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triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Ironman Finnland Tahko
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Alt 16.08.2022, 15:59   #15
labosch
Ist alles so schön bunt hier!
 
Registriert seit: 02.07.2014
Beiträge: 39
Hi,

ich war dieses Jahr in Tahko am Start. Für die 2. Austragung 2022 hatten sie die Schwimmstrecke auf zwei Runden und die Laufstrecke auf fünf Runden aufgeteilt. Knapp 500 hm kamen beim Marathon aber trotzdem zusammen.
Da ich sowieso einen Bericht geschrieben hatte und man generell wenig zu dem Wettkampf findet, hier meine Erfahrungen:
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Ironman Finnland 2022

Der Austragungsort Tahko liegt in der Region Kuopio, etwa 450 km nördlich von Helsinki, was Ironman Finnland zum nördlichsten Ironman überhaupt macht. Im August kann man mit Tageshöchstemperaturen von 20-22° C rechnen, allerdings gibt's auch häufig Niederschlag, d.h. warme Sachen einpacken war angesagt.
Tahko an sich ist ein kleiner Skiort, der quasi nur aus Hotels, Ferienhäusern und Restaurants besteht, und der wahrscheinlich ganz glücklich darüber ist, auch im Sommer mal eine größere Anzahl von Menschen anzuziehen. Kleiner Ort bedeutet auch kurze Wege, so war die Ziellinie gerade mal 5 min Fußweg von unserem Apartment entfernt, und die Wechselzone vielleicht 10 min weiter. Mit nur etwa 500 gemeldeten Athleten war auch das Starterfeld überschaubar.

Los ging's am Wettkampfmorgen nach einer unruhigen, kurzen Nacht zum letzten Rad-Check in die Wechselzone, einem knappen Einlaufen und dann war's auch schon höchste Zeit, den Neo anzuziehen und sich in den Startbereich zu stellen. Per Rolling-Start durften alle fünf Sekunden drei Athleten in den 18,5° C kalten, durch gelöste Mineralien dunkelroten, fast schwarzen See.
Das Schwimmen war durch das entzerrte Startfeld relativ entspannt und machte mit der über den Bäumen aufblitzenden Sonne durchaus Spaß. Zwar wurden nach 3 km die Arme langsam teigig, aber wie gewohnt stieg ich nach 1:09 h aus dem Wasser- wie bei jeder Langdistanz bisher.

In der Wechselzone musste ein Dixi-Stop eingelegt werden, der durch Verstrickungen mit dem Neo und dem nassen Einteiler leider etwas Zeit kostete. Mit Sack und Pack im vollen Wechselzelt angekommen dauerte es wieder eine ganze Weile, bis warme Sachen am Mann waren. Diese waren bei 12° C Außentemperatur zwar prinzipiell eine gute Idee, bis ich auf's Rad steigen konnte waren aber fast 10 Minuten vergangen und die Radständer hatten sich schon merklich geleert.

Mit angeknackster Laune ging's in meine Paradedisziplin. Zu allem Überfluss fühlten sie die Beine gar nicht gut an. Die Folge war, dass mental etwaige Ambitionen beiseite geschoben und erstmal verhalten geradelt wurde, was eigentlich auch der Plan war. Das war im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung, die, wenn ich es mir recht überlege, man als allgemeingültig bei Mittel- und Langdistanzrennen bezeichnen kann.
Nach den typischen zahlreichen Überholmanövern zu Beginn hatten sich die Radbeine auch so langsam an die Belastung gewöhnt und es wurde zunehmend spaßiger, über die sanften Wellen durch den borealen Wald Finnlands zu surfen. Es hieß aber weiterhin, die Pace zu kontrollieren und sich mittels Gelflasche an den Verpflegungsplan zu halten. In der Nähe des ersten von vier Wendepunkten bei km 45 wurde klar, dass die Spitze so 10-15 km vor mir sein musste und auf dem Rückweg leichter Rückenwind herrschte.
Zurück nach Tahko lief's dann auch richtig geschmeidig und der Tacho überschritt zum ersten Mal die 35 km/h im Schnitt, was die Motivation weiter in die Höhe trieb. Nach dem zweiten Wendepunkt rief jemand hinter mir "labosch, you're doing a great job!" und ich bemerkte erst jetzt, dass ich eine Gruppe (in regelkonformen Abstand) im Schlepptau hatte, die meinem Pacing folgte. Kurz nach der 100 km Marke hatte ich allerdings einen kurzen Zwangsstopp wegen verlorener Gelflasche, und meine Gruppe fuhr vorbei. Bei etwa km 115 war ich wieder rangefahren und nutzte auf der folgenden Gegenwindpassage die Gelegenheit, mich ein wenig regelkonform im Windschatten zu verstecken und Kräfte für's letzte Drittel zu sammeln.
Da weiter Kräfte vorhanden waren, legte ich ab km 120 zumindest gefühlt eine Schippe drauf und genoss es, als einer der schnellsten im Umfeld durch den milden finnischen Sommertag zu fetzen. Natürlich waren die letzten Kilometer kein Spaziergang, aber ich hatte beim finalen Wendepunkt meiner Gruppe immerhin 4-5 Minuten abgenommen und bog mit guter Laune und nach unerwartet schnellen 5:06 h auf dem Rad in den zweiten Wechsel ein.

Der Wechsel auf's Laufen lief zum Glück runder als der erste, aber wie immer bei Langdistanzrennen war mir völlig unklar, wie ich jetzt einen Marathon laufen sollte.

Nunja, in dem man mit Kilometer Eins anfängt. Zunächst galt es, das Tempo zu finden um auch die letzte Disziplin wie gehabt verhalten anzugehen. Das klappte trotz zahlreicher Höhenmeter ganz gut und die erste von fünf Runden war schnell erledigt. Auf Runde zwei spielten die Beine weiter gut mit, so dass- wieder gefühlt- eine Schippe drauf gelegt werden konnte. Mittlerweile stand meine Frau mit ihrem Hula-Hoop Reifen an der Strecke, um die sich im Laufe des Marathons ein kleines Stimmungsnest bilden würde. Runde drei war wie die vorhergehenden gut machbar und im Nachhinein bis auf ein paar Sekunden auch gleich schnell.
Ab dem vierten Durchlauf wurde es zunehmend schwieriger. Energetisch war dank zahlreicher Verpflegungsstationen zwar alles im grünen Bereich, die Oberschenkel machten aber so langsam auf sich aufmerksam. Beim Aufstieg zum "Hooka-Hill" ging der Blick schon sehnsüchtig zum Zielkanal, noch musste ich aber durchhalten.
Meine bessere Hälfte hatte inzwischen schon fast zwei Stunden geholahooped und es waren zahlreiche Menschen um sie versammelt, einer hatte sogar Musik dabei. Später würde sie mehrmals darauf angesprochen werden, ob sie die Frau mit dem Hola-Hoop Reifen war.
Irgendwann war dann die letzte Runde an der Reihe, und es hieß mit zusammengebissenen Zähnen den Lauf ins Ziel zu bringen. Irgendwie schaffte ich es, Gehpausen zu vermeiden, aber jeder Schritt schmerzte und auch die Motorik war am Limit, so dass es selbst bergab nicht mehr laufen gelassen werden konnte.
Und dann war er plötzlich da: Der Zielkanal! Nach einem Marathon knapp unter 3:53 h, mit einer Gesamtzeit von offiziell gemessenen 10:21:53 h überquerte ich kaputt, aber glücklich die Ziellinie meiner vierten Langdistanz! Das hieß persönliche Bestzeit auf dem Rad, beim Laufen und insgesamt!

Bei der Slotvergabe am nächsten Tag ergaben sich witzige Situationen. Es gab 45 Slots für Kona 2022 und 60 Slots für die Ironman 70.3 WM 2023 in Lahti, Finnland. Da bekanntermaßen Hawaii dieses Jahr aufgrund der Verschiebungen wegen der Corona-Pandemie heillos überbucht ist und Unterkünfte zwischen 1000-1500 EUR pro Nacht (!!!) kosten, wollte kaum einer einen Slot haben. Wenn ich's richtig mitbekommen habe sind am Schluss alle Slots weggegangen, aber die Altersklassen mussten fast komplett durchgegangen werden. In der M35 ging der Letztplatzierte noch nach Hawaii, mit einer Zielzeit von 15:09 h. Lahti war etwas beliebter, aber auch hier hätte ich entspannt einen Slot haben können.
Dankend zu verzichten war nicht einfach, aber ich hatte es mir im Vorfeld gut überlegt.

Zusammenfassend war der Ironman Finnland 2022 ein toller, perfekt organisierter Wettkampf auf wunderschöner Strecke. Auch das Wetter war uns gnädig, denn es kann in Tahko auch im August windig und regnerisch sein.
Ein großes Lob auch an die etwas reservierten, aber zugleich super entspannten finnischen Helfer, die ihren Teil zur großartigen Atmosphäre beigetragen haben. Der Kontrast zu dem durch und durch amerikanisch-überschwänglichen Ironman Konzern war lustig anzuschauen, hat aber erstaunlich gut harmoniert.
Wer einen aus deutscher Sicht etwas ungewöhnlichen Langdistanz-Wettkampf sucht: Fahrt gerne nach Finnland!
labosch ist offline   Mit Zitat antworten