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Zitat von Jog2
Aber was hat das mit Brokkoli und Gott zu tun?
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Ich denke, dass ich das ausreichend erläutert habe und ich nicht den Thread damit kapern sollte. Vielleicht kannst Du Deine Frage etwas präziser fassen und einige Erläuterungen geben, warum meine bisherige Erklärung falsch oder unverständlich ist.
Nehmen wir an, ich könnte im Labor Leben erzeugen (anstelle des Brokkolis). Du kennst das berühmte
Miller-Urey-Experiment, wo man durch einen relativ simplen Versuchsaufbau organische Moleküle aus einer Art "Ursuppe" erzeugt hat? Dieses Experiment hat seine Probleme, und man weiß heute mehr darüber als damals, aber nehmen wir mal an, ich hätte etwas in der Art erfolgreich zustande gebracht und die Voraussetzung für Leben erzeugt.
Dann wäre damit bewiesen, dass "Leben" einfach eine bestimmte Kombination von Molekülen und Energie erfordert, und schon springt es uns entgegen. Es wäre ebenfalls bewiesen, dass keine "Göttlichkeit" erforderlich wäre. Du könntest ein paar chemische Elemente in einem Topf zusammenschütten, Energie hinzufügen, und schon hast Du Deine organischen Moleküle. (Das ist hier natürlich nur eine vereinfachte Illustration.)
Könnte dieser Beweis zusätzlich belegen, dass kein Gott
existiert? Natürlich nicht. Aber Gott wäre nicht mehr erforderlich, um Leben zu erzeugen, und Leben wäre kein Hinweis auf Gott. Selbst Gläubige müssten das anerkennen. Aber was wäre dann noch ein Hinweis auf Gott? Es wird eng.
Vor allem dann, wenn die nötige Kombination
zufällig auftreten kann, ist das desaströs für eine Gotteshypothese. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass im Laufe von hunderten Millionen Jahren irgendwann die richtigen Moleküle mit der richtigen Energie aufeinandertreffen, ist weitaus höher als der ganze Klimbim von Gott, und Jesus, und all den Engeln. Speziell wenn wir Umgebungen finden, in denen diese chemischen Voraussetzungen ganz normal vorkommen.
Je trivialer die erforderlichen Voraussetzungen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie eintreffen, und desto unwahrscheinlicher ist die Gotteshypothese. Ein Brokkoli oder eine gelbe Rose oder ein Dackel kann heute ganz trivial gezüchtet werden. Es macht die Gotteshypothese nicht nur unwahrscheinlich, sondern es beweist
unwiderlegbar, dass, sofern die Gotteshypothese wahr sein könnte, sie nur eine unter mehreren Hypothesen sein
kann.
Zitat:
Zitat von Jog2
Willst Du nun einen Gegenbeweis zu Gott führen?
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Nein, ich will keinen Gegenbeweis zu einer Existenzbehauptung führen, denn Existenzbeweise sind per se unsinnig. Stattdessen warte ich darauf, dass bestimmte Wechselwirkungen mit unserer Welt behauptet werden. Diese Wechselwirkungen können untersucht und ggfs. widerlegt werden.
Die Bibel birst schier vor lauter solcher Behauptungen, und übertroffen wird sie von den zahlreichen Äußerungen der Kirchenvertreter und der Gläubigen.
Wenn bestimmte Eigenschaften eines Gottes behauptet und widerlegt werden, ist damit auch die Existenz eines
solchen (!!) Gottes widerlegt. Es widerlegt damit nicht die Existenz anderer Götter. Beispielsweise ist die gleichzeitige Annahme von Allmacht und Allwissenheit logisch ausgeschlossen, und deswegen kann es einen Gott mit
diesen Eigenschaften nicht geben.
Zitat:
Zitat von Jog2
Kannst Du grundsätzlich damit übereinstimmen, daß man auch über Gott außerhalb der Religionen diskutieren kann
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Ja, man kann Gott außerhalb einer bestehenden Religion diskutieren (und damit schafft man quasi eine neue/eigene Religion). Ich finde diese selbstgebastelten Götter/Religionen nicht überzeugend bezüglich des Wahrheitsaspekts, da sie offensichtlich erfunden sind. Zusätzlich sind sie gesellschaftlich nicht relevant.
Ich habe nichts gegen selbst gebastelte Götter/Religionen, sofern damit kein Wahrheitsanspruch oder sonstige Privilegien verbunden oder erschlichen werden. Soll jeder glücklich werden, wie er will, solange er nicht anderen damit schadet. Alle mir bekannten Religionen sind jedoch nach meiner Beobachtung schädlich.
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Zitat von Jog2
Für mich ist die Frage nach Gott - jetzt verlasse ich das Feld Kirche und Religion - keine Beweisfrage. Schon gar keine, welche im Rahmen kirchlicher / religiöser Argumente geführt werden kann.
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Ich verstehe Deinen Standpunkt. Ich selbst sehe es anders. Für mich ist es eine Beweisfrage. Erstens kann dieser Beweis geführt werden, und zweitens ist eine moralische Pflicht.
Zum Beweis habe ich mich ausführlich geäußert. Der Beweis wird indirekt geführt, über Taten oder nachprüfbare Behauptungen. Etwa, dass Gebete etwas nützen würden. Das ist ohne Wenn und Aber beweisbar.
Zur Moral: Religion wirkt sich immer aus auf andere, so wie sich jede andere Lebenseinstellung auf andere auswirkt. Etwa indem ich eine bestimmte Partei unterstütze oder bestimmte gesellschaftliche Realitäten schaffe, die andere nicht ignorieren können. (Ich erinnere an das teuflische Mobbing der Kirchen gegenüber Homosexuellen; dieses Mobbing konnten die Homosexuellen nicht ignorieren, auch dann nicht, wenn sie nicht katholisch waren.)
Wer solcherlei Druck oder Zwang ausübt, und sei es versehentlich, hat die moralische Pflicht, es plausibel zu begründen. Er muss sich zudem einem kritischen Diskurs stellen. Einfach zu sagen:
"Pech, das ist eben meine Meinung!" ist unmoralisch. Ebenso kann man sich nicht damit herausreden, dass überhaupt kein Beweis geführt werden könne. Wenn tatsächlich kein Beweis geführt werden kann, dann muss zumindest die nächstliegende plausible Prüfung angewandt werden. Wer das verweigert, verdient nicht, am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen -- er verweigert sich ja selbst.