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TriVet 22.09.2020 09:00

Guter und anschaulicher Artikel zum Thema Impfstoff, hier mit Bezug auf die Tiermedizin, wo Coronaviren "schon immer" ein Thema waren, auf spektrum.de:
https://www.spektrum.de/news/corona-...b-global-de-DE

aequitas 22.09.2020 13:11

Nettes Interview ohne großen Alarmismus, sondern schön sachlich - das kann er tatsächlich meistens ganz gut.

Ein interessanter Nebenaspekt der mir aufgefallen ist und den ich eigentlich auch nicht groß diskutieren will, da ich Drosten damit nicht diskreditieren will, dennoch halte ich es für wichtig, dass er sich dazu doch mal Gedanken machen sollte: seine Naivität. Als er über die Sitzung im März und die darauffolgenden Schulschließungen spricht sagt er, dass er zu keiner expliziten Maßnahme geraten habe. Andererseits führt er an, dass er die wichtige Rolle von Kindern während der Influenza-Pandemie 1918 betont habe. Mit solch einer Analogie zu einem anderen Virus hat er implizit eine Empfehlung abgegeben: macht die Schulen dicht, sonst droht 1918. Das ist selbstverständlich überspitzt, aber mir ist dieses Beispiel so ins Auge gestochen, da mir schon oft aufgefallen ist, wie Drosten stets seine Rolle als Wissenschaftler betont und sich damit von der Rolle als Berater mit Einfluss abgrenzt. Er ignoriert bzw. vernachlässigt dabei seine ausgesprochen hohe Einflussnahme, die er durch seine Forschung hat. Meistens ist das gut, dennoch würde ihm m.M.n. an dieser Stelle ein wenig Selbstreflexion gut stehen.

Schwarzfahrer 22.09.2020 13:38

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1553985)
... Mit solch einer Analogie zu einem anderen Virus hat er implizit eine Empfehlung abgegeben: macht die Schulen dicht, sonst droht 1918. Das ist selbstverständlich überspitzt, aber mir ist dieses Beispiel so ins Auge gestochen, da mir schon oft aufgefallen ist, wie Drosten stets seine Rolle als Wissenschaftler betont und sich damit von der Rolle als Berater mit Einfluss abgrenzt. Er ignoriert bzw. vernachlässigt dabei seine ausgesprochen hohe Einflussnahme, die er durch seine Forschung hat.

Dies entspricht meiner Beobachtung aus meiner Arbeitswelt. In vielen Fällen, wo ich als technischer Fachmann für das Management Fakten zusammenstellen soll, habe ich einen sehr großen Einfluß darauf, wie entschieden wird, allein durch die Darstellung. Je nach dem, was ich betone oder eher hinten anstelle, kann ich die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Entscheidung zu erreichen, stark erhöhen (oder auch verringern). ich habe in meiner 30-järigen Laufbahn sehr selten Projektentscheidungen erlebt, die nicht der Empfehlung der Fachleute entsprachen - besonders wenn sich objektiv pro und contra die Waage hielten, oder wo es um von den Managern nicht ganz verstandene Details ging.

Man ist als Fachmann kein Verantwortungsträger im juristischen Sinne, aber faktisch trägt man eine enorme Verantwortung mit, insbesondere weil "höhergestellte" Entscheider sich auch häufig keine Zeit mehr nehmen, sich mit Nuancen oder Details zur Differenzierung zu befassen, wenn mal eine Entscheidung gefällt wurde, die evtl. aus technischer (wissenschaftlicher) Sicht nicht gut begründbar ist. Und wenn die Entscheidung falsch war, dann ist wieder der Fachmann der dumme, der es verbockt hat...

Hafu 22.09.2020 17:21

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1553985)
...seine Naivität. Als er über die Sitzung im März und die darauffolgenden Schulschließungen spricht sagt er, dass er zu keiner expliziten Maßnahme geraten habe. Andererseits führt er an, dass er die wichtige Rolle von Kindern während der Influenza-Pandemie 1918 betont habe. Mit solch einer Analogie zu einem anderen Virus hat er implizit eine Empfehlung abgegeben: macht die Schulen dicht, sonst droht 1918. ....

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553990)
...
Man ist als Fachmann kein Verantwortungsträger im juristischen Sinne, aber faktisch trägt man eine enorme Verantwortung mit, insbesondere weil "höhergestellte" Entscheider sich auch häufig keine Zeit mehr nehmen, sich mit Nuancen oder Details zur Differenzierung zu befassen, ...

Der Einwand ist berechtigt, aber ich halte Drosten für viel zu intelligent, als dass er sich nicht ganz bewusst ist, wie die Dinge, über die er im Podcast redet von der Öffentlichkeit und auch von der Politik aufgenommen werden. Drosten ist keineswegs nur Fachidiot für SARS-Viren und Labordiagnostik, sondern versteht durchaus viel von Kommunikationsprozessen und von sehr viel anderen Dingen, bei denen er in seinem Podcast, wenn er sie streift, stets kokettierend hinzufügt, dass er "davon nichts versteht" und "sich andere Leute viel besser auskennen würden."

Auch wenn er es im oben verlinkten aktuellen Text nicht direkt zugibt: als er im März über die Studie von 2018 gesprochen und indirekt Schulschließungen empfohlen hat, war ihm mit Sicherheit klar, dass die Politik früher oder später dieser Empfehlung folgen würde.

Er hat das Thema Schulschließung damals bewusst thematisiert, weil er es einerseits intuitiv für richtig hielt, die Schulen vorübergehend zu schließen, andererseits ihm diese sehr alte Studie der Spanischen Grippe zugespielt wurde, mit der er die Empfehlung wissenschaftlich begründen konnte und später erschienene Studien (unter anderem auch seine eigene zur Viruslast bei Kindern) haben die Entscheidung der Schulschließungen im Nachhinein als richtig bestätigt.

Kurz zusammengefasst: Drosten ist nicht naiv, kennt seinen Einfluss auf die Meinungsbildung in dieser Pandemie sehr genau, aber es ist trotzdem falsch, ihn für als unbequem empfundene Entscheidungen direkt verantwortlich zu machen, wie es sehr viele tun.
Er informiert und empfiehlt (nie ohne Begründung und nie ohne genau darzulegen, wie stabil seine Aussagen durch wissneschaftliche Studien abgesichert sind), aber Entscheidungen treffen in Deutschland (anders als z.B. in Schweden) stets die Politiker. Und diesen steht es frei, vor jeder Entscheidung in der Pandemie auch noch zusätzlich andere Experten zu rate ziehen, was ja bekanntlich auch gemacht wurde und wird.

aequitas 22.09.2020 17:51

Zitat:

Zitat von Hafu (Beitrag 1554028)
Kurz zusammengefasst: Drosten ist nicht naiv, kennt seinen Einfluss auf die Meinungsbildung in dieser Pandemie sehr genau, aber es ist trotzdem falsch, ihn für als unbequem empfundene Entscheidungen direkt verantwortlich zu machen, wie es sehr viele tun.

Davon will ich auch ausgehen, da der Mann nicht ohne Grund seine aktuelle Position innehält. Aber trotzdem lässt er diese Haltung, die ich oben skizziert habe, regelmäßig durchkommen, weshalb ich ihm Naivität/Arroganz unterstellt habe. Aber es ist relativ unsinnig über die Person Drosten zu diskutieren, da es doch um die Sache/Inhalte gehen sollte - hier stimme ich ihm ja auch oft/meistens zu, wenn ich ihn in seiner Kommunikation auch kritisiere. Mir ist es in diesem Interview nur stark ins Auge gestochen.

Es geht auch nicht darum ihm für etwas die Verantwortung zuzuschieben. Es ist nur trotzdem wichtig darauf hinzuweisen, dass Wissenschaft(skommunikation) nie wertneutral ist, sondern immer durch (Forschungs-/Politik-/Eigen-)Interessen bewegt wird. Dieser Rolle ist sich Drosten sicherlich in großen Teilen klar, wenn auch gerade in den Naturwissenschaften oft die Meinung vertreten ist, dass Forschung immer werneutral zu sein habe - was jedoch unmöglich ist, gerade vor dem aktuellen Hintergrund einer Pandemie und den realpolitischen Folgen von virologischer/epidemiologischer Forschung.

Nach wie vor vermisse ich einen interdisziplinären Austausch, der gesellschaftlich wahrnehmbar ist. Oft ist das virologische Argument in einer Diskussion das letzte, statt weitere Sichtweisen einzubeziehen. Im Laufe der Pandemie hat es sich zwar verbessert, aber der Fokus ist trotzdem noch da (bspw. Zahl der Neuinfizierten und Diskussionen).

Zur Kinder-Studie: vielleicht habe ich es auch verpasst und sollte dazu wieder etwas lesen, dennoch gehe ich noch davon aus, dass Viruslast zwar ein Faktor ist, jedoch aufgrund weiterer Faktoren nicht so schwer ins Gewicht fällt wie im Falle der Rolle von Kindern in der Grippe. Das war mein letzter Stand der Diskussion. Eine erneute weitreichende Schulschließung darf es ohnehin nicht geben, da die gesellschaftlichen Folgen davon m.M.n unverhältnismäßig groß sind.

LidlRacer 22.09.2020 18:39

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1554031)
Eine erneute weitreichende Schulschließung darf es ohnehin nicht geben, da die gesellschaftlichen Folgen davon m.M.n unverhältnismäßig groß sind.

Das wollen ja auch alle möglichst verhindern. Dennoch kann man es nicht völlig ausschließen, wenn die Zahlen weiter aus dem Ruder laufen.

Ich verstehe Drosten auch keineswegs so, dass die erste Schulschließung falsch war.
Damals musste einfach eine Notbremsung durchgeführt werden, und es gibt wohl keinen Zweifel mehr, dass Kinder infiziert werden und andere infizieren können.

tandem65 23.09.2020 08:11

@schwarzfahrer

hier mal eine erste Kostprobe weshalb sich Unternehmen eigene scharfe Corona-Verhaltensregeln gönnen könnten.
Und weshalb sich auch Regierungen vielleicht für Regelungen entscheiden die nicht für jeden Sinnvoll erscheinen.


Klage auf Schadenersatz von Ischgl Touristen

Natürlich ist das noch nicht entschieden, ich habe aber nur darauf gewartet.

Helmut S 23.09.2020 08:29

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1554077)
hier mal eine erste Kostprobe weshalb sich Unternehmen eigene scharfe Corona-Verhaltensregeln gönnen könnten.

Mein Horror ist, dass Mitarbeiter, die meinen sich nicht an die geltenden Regeln halten zu müssen oder einfach unvorsichtig sind, das Virus in die Firma tragen. Wir hatten bisher zwei MA mit Symptomen - Gott sei Dank war der Test jeweils negativ. Aktuell ist noch ein MA mit ner AU und Symptomen Zuhause - Testergebnis steht noch aus.

Wir sind eine kleine Firma. Man kann davon ausgehen, dass wir alle bzw fast alle Kontaktpersonen wären, d.h. im worst-case sperrt mir das Gesundheitsamt für x Tage die Firma zu. Das wäre ein mittlerer Albtraum. Jetzt wo wir bisher so gut durch die Krise gekommen sind.


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