Zitat:
Zitat von Trimichi
Wie erwähnt ging es mir darum zu "beweisen" das die Bibel nicht nur Schlechtes in sich trägt. Ein würdevoller Umgang Alt mit Jung und umgekehrt spiegelt sich in GG Art 1 wieder.
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Ich möchte Dir gerne darlegen, warum die Zehn Gebote und das Grundgesetz keineswegs ähnlich sind.
Unsere Gesetze sind in verschiedene Kategorien eingeteilt. Es gibt übergeordnete Gesetze und untergeordnete Gesetze. Es kann beispielsweise kein Gesetz beschlossen werden, welches den übergeordneten Gesetzen widerspricht.
Es gibt weitere Kategorien. Manche Gesetze formulieren Pflichten für die Bürger (der Bürger muss etwas leisten); manche garantieren die Erfüllung von Ansprüchen (der Staat muss etwas leisten).
Beim ersten Teil des Grundgesetzes handelt es sich um
Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Ausgehend von den Übergriffen im Dritten Reich wurde zuerst ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat eingeführt, und dieses ist auch das wichtigste (am meisten übergeordnete) Gesetz.
Ein paar Dinge sind hier interessant. Erstens, der Bürger
hat Rechte. Das ist ein großer Unterschied zum Christentum und zu den Zehn Geboten, denn hier hat der Mensch
keine Rechte gegenüber Gott.
Zweitens,
der Staat ist durch Rechte sowohl verpflichtet als auch eingeschränkt. Anders im Christentum. Hier ist der große Machthaber in keiner Weise verpflichtet und in keiner Weise eingeschränkt. Wenn Gott einmal schlechte Laune hat, kann er beispielsweise alle Lebewesen durch eine große Flut ersäufen. Christen finden das gerecht (man stelle sich vor!).
Drittens, der Bürger erhält ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Das bedeutet, dass der Staat nicht die letzte allmächtige Instanz ist. Weil dieses Abwehrrecht so enorm hoch geschätzt wird, muss der Staat sogar selbst dafür sorgen, dass der Bürger diese Abwehr ausüben kann. Beispielsweise muss der Staat Dir die Mittel zur Verfügung stellen, die Du brauchst, um ihn abzuwehren. Er muss Dir einen Anwalt bezahlen, damit Du ihn verklagen kannst.
Ganz anders im Christentum und in den Zehn Geboten. Hier gibt es keine Abwehr. Gott kann Dich jederzeit greifen, und selbst der Tod stellt keine Hürde dar. Es gibt keine Anklage, keine Verteidigung, keine Begrenzung der Strafe auf ein sinnvolles Maß. Die Zehn Gebote basieren auf der übelst vorstellbaren, maximal totalitären Diktatur. Das Grundgesetz versucht genau diese Diktatur zu verhindern.
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Nun zum Artikel 1 und der Würde des Menschen. Der Witz dieses Paragrafen besteht in drei Dingen:
Erstens, die Würde wird festgestellt, aber nicht nur das. Sie wird garantiert.
Daraus folgt zweitens, dass der Staat sie mit seinen Mitteln schützen muss -- wie oben beim Abwehrrecht. Wenn der Staat Deine Würde bedrohen sollte, muss der Staat (als Dein Gegner) trotzdem dafür sorgen, dass Du ihn abwehren kannst.
Drittens, und dies ist der wichtigste Punkt von allen: Die Würde ist unveräußerlich. Sie kann nicht genommen werden, unter keinen Umständen, auch dann nicht, wenn Du rechtskräftig verurteilt wurdest, und selbst dann nicht, wenn Du ein Massenmörder sein solltest. Beispielsweise darf man Dich nicht foltern und verhungern lassen.
Das ist das exakte Gegenteil des Christentums und der Zehn Gebote. Hier wird die Würde nur nach Gutdünken verliehen, und nur so lange, wie es Gott gefällt. Selbst kleinste Vergehen bringen Dich in die Hölle, und dort gibt es keine Würde -- das ist ja der Sinn der Hölle. Sogar "Gedankensünden" reichen aus, um dieses Unheil auszulösen, ohne dass Du überhaupt etwas getan hast.
Die Bibel ist nicht viel mehr als eine konstante Androhung über den
Verlust der Menschenwürde.
Wenn Du also argumentierst, dass das Grundgesetz eine moderne Fassung der Zehn Gebote wären, oder dass das Grundgesetz in deren Geiste verfasst worden wären, dann ist das sachlich falsch. Das Grundgesetz ist sowohl vom Inhalt als auch vom Konstrukt her genau das Gegenteil.