triathlon-szene.de |  Europas aktivstes Triathlon  Forum

triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum (https://www.triathlon-szene.de/forum/index.php)
-   Politik, Religion & Gesellschaft (https://www.triathlon-szene.de/forum/forumdisplay.php?f=30)
-   -   Bundestagswahl 2017 (https://www.triathlon-szene.de/forum/showthread.php?t=40677)

Nobodyknows 21.02.2018 08:38

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1363013)
Dass sich solche Meldungen wie die, die angeblich von einer Heidi Langer im Internet so verbreiten können, liegt doch wahrscheinlich nicht zuletzt auch daran, dass sie eben auf nährstoffreichen Boden fallen.
Wir haben wohl eine relativ breite Gruppe, die sich selbst sehr weit unten stehend sieht, was die soziale Stellung angeht.

Die epidemieartige Ausbreitung von offenen Briefen an die Kanzlerin ist auch dem technischen Fortschritt in Form von Internet und sozialen Netzwerken geschuldet.

Was konnte der "kleine Mann" bis in die 1990er-Jahre hinein machen um eine als Missstand empfundene Situation öffentlich und mit größerer Reichweite zu beklagen?
Er schrieb einen Leserbrief an die Tageszeitung oder die Wochenzeitschrift.
Ein Redakteur schaute sich diesen Brief an und veröffentlichte ihn (ggf. gekürzt) oder warf ihn weg (wenn der Brief so beknackt war wie der von Frau Langer oder wenn es schon mehrere veröffentlichte Leserbriefe zu einem Thema gab).

Heute haut jeder (einschließlich mir) sein Schei* ungefiltert auf seiner Webseite, seinem Blog oder in den sozialen Netzwerken raus. Da steht es dann nun und trifft -je nach Auge des Betrachters- auf Zustimmung oder ungläubiges Kopfschütteln und verselbständigt und verbreitet sich gegebenenfalls.

Die Demokratisierung des Internet, die Möglichkeit, dass heute Jedermann, egal ob Misanthrop, chronisch Boshafter oder populistischer Rattenfänger zum Herausgeber wird ("everyone's a publisher"), hat wie man sieht auch seine Schattenseiten. Und da ist noch nicht an Bots, Fake News und andere Manipulationsversuche gedacht.

Gruß
N. :Huhu:

Muddin 21.02.2018 08:38

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1363013)
Dass solche Meldungen wie die, die angeblich von einer Heidi Langer stammt, sich im Internet so verbreiten können, liegt doch wahrscheinlich nicht zuletzt auch daran, dass sie eben auf nährstoffreichen Boden fallen.
Wir haben wohl eine relativ breite Gruppe, die sich selbst sehr weit unten stehend sieht, was die soziale Stellung angeht.

Aber genau das sehe ich irgendwie das Problem. Die Gruppe "die sich sehr weit unten stehend sieht" versteht i. d. R. nicht, dass geflüchtete tatsächlich größtenteils Hilfe benötigen. Man sieht nur, dass da Leute kommen die plötzlich vom Staat überdurchschnittlich unterstützt werden. Aber die Frage ist: Was erwartet die "Gruppe weit unten"?
Folglich entsteht schnell Hass durch Neid, welcher oft auch schnell in Gewalt umschlagen kann.

Wir haben in Deutschland genug Leidensgeschichten, genug Leute die vom Pech verfolgt wurden, genug Leute die durch einen Schicksalsschlag alles verloren haben, genug Leute die sich den Arsch aufreißen und trotzdem nicht aus der Unterschicht heraus kommen.
Trotzdem gibt es einfach keine Pauschallösung für diese Probleme. Es wird immer gefordert, dass der Staat mehr unterstützen soll, die Reichen mehr abgeben usw.

Aber konkrete Pläne die in der Realität umsetzbar sind gibt es einfach nicht. Deswegen entstehen solche Texte (Wahrheit oder Fiktion) die natürlich viel Zuspruch finden. Aber wie immer steckt da eher die Allgemeine Unzufriedenheit dahinter und nicht der Wille etwas zu ändern.

keko# 21.02.2018 09:02

Zitat:

Zitat von Muddin (Beitrag 1363028)
Aber genau das sehe ich irgendwie das Problem. Die Gruppe "die sich sehr weit unten stehend sieht" versteht i. d. R. nicht, dass geflüchtete tatsächlich größtenteils Hilfe benötigen. Man sieht nur, dass da Leute kommen die plötzlich vom Staat überdurchschnittlich unterstützt werden. Aber die Frage ist: Was erwartet die "Gruppe weit unten"?

Ich glaube, man denkt zu kurz, wenn man in Kategorien wie "die da unten" und "sie verstehen nicht" denkt.

qbz 21.02.2018 09:15

Zitat:

Zitat von Muddin (Beitrag 1363028)
.....
Aber konkrete Pläne die in der Realität umsetzbar sind gibt es einfach nicht.
....

Es gibt schon konkrete Vorschläge, wie die deutsche Gesellschaft sozial gerechter gestaltet werden kann und die vom Neoliberalismus zu einer sozialen Marktwirktschaft führen. Sie finden leider bei Wahlen halt keine Mehrheiten.

So verkaufte die Stadt Berlin z.B. im Privatisierungswahn in den vergangenen 25 Jahren viele städtischen Immobilien über einen Liegenschaftsfonds und privatisierte marktbeeinflussende Wohnungsbaugesellschaften. Sogar Rathäuser zogen komplett in angemietete Büros. Proteste und Warnungen vor den Folgen einer solchen Privatisierung für die Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt blieben ungehört und wurden übelst diskreditiert, auch in den Medien, welche damals die Privatisierung auf dem Wohnungsmarkt als alternativlos darstellten und unterstützten. Die gleichen Politiker, welche alles verkauften (z.T. an Immo-Firmen aus dem gleichen Parteienlager), beklagen heute das Fehlen von Grundstücken für den sozialen Wohnungsbau und die Spekulation, die sie selbst mit dem Verkauf des Gemeineigentums befeuerten.

keko# 21.02.2018 09:24

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1363041)
Es gibt schon konkrete Vorschläge, wie die deutsche Gesellschaft sozial gerechter gestaltet werden kann und die vom Neoliberalismus zu einer sozialen Marktwirktschaft führen. Sie finden leider bei Wahlen halt keine Mehrheiten.Spekulation, die sie selbst mit dem Verkauf des Gemeineigentums befeuerten.

Dass die sozialen Parteien in fast ganz Europa massive Schwierigkeiten haben (wie die SPD in DE) und Wähler an die Ränder springen, hängt auch damit zusammen, dass der Glaube an einen sozialen Aufstieg oder an sozialer Gerechtigkeit schwindet. Das verstehen "die da unten" ziemlich fix.

captain hook 21.02.2018 09:32

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1363036)
Ich glaube, man denkt zu kurz, wenn man in Kategorien wie "die da unten" und "sie verstehen nicht" denkt.

Das seh ich auch so.

Und wer wird überdurchschnittlich unterstützt und wer legt fest, dass das so ist. Ich musste mal ne zeitlang an so einer Unterkunft öfters vorbei, wo man im EG reinschauen konnte. Von Palästen und erster Welt war das weit entfernt. Eigentlich unvorstellbar, wie übel es bei denen zuhause sein muss, dass sie bei sowas nicht sofort auf dem Absatz umdrehen und wieder zurückgehen.

Logisch, in D ist natürlich jeder glücklich über Massenunterkunft mit 4-6 Leuten auf 20m², Sammelduschen und WC... voll überdurchschnittlich. Frau Langer würde da bestimmt auch gerne wohnen.

Über den Sport kenne ich ein paar Syrer, die sehr lange in so einer "Einrichtung" wohnen durften. Man war das ein Luxus.

Man muss nicht abstreiten, dass es sicher auch andere Beispiele gibt. Diese zeigt man insbesondere den Betroffenen immer und immer wieder. Wäre ja auch blöd wenn man neutral berichten würde, dass es so oder so sein kann. Nein... alle Flüchtlinge haben Luxus, bei uns lässt man alle zurück.

schnodo 21.02.2018 09:38

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1363036)
Ich glaube, man denkt zu kurz, wenn man in Kategorien wie "die da unten" und "sie verstehen nicht" denkt.

Ich meine auch, dass "die da unten" die Verachtung derer spüren, die sich für die geistige Elite halten. In der Folge sind sie nicht mehr bereit, den von der selbsternannten Intelligenzija ausgegebenen Stillhalteparolen zu folgen.

Die Verwirrung der traditionellen Meinungsführer merkt man schon daran, dass sie sich nicht entscheiden können, ob nun die Nazis, Putin, Trump oder die Chinesen Schuld daran haben, dass die ungewaschene Masse nicht mehr folgen will.

Auf die Idee, dass alle genannten nur am Rand etwas damit zu tun haben könnten, und man sich mal an die eigene Nase fassen könnte, kommen die Wenigsten. Schließlich hat man ja Recht und ist moralisch und intellektuell überlegen; das muss der Pöbel doch nur begreifen. ;)

captain hook 21.02.2018 09:51

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1363042)
Dass die sozialen Parteien in fast ganz Europa massive Schwierigkeiten haben (wie die SPD in DE) und Wähler an die Ränder springen, hängt auch damit zusammen, dass der Glaube an einen sozialen Aufstieg oder an sozialer Gerechtigkeit schwindet. Das verstehen "die da unten" ziemlich fix.

Abgesehen davon verstehen sich sehr viele Leute als "da unten" . Sogar Leute denen es rational gesehen extrem gut geht. Ich kenne viele Leute die sich selbst dort ansiedeln, die verdienen real eine sch***ß Kohle. Die sehen allerdings immer die dicken AMGs auf der Straße, können sich kein Penthouse in NYC leisten und Urlaub im Adlon wie bei denen im Fernsehen ist auch nicht drinn.


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 07:16 Uhr.

Powered by vBulletin Version 3.6.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.