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Weißer Hirsch 13.06.2021 11:35

Zitat:

Zitat von Hafu (Beitrag 1606290)
Ein Wikipedia-Artikel wird ja von einer Community verfasst und unterscheidet sich daher gravierend von einem selbst verfassten Lebenslauf. Aufhübschen lässt sich auf Wikipedia in der Regel nichts, zumindest wenn man eine Person des öffentlichen Lebens ist. Baerbock wurde nicht wegen ihres Wikipediatextes angegriffen, sondern wegen des Lebenslaufes auf ihrer Webseite.
Der Lebenslauf von Laschet unterscheidet sich in vielen Punkten (v.a. durch Weglassen von wenig schmeichelhaften Aspekten) von Laschets Wikipedia-Text.

Dass Laschet Redenschreiber für Philipp Jenninger war, der nach einer umstrittenen Rede zur Reichsprogromnacht, als Bundestagspräsident zurücktreten musste, fehlt in Laschets Lebenslauf, obwohl dies eine zweifellos wichtige politische Station war, die eigentlich erwähnt gehört.

Dass alle relevanten beruflichen Stationen von Laschet Anstellungen bei sogenannten Bundesbrüdern waren, mutmaßlich also nicht auf den persönlichen Qualifikationen von Laschet beruhten, sondern schlicht und einfach darauf, dass er in der richtigen Studentenverbindung war, war mir bisher nicht bewusst und es steht im übrigen auch nicht in Laschets Lebenslauf, bzw. Laschets Wikipedia-Artikel, lässt sich aber wie der obige Twitter-Link belegt gleichwohl recherchieren.

Wie man das bewertet bleibt jedem selbst überlassen. Ich habe vor ein paar Tagen bereits geschrieben, dass ich in meinem eigenen, für Bewerbungen genutzten Lebenslauf durchaus auch ein paar "Aufhübschungen" (ohne Falschangaben) drin hatte und deshalb Baerbocks in Teilen unpräzise Angaben zu ihren Mitgliedschaften für sehr harmlos bis irrelevant halte, weil so etwas in Lebensläufen, die ja dazu dienen, sich im bestmöglichen Licht darzustellen, weit verbreitet ist.
Ich will daher eigentlich Laschets nachweisbare Auslassungen im eigenen Lebenslauf auch nicht allzu hoch hängen, würde mir aber grundsätzlich wünschen, dass die Medien hier mit gleicher Münze messen und auch diese Aspekte thematisieren. Dass Bild-Zeitung oder Die Welt dies aufgreifen, ist allerdings IMHO sehr unwahrscheinlich.

Der Bayerische Rundfunk hat in seinem fast immer brillanten Magazin "Quer" vor ein paar Tagen sehr treffend dargestellt, dass der augenblickliche Wahlkampf der Union und der diesen nahestehenden Medien sich kaum vom Wahlkampf der 90er unterscheidet, wie ihn Helmut Kohl damals ebenfalls mit Benzinpreisdebatte und Angst machen vor den Grünen geführt hat.
Die Frage bleibt offen, ob sich unsere Gesellschaft und die Wähler (und auch die Grünen selbst) in den vergangenen 30 Jahren nicht doch verändert haben, so dass die Argumente der 90er nicht mehr ganz so stichhaltig sind, wie sie es vor 30 Jahren waren.
In der (nicht repräsentativen) Straßenumfrage im oben verlinkten Beitrag offenbarten die meisten an der Tankstelle befragten Autofahrer ein gesundes Realitätsverständnis und hielten den aktuellen Spritpreis für zu niedrig und stuften die von den Grünen beabsichtigte Erhöhung für sehr sinnvoll ein.

Ich sehe das Thema Weglassen etwas anders. Um dies tun zu können, muss dafür überhaupt erstmal genügend Substanz vorhanden sein. Aufhübschen (schöne Beschreibung;-)) ist eine andere Nummer. Als langjähriger Ministerpräsident von NRW ist auch generell die Frage, ob im Lebenslauf kleine Details aus ferner Vergangenheit (ehemaliger Redenschreiber... What?) Erwähnung finden müssen. Eine andere Sache ist der Lebenslauf einer Bewerberin die bisher nie ein höheres öffentliches Amt inne hatte. Hier darf der Wähler die Vorstellung über den Lebenslauf erwarten, und dies bitte korrekt.

Zum Thema Wahlkampf hat auch der NDR etwas gesendet. Vielleicht ist das auch interessant;-)

https://youtu.be/XxU-aOf0dt4

merz 13.06.2021 11:49

Ich darf mal einen wohl eher lokal, nicht bundesweit bekannten Personalaspekt reinchippen: Laschets rechte Hand und Leiter der Staatskanzlei in Düsseldorf ist Nathanael Liminski, jung, durchsetzungsstark, Verortung und Herkunft im sehr konservativ akzentuierten Katholizismus - wird spannend in Berlin.


m.

captain hook 13.06.2021 14:28

Zitat:

Zitat von Weißer Hirsch (Beitrag 1606291)
Ich sehe das Thema Weglassen etwas anders. Um dies tun zu können, muss dafür überhaupt erstmal genügend Substanz vorhanden sein. Aufhüpfen (schöne Beschreibung;-)) ist eine andere Nummer. Als langjähriger Ministerpräsident von NRW ist auch generell die Frage, ob im Lebenslauf kleine Details aus ferner Vergangenheit (ehemaliger Redenschreiber... What?) Erwähnung finden müssen. Eine andere Sache ist der Lebenslauf einer Bewerberin die bisher nie ein höheres öffentliches Amt inne hatte. Hier darf der Wähler die Vorstellung über den Lebenslauf erwarten, und dies bitte korrekt.

Zum Thema Wahlkampf hat auch der NDR etwas gesendet. Vielleicht ist das auch interessant;-)

https://youtu.be/XxU-aOf0dt4

Laschet ist nicht langjähriger Ministerpräsident. Grade mal seit 2017.

tandem65 13.06.2021 15:50

Zitat:

Zitat von Weißer Hirsch (Beitrag 1606291)
Ich sehe das Thema Weglassen etwas anders. Um dies tun zu können, muss dafür überhaupt erstmal genügend Substanz vorhanden sein. Aufhübschen (schöne Beschreibung;-)) ist eine andere Nummer. Als langjähriger Ministerpräsident von NRW ist auch generell die Frage, ob im Lebenslauf kleine Details aus ferner Vergangenheit (ehemaliger Redenschreiber... What?) Erwähnung finden müssen. Eine andere Sache ist der Lebenslauf einer Bewerberin die bisher nie ein höheres öffentliches Amt inne hatte. Hier darf der Wähler die Vorstellung über den Lebenslauf erwarten, und dies bitte korrekt.

Du meinst also daß die von Hafu genannten Punkte vor Laschets Wahl in Laschets Lebenslauf gestanden haben und obendrein nun für Wähler nicht mehr interessant sind?
Das ist schon ein wenig abstrus. Ich stelle mir gerade vor das gleiche gilt auch für Frau Merkel und Wähler die 2017 zum ersten mal gewählt haben waren im schlechtesten Falle 6 Jahre alt bevor der Lebenslauf beschönigt werden darf. Nicht Dein Ernst. Letztlich bezeugst Du damit daß es entgegen Deiner Aussage in Deinem letzten Satz Hafus Einschätzung.

JENS-KLEVE 13.06.2021 16:07

Zitat:

Zitat von Hafu (Beitrag 1606287)
Auf Twitter hat sich ein User, die Mühe gemacht, mal Laschets Lebenslauf im Detail zu untersuchen.
Nach dem, was Baerbock in den letzten Wochen so vorgeworfen wurde, ist es (nach Lektüre des oben verlinkten Threads) IMHO absolut zulässig, zu behaupten, dass auch Laschet seinen Lebenslauf durch Weglassen wenig schmeichelhafter beruflicher Stationen und v.a. durch das Weglassen der für nahezu sämtliche Stationen seiner Karriere maßgeblichen Mitgliedschaft bei einer farbentragenden studentischen Verbindung sehr stark "aufgehübscht" hat.

Insbesondere Laschets Mitgliedschaft in einer farbentragenden Verbindung und seine diversen späteren Tätigkeiten bei sogenannten Bundesbrüdern ist absolut nicht das, was ich mir als dominierende Ursache der beruflichen Karriere für einen zukünftigen Bundeskanzler wünschen würde.

Meine Eltern wollten mich als Student auch in eine katholische Studentenverbindung stecken. Ich habe mir das ein Jahr angeguckt und bin nicht eingetreten. Diese Verbindungen sind harmlos und stellen eher einen Generationenvertrag dar. Die jungen Studenten wohnen spottbillig in Traumlage und profitieren von Connections. Alte ehemalige Studenten zahlen in eine Art Förderverein. Die katholischen Verbindungen besuchen sich jedesmal gegenseitig und das war es. Konservative Muttersöhnchen ohne Hobbies. Das war damals mein Eindruck. Politisch radikal war da niemand, und ich hab damals sehr genau hingeschaut.

tandem65 13.06.2021 16:42

Zitat:

Zitat von JENS-KLEVE (Beitrag 1606301)
Das war damals mein Eindruck. Politisch radikal war da niemand, und ich hab damals sehr genau hingeschaut.

Ich denke es geht Hafu in der Hauptsache darum, daß der Fakt der Mitgliedschaft nicht in Laschets Lebenslauf aufgeführt ist.

JENS-KLEVE 13.06.2021 17:00

Für einen Lebenslauf ist das auch völlig unnötig. Abitur, Studium, Praktika, Arbeit, Ehrenamtliche Tätigkeiten, evtl. Hobbies.
Ich schreibe auch nicht in meinen Lebenslauf, dass ich Mitglied im Verband der deutschen Politiklehrer bin. Vielleicht war er als Student auch in Basketball Mannschaft der Hochschule, sowas gehört nicht in den Lebenslauf.

Hafu 13.06.2021 17:48

Zitat:

Zitat von JENS-KLEVE (Beitrag 1606301)
Meine Eltern wollten mich als Student auch in eine katholische Studentenverbindung stecken. Ich habe mir das ein Jahr angeguckt und bin nicht eingetreten. Diese Verbindungen sind harmlos und stellen eher einen Generationenvertrag dar. Die jungen Studenten wohnen spottbillig in Traumlage und profitieren von Connections. Alte ehemalige Studenten zahlen in eine Art Förderverein. Die katholischen Verbindungen besuchen sich jedesmal gegenseitig und das war es. Konservative Muttersöhnchen ohne Hobbies. Das war damals mein Eindruck. Politisch radikal war da niemand, und ich hab damals sehr genau hingeschaut.

Der engste Schulfreund meiner Mutter ist auch Mitglied in einer (schlagenden) Verbindung und während meines Studium hat er (unterstützt von meinen Eltern) auch versucht mir seine Studentenverbindung nahe zu bringen. Ich habe an vier Gesellschaftsabenden im Abstand von einigen Monaten damals teilgenommen und es war (schon bevor ich da ernsthaft integriert war) klar, dass es meine studentische und v.a. spätere berufliche Laufbahn enorm erleichtert hätte, wenn ich dort eingetreten wäre.
Die Verbindung war, soweit ich Einblick hatte, komplett unpolitisch, sie hatten ein Wohnheim mitten in Erlangen, in dem man als "Fuchs" (so hießen die jungen Mitglieder) für lächerlich wenig Geld (ich glaube es war eine selbst für damalige Verhältnisse eher symbolische Miete von 150,-DM/Monat) hätte wohnen dürfen.
Unter den alten Herren, von denen bei den Gesellschaftsabenden einige mitmachten, wimmelte es nur so von Chefärzten im universitären Bereich, Staatsanwälten und Unternehmenschefs. Sehr viele davon hatten auch erkennbare "Schmisse" im Gesicht, im Prinzip das geheime Zeichen für ehemalige Corpsstudenten, dass man dazu gehört.

Mich hat damals am meisten die sehr dominante Rolle des Alkohols bei den Gesellschaftsabenden gestört. Die Abende bestanden zu einem relativ großen Teil aus ritualisierten Trinksprüchen und auch dem gemeinsamen Absingen von Trinkliedern.
Der Alkohol hat damals nicht wirklich zu meinen sportlichen Ambitionen gepasst und v.a. deshalb habe ich mich (trotz der damals erkennbaren deutlichen Vorteile) gegen eine Mitgliedschaft entschieden. Und die Sache mit der Mensur fand ich auch nicht mehr zeitgemäß und wenig attraktiv.

Wenn ich ein ganz normaler Durchschnittsstudent ohne sportliche Ambitionen gewesen wäre, dann wäre ich möglicherweise in die Verbindung eingetreten und ich will auch niemand a priori verurteilen, wenn er in einer Verbindung Mitglied war (zumindest sofern es keine der bekannten rechtsradikalen Verbindungen ist). Allerdings würde ich mir wünschen , wenn ein zukünftiger Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland keinem solchen verdeckten und sehr intransparenten Netzwerk angehört.
Es liegt auf der Hand, dass so wie Laschet in seiner beruflichen Karriere nachweislich von seinen Korpsstudenten-Netzwerk profitiert hat, er nun in einer Position ist, in der erwartet wird, dass er als "alter Herr" selbst derjenige ist, der jungen Mitgliedern seiner Verbindung bei den ersten Karriereschritten "behilflich" ist und in Zukunft behilflich sein wird.


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