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triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Claudia Pechstein des Dopings überführt?
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 29.01.2015, 11:15   #405
Hafu
 
Beiträge: n/a
Zitat:
Zitat von Klugschnacker Beitrag anzeigen
...
Ich verstehe im Moment noch nicht, warum Du offenbar dagegen bist, dass das gegen Claudia Pechstein gefällte Urteil von einem ordentlichen Gericht überprüft wird. Der Verband hat dort alle Rechte und Möglichkeiten, den Beweis zu führen, dass Claudia Pechstein zurecht gesperrt worden ist.

Wenn er das kann, ist doch alles gut.
...
Ich bin kein Hämatologe und versuche, die bekannt gewordenen Fakten mit meinem allgemeinen medizinischem Wissen zu bewerten.
Weil ich mich in den letzten Jahren sehr viel mit Dopingthemen auseinandergesetzt habe, besitze ich mittlerweile ein ziemlich gutes Bauchgefühl, was verdächtige Leistungsentwicklungen von Sportlern und Dopingwahrscheinlichkeiten angeht. Claudia Pechstein war über mehrere Jahre (im Prinzip seit den olympischen Spielen in Salt Lake City 2002) auf dem absteigenden Ast, ähnlich wie ihre langjährige Konkurrentin Anni Friesinger sowie rund 10 Jahre früher Gunda Niemann. Im Prinzip eine ganz normale Entwicklung für einen Leistungssportler, der auf die 40 zugeht.
2008 war ihre leistungskurve plötzlich wieder steil ansteigend. Plötzlich erreichte sie in ihren Spezialdisziplinen wieder reihenweise Podestplazierungen, die für sie über mehrere Jahre sehr selten geworden waren.
Als dann nach dem Mehrkampf-WM-Sieg in Hamar die Vorwürfe des Blutdopings bekannt wurden und Pechstein einfach nur ohne weitere Erklärungen abreiste, wie ein in flagranti erwischter Täter und danach auch wochenlang nichts von sich hören ließ, war das für mich nur folgerichtig und ihre anfängliche Zurückhaltung, gegen den Doppingvorwurf anzugehen passte absolut nicht zu jemandem, der zu Unrecht beschuldigt wurde.

Pechsteins Anomalie führt ja nicht per se zu erhöhten Retikulozytenwerten (darauf stützt sich ja der indirekte Dopingbeweis), sondern zunächst mal zu erhöhtem Zerfall der roten Blutkörperchen und erst wenn diese nennenswert unter der Norm liegen, kommt es zu einer erhöhten Blutneubildung mit erhöhten Retikulozyten. In keiner der bekannt gewordenen Blutproben war aber von einer nennenswerten Anämie die Rede, sondern die Gesamtzahl der roten Blutkörperchen war immer im Normbereich.
Mit einer genetischen Anomalie die mehrfach pro Jahr zu einer echten Anämie führt, wäre Pechstein mit Sicherheit auch nicht zur erfolgreichsten Wintersportlerin Deutschlands mit Spezialstrecke 3000m und 5000m geworden.

Ich glaube nicht, dass ein neuer Prozess vor einem zivilen Gericht die offen gebliebenen Fragen klären kann, weil ja keine neuen Fakten mehr zutage gefördert werden können und letztlich nur die bekannten Beweise/ Indizien von verschiedenen Fachleuten neu bewertet werden und die entsprechenden Wahrscheinlichkeiten , die für Schuld oder Unschuld sprechen von juristischen Experten, die gleichzeitig medizinische Laien sind eingeordnet werden müssen.

Die ISU hat sich seinerzeit sicherlich gut von Experten beraten lassen, bevor sie sich getraut hat, als erster Verband weltweit eine Sperre wegen eines indirekten Dopingbeweises auszusprechen, während die UCI bei fünf ähnlich gelagerten Fällen bei Radprofis wenige Monate zuvor die Auffälligkeiten des Blutpasses nur ohne Sperre an die jeweiligen Fachverbände gemeldet hat. Rückblickend betrachtet wäre es aber vermutlich trotzdem besser gewesen, wenn die ISU trotzdem noch ein oder zwei Jahre länger gewartet hätte, bis die Datenbasis noch besser gewesen wäre oder vielleicht doch ein direkter Dopingbeweis gelungen wäre.

Der neutral gehaltene Artikel aus dem Spiegel von 2009 hat nichts von seiner Aussagekraft verloren:

Zitat:
Die Dopingfahnder halten sich an einen Grundsatz, der in der Rechtsmedizin schon lange gilt, Forensiker haben die Idee der absoluten Sicherheit längst aufgegeben, sie arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten.

Vor vier Wochen gab die UCI bekannt, dass es auffällige Werte gibt bei fünf Radfahrern, sperrte vorerst keinen, eröffnete bloß Verfahren und reichte die Angelegenheit an die jeweiligen nationalen Verbände weiter. Die UCI war anscheinend zu feige, den Präzedenzfall zu riskieren.

Die Internationale Eislauf-Union, die ISU, ist im Fall Claudia Pechstein mutiger.
Mit der jetzigen Situation und dem drohenden Schadenersatz, der in seiner Höhe jeden Fachverband einer Nischensportart auf Jahre hinaus wirtschaftlich ruinieren wird, kann man davon ausgehen dass es in Zukunft nie mehr weitere Verfahren wegen Auffälligkeiten in den Blutpässen geben wird. Reiche Sportler mit gewieften Anwälten sitzen da gegenüber den ehrenamtlichen Verbänden gegenüber am längeren Hebel.

Ich persönlich halte Pechstein für schuldig, aber wenn die Datenbasis, die zu ihrer Verurteilung führte bei einer Neubewertung möglicherweise zu einem Freispruch führt, dann ist das halt so. Jedes Rechtssystem (auch das rechstsystem des Sportes) muss es aushalten, dass auch mal ein Schuldiger nicht bestraft wird. Im Sport ist es sogar so, dass seit Jahrzehnten nur einen Bruchteil der tatsächlichen Doper bestraft wird.
Der Einzelfall Pechstein ist also nicht das Problem.

Das eigentlich Problem sehe ich in der Signalwirkung, die dieser Fall auf alle zukünftigen Dopingfälle haben wird, gerade wenn die Beweislage nicht zu hundert Prozent sondern nur zu 99% klar ist. Kein Verband wird sich mehr trauen gegen Sportler Sanktionen zu verhängen, wenn das Haftungsrisiko derart hoch ist und es wird sicherlich viele Sportler gteben, die die geänderten Machtverhältnisse zu ihren Ungunsten ausnutzen werden!
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