2019, 22:15   #14886
Jörn
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Wikipedia über das (ziemlich alberne, aber schön geschriebene) Jesus-Buch von Papst Ratzinger von 1968:
Die Absicht des Buches sei, (Zitat aus dem Buch) „den Glauben an Gott neu zu verstehen, ohne ihn umständlich auszulegen oder ummünzen zu müssen, was oft in ein Gerede mündet, das nur mühsam eine völlige geistige Leere verdeckt.“

Er wendet sich also gegen Gerede und Umständlichkeit, weil sie die Sache nur verdeckt.

Gefolgt von diesen beiden Zitaten aus dem Buch:

„Christlicher Glaube ist demnach, der nicht auf Wissen reduzierbare, dem Wissen inkommensurable Form des Standfassens des Menschen im Ganzen der Wirklichkeit, die Sinngebung, ohne die das Ganze des Menschen ortlos bleibe, die dem Rechnen und Handeln des Menschen vorausliegt und ohne die er letztlich auch nicht rechnen und handeln könnte, weil er es nur kann im Ort eines Sinnes, der ihn trägt.“

„Christlicher Glaube ist nicht bloß Rückblick auf das Geschehene, Verankerung in einem zeitlich hinter uns liegenden Ursprung [...] Er ist vor allen Dingen auch Blick nach vorn, Ausgriff der Hoffnung. [...] Sie ist wahre Hoffnung eben dadurch, daß sie im Koordinatensystem aller drei Größen steht: der Vergangenheit, das heißt des schon geschehenen Durchbruchs – der Gegenwart des Ewigen, die die zertrennte Zeit als Einheit läßt – des Kommenden, in dem Gott und Welt einander berühren werden und so wahrhaft Gott in Welt, Welt in Gott als das Omega der Geschichte sein wird.“
Quelle: Wikipedia

Man beachte:

- "Wahre Hoffnung": Ist es nun wahr oder nur eine Hoffnung?
- "Zertrennte Einheit": Ist es nun zertrennt oder eine Einheit?
- Die Gegenwart des Ewigen (Gott), der aber der Kommende ist: Ist er nun gegenwärtig oder kommt er erst?
- "Standfassen": Dieses Wort ist dem Duden und dem Google-Wörterbuch unbekannt.
- Und aus dem ersten Absatz: Wer nicht glaubt, ist laut Ratzinger ortlos und kann daher nicht handeln, weil man ortlos nicht handeln kann.



Außerdem wiederholt er den Irrtum, Wissen wäre eine Reduktion, wo doch der Glaube eine Reduktion ist (die Abwesenheit von Fakten, Belegen und Kenntnissen), denn wir glauben nur dort, wo uns das Wissen fehlt.
Jörn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.07.2019, 23:25   #14887
Klugschnacker
Arne Dyck
triathlon-szene
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Zitat:
Zitat von Jörn Beitrag anzeigen
Ratzinger: „Christlicher Glaube ist demnach, der nicht auf Wissen reduzierbare, dem Wissen inkommensurable Form des Standfassens des Menschen im Ganzen der Wirklichkeit, die Sinngebung…
Zwei Anmerkungen dazu. Eine kurze und eine längere (sorry):

1. Was wäre demnach der Sinn des Universums und des Daseins? Mir scheint, dass das Christentum hier keine Antworten kennt – weil es auf diese Frage keine Antwort gibt und geben kann. Welcher wäre denn nach christlicher oder Herrn Ratzingers Ansicht der Sinn der Welt?

2. Christlicher Glaube sei das "Standfassen des Menschen im Ganzen der Wirklichkeit". Chapeau, ein großes Wort! Ich kenne etliche sehr gläubige Christen, aber niemanden, der sich in Verbindung mit dem Ganzen der Wirklichkeit sähe. Es gehört heute meiner Meinung nach zur intellektuellen Grundausbildung, dass man hier etwas bescheidener formuliert. Zu lang ist die Liste der offenen Fragen und der menschlichen Irrtümer. Meine Güte! Was haben sich Menschen in ihrer Geschichte nicht schon alles eingebildet? Irren ist menschlich.

Zu nennen ist hier auch die lange Liste christlicher Irrtümer, deren vielleicht bedeutendster der von Jesus ist, das Himmelreich auf Erden käme noch zu Lebzeiten seiner Zeitgenossen. Er hat sich geirrt, wie wir heute ohne jeden Zweifel feststellen können.

Zu den Irrtümern, die ich nicht weiter verwerflich finde, gesellen sich die Fälschungen. Nahezu jedes Wort und jede Tat, die dem historischen Jesus zugeschrieben wird, hat er höchstwahrscheinlich (oft sicher) weder gesagt noch getan. Es wird daher in der Theologie und der Religionswissenschaft längst unterschieden zwischen dem historischen Jesus einerseits und dem von Paulus und den Evangelisten verkündeten Christus andererseits. Der historische Jesus (der reale Mensch, der dort in der Gegend womöglich lebte) hat praktisch nichts zu tun mit dem Christus oder Messias, von dem die Bibel berichtet. Letzterer ist eine rein literarische Figur. Von Jesus wissen wir so gut wie gar nichts.

Hier von Wirklichkeit zu sprechen, noch gesteigert: vom "Ganzen der Wirklichkeit", ist äußerst gewagt. Denn selbst wenn wir gute, belastbare historische Quellen über Jesus hätten, statt der nur an Jesus angelehnten Erfindungen der Paulusbriefe und der Evangelien: Selbst dann könnten wir über Jesus nur in Form von Wahrscheinlichkeiten sprechen. Nie von Fakten. Was wollte Jesus? – Vielleicht dies oder jenes. Vielleicht aber auch nicht. Wir wissen es nicht genau genug, um eine eindeutige Antwort zu geben.

Historisches Wissen über Personen ist meistens von dieser Art. Es sind Wahrscheinlichkeiten zu mehr oder weniger überzeugenden Hypothesen. Es sind nie Sicherheiten. Bei Jesus ist die Quellenlage derart dünn, dass man ohne großen Fehler sagen kann, dass sie nicht existiert. Jesus hat selbst keinerlei Schriften hinterlassen. In der Geschichtsschreibung seiner Zeit taucht er praktisch nicht auf. Wir wissen so gut wie nichts von ihm, und definitiv überhaupt gar nichts, das als gesichertes Faktum gelten kann.

Was wir wissen, ist, was andere über ihn erfanden. Allen voran Paulus und die vier Evangelisten. Keiner von ihnen kannte Jesus. Von den Evangelisten wissen wir nicht, wer sie waren. Sicher ist, dass drei von ihnen im großen Stil voneinander abschrieben, oft wörtlich. Sie kannten das Alte Testament und gaben sich große Mühe, in diesem alten Text Prophezeiungen und Vorhersagen zu finden. Die Geschichte von Christus erfanden sie dann nachträglich so, dass die Prophezeiungen sich scheinbar realisierten. Der ganze Hokuspokus hatte den nachvollziehbaren Zweck, die jüdischen Gemeinden von Jesus als Messias zu überzeugen. In der neutestamentlichen Forschung wird derlei Kreativität als Gemeindebildung bezeichnet. Auf Deutsch: Die Geschichten sind erfunden, damit Menschen an sie glauben.
„Christlicher Glaube ist demnach, der nicht auf Wissen reduzierbare, dem Wissen inkommensurable Form des Standfassens des Menschen im Ganzen der Wirklichkeit...".
Das Wort "Wirklichkeit" scheint mir vor diesem Hintergrund falsch gewählt. Es ist ein Glaube, den anzuerkennen oder zu leben jeder das Recht hat. Wirklichkeit ist aber etwas anderes.

Gute Nacht!
Arne
Klugschnacker ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.07.2019, 00:13   #14888
qbz
Szenekenner
 
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Zitat:
Zitat von Jörn Beitrag anzeigen

Gefolgt von diesen beiden Zitaten aus dem Buch:

„Christlicher Glaube ist demnach, der nicht auf Wissen reduzierbare, dem Wissen inkommensurable Form des Standfassens des Menschen im Ganzen der Wirklichkeit, die Sinngebung, ohne die das Ganze des Menschen ortlos bleibe, die dem Rechnen und Handeln des Menschen vorausliegt und ohne die er letztlich auch nicht rechnen und handeln könnte, weil er es nur kann im Ort eines Sinnes, der ihn trägt.“
.......
Also ich verstehe die Grammatik nicht.

Handelt es sich bei "der" um ein Relativpronomen, das sich auf Glaube bezieht? Falls ja, fehlen dem Relativsatz das Verb und "Form" der Artikel. Oder handelt es sich um einen falschen Artikel für "Form" und es sollte heissen: Christlicher Glaube ist demnach die nicht auf Wissen reduzierbare, dem Wissen inkommensurable Form des Standfassens des Menschen im Ganzen der Wirklichkeit, ..."

Geändert von qbz (25.07.2019 um 07:02 Uhr).
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