Ja, wir werden es sehen. Aber beispiellos ist es nicht: seit vielen Jahren der "modernen Welt" leben Staaten wie Iran und Nordkorea unter massiven Sanktionen, ohne daß sich etwas im Inneren geändert hätte (außer dem Lebensstandard der Bevölkerung). Iran ist z.B. unverändert auf die Vernichtung Israels ausgerichtet, und kann trotz allem massiv Kriege in der Region finanzieren. Warum sollte das Regime in Russland anfälliger sein? Mir fehlt der Glaube, bzw. keines der Theorien der "Fachleute" (die m.M.n. genauso blind spekulieren, wie wir, ähnlich wie bei Börsenvorhersagen) überzeugt mich, daß hier etwas grundlegend anders sein müßte.
Nordkorea halte ich für kein gutes Beispiel. Nordkorea brät im eigenen Saft. Nordkoreas Exporte belaufen sich auf 2,5 Mrd Dollar pro Jahr. (Zahl lt Wikipedia, von 2012, aber es geht um die Größenordnung). Wohingegen selbst ein Zwergenland wie Österreich jährliche Exporte von mehr als 150 Mrd vorweisen kann. Wo nichts gehandelt wird, ändern Handels-Sanktionen natürlich auch nichts.
Beim Iran schaut´s sicher ein bisschen anders aus, aber da kommt wohl (meiner Einschätzung nach) zum Tragen, dass das Hauptexportgut Öl leichter an Sanktionen vorbei exportiert werden kann - mittels Öltanker.
Und das ist schon ein großer Unterschied zur Lage Russlands, das eben sehr von Gasexporten abhängig ist, die nicht so einfach umgeleitet werden können.
Aber da spekuliere ich jetzt selbst schon mehr als mir lieb ist . Ich will gar nicht den Anschein erwecken, dass ich alles so genau weiß, wie manch anderer.
Och, keiner hier, der Erinnerungen an die Ölkrise hat (Reaktion der damaligen OPEC Staaten auf das, was in der arabischen Welt übersetzt der Oktoberkrieg heißt), 1973?
Nur eine ganz private Erinnerung: Ich habe mir damals u.a. auch einen Vortrag am Straussberger Platz in Ostberlin von dem Ökonomen Jürgen Kuszinsky zur "Ölkrise" angehört. Er sprach sehr ausführlich von einem möglichen Krieg (USA Einmarsch) speziell im Irak und im Nahen Osten um das Öl, der dann erst ca. 30 Jahre später stattfand, nach dem Zusammenbruch der UDSSR. Die Bedeutung des Öls für die Wirtschaft und die Industrieländer ist mir in der Ölkrise damals sehr bewusst geworden.
Das mag ja sein, aber das belegt doch nicht, dass die Sanktionen grundsätzlich wirkungslos sind. Genau über diese Frage habe ich zumindest aber gerade in einigen Postings diskutiert. Zu bemerken, dass der Gaspreis gestiegen ist, dazu brauch ich wirklich nicht Hellseher zu sein. Um die Frage zu beantworten, ob die Sanktionen wirkungslos sind oder sein werden bzw. wem sie mehr schaden, reicht es aber nicht, den aktuellen Gaspreis heranzuziehen.
Mein Hinweis auf den Gaspreis beschäftigte sich doch mit dem von Dir bezweifelten Schaden für unsere Wirtschaft und Gesellschaft, der nicht aufträte, hätte Deutschland NS2 zertifiziert und NS2 in Betrieb genommen, weil es dann keine Knappheit und verordnete Gas-Rationierung in der EU und Deutschland gäbe.
Das finde ich jetzt gleichzeitig interessant und verwirrend. Der Preis steigt schon seit August 2021 deutlich an. Plateau seit Dezember 2021. Ein Effekt des Krieges ist nicht zu erkennen. Oder lese ich das Chart verkehrt?
Ich finde dafür auch keine Erklärung. Gründe könnten sein: Erwartung auf erhöhtes Wirtschaftswachstumg nach Corona-Einschränkungen, Knappheit, absehbares NS2-Scheitern, Spekulation, ? .
Es sieht so aus, als ob der Krieg jetzt als Entschuldigung für Preissteigerungen herhalten muss, die eigentlich woanders ihre Ursachen haben, wie in den Folgen der Liberalisierung des Gasmarktes an den Börsen.
Mein Hinweis auf den Gaspreis beschäftigte sich doch mit dem von Dir bezweifelten Schaden für unsere Wirtschaft und Gesellschaft, der nicht aufträte, hätte Deutschland NS2 zertifiziert und NS2 in Betrieb genommen, weil es dann keine Knappheit und verordnete Gas-Rationierung in der EU und Deutschland gäbe.
Das ist ein Missverständnis. Ich bezweifle nicht, dass die Sanktionen auch der eigenen Wirtschaft schaden. Ich bezweifle nur, dass sie der russischen Wirtschaft nicht bzw. weniger schaden als "uns". Und ich halte es daher für möglich, dass die Sanktionen damit "wirksam" sein könnten. Ich meine daher, dass wir die Sanktionen nicht vorschnell für unwirksam erklären und aufheben sollten. Aber ich anerkenne natürlich, dass es auch andere Meinungen gibt.
Ich schätze Deine Berichte aus Moskau sehr, weise aber darauf hin, dass ja auch die Yale-Forscher nicht irgendwelche obskuren Quellen bemühen, sondern sich auf ihre Wirtschaftskontakte berufen. Natürlich agieren die auch nicht im luftleeren Raum, und es ehrt Dein Selbstbewusstsein, dass Du Dir zutraust die Situation besser einzuschätzen.
Verzeih mir aber bitte, dass ich mich trotzdem nicht nur auf Deine Meinung verlassen will. Die Situation ist dermaßen kompliziert, dass es sich meiner Meinung nach lohnt, verschiedene Quellen heranzuziehen. Und (ich wiederhole mich): bei aller angebrachten Vorsicht ihnen gegenüber scheinen mir die Yale-Forscher nicht nur zu sagen "Wir wissen es besser!", sondern ihre Meinung auch nachvollziehbar zu begründen.
Vielleicht sind ihre Infos und Einschätzungen falsch, aber das trifft ja auf unser aller Einschätzungen hier zu, dass wir vielleicht falsch liegen. Irgendwer wird einmal sagen können: Ich hab´s damals schon gesagt! Ich bin gespannt, wer das sein wird?
Ich würde mich auch hüten mich auf meine Meinung zu verlassen, je mehr Quellen desto besser
Das finde ich jetzt gleichzeitig interessant und verwirrend. Der Preis steigt schon seit August 2021 deutlich an. Plateau seit Dezember 2021. Ein Effekt des Krieges ist nicht zu erkennen. Oder lese ich das Chart verkehrt?
Nachdem die langfristige Gaspreisbindung durch die EU abgeschafft wurde, Stichwort LIberalisierung des Gasmarktes, gilt auf dem Gasmarkt eine Kombination von Angebot und Nachfrage und Spekulation, was die Preise wesentlich volatiler macht.
Hätten wir noch langfridtige Preisbindung, würden wir zwar auch nicht mehr Gas bekommen als jetzt, aber eben zum "alten" Preis.
Was genau da im August passiert ist, müssten man rescherschieren, so starke Ausschläge deuten eher auf Wetten hin, für zukünftige Lieferungen (6 Monat Futures) im Februar 2022, wo die schon vielleicht auf Krieg oder anderes (Corona, Lieferketten etc..) spekuliert haben.
Zum 1. März 1844 wurde von König Ludwig per Erlass aufgrund der Rohstoffknappheit der staatlich festgesetzte Bierpreis um 1 Pfennig erhöht. Während die vorausgehende Brotpreiserhöhung noch hingenommen wurde, brachen bei der Bierpreiserhöhung schon am Abend des 1. März Krawalle in der Münchner Innenstadt aus – etwa zweitausend Bürger stürmten die Münchner Brauereien, warfen Fensterscheiben ein und zerstörten Mobiliar. Das herbeigerufene Militär verweigerte jedoch alle Befehle, gegen die Aufständischen vorzugehen, weitere Maßnahmen gegen die Aufständischen verliefen fruchtlos. Am 5. März 1844 lenkte der König schließlich ein und die Bierpreiserhöhung wurde zurückgenommen, im Oktober 1844 ging er sogar noch weiter und verfügte für das Münchner Hofbräuhaus eine Herabsetzung des Bierpreises „um dem Militär und der arbeitenden Klasse einen gesunden und wohlfeilen Trunk zu bieten.“ Das Bier kostete von da an 5 statt bisher 6½ Kreuzer.