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Schwarzfahrer 19.05.2020 21:26

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1533507)
Ich denke du hast nicht verstanden, dass es mir um das Argumentationsschema für einen Eingriff in Grundrechte geht. Um dieses Argumentationsschema intellektuell zu durchdringen, ist jedes Lehrbeispiel gut. Vor allem eines, welches das BVerfG genau so durchgezogen hat. Wenn du magst nimm auch die Gurtpflicht. Auch sehr lehrreich. Es gibt aber auch zich andere.

O.k., Dir geht es um eine Argumentation, wie sie auch das Verfassungsgericht verfolgen würde. Diese juristische Betrachtung hatte ich nicht vor Augen, eher nur Gedanken der Verhältnismäßigkeit - wie viele Menschen werden beeinträchtigt, um wie vielen zu helfen. Damit komme ich wahrscheinlich öfter zu anderen Schlüssen, als die juristische Betrachtung.
Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1533507)
Das Flugzeugbeispiel war kein Beispiel in dem von dir vermuteten Sinne. Es war und ist ein Beispiel dafür, wie das BVerfG argumentiert, dass der Staat eben NICHT in das Grundrecht auf Leben eingreifen darf.

Speziell dieses Urteil hat mich nie ganz überzeugt. Ich finde, der Staat darf im Sinne einer Verantwortungsethik sehr wohl in jedes Grundrecht eingreifen, wenn eine Abwägung des Nutzens ausreichend schwer wiegt.
Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1533507)
Es ist also beileibe nicht so, wie qbz uns glauben machen will, dass das Recht auf Leben per se eine Rechtfertigung für allerlei Maßnahmen darstellt.
Wer also versucht über das Recht auf Leben zu argumentieren, der muss darlegen, dass hier der Grundrechtseingriff in die persönliche Freiheit einer ganzen Bevölkerung in Ordnung ist. Es reicht nicht nur über Grundrechtseingriffe bei einer einzeln Person zu argumentieren und dies dann über die Bevölkerung zu "stülpen".

Klingt einleuchtend, da bin ich dabei.
Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1533507)
Das Beispiel mit dem Luftsicherheitsgesetz ist übrigens noch aus einem weiteren Grund spannend: Es zeigt - nicht besonders intuitiv - dass Menschenleben nicht gegeneinander aufzuwiegen sind. Auch nicht 120 gegen 60.000. Und auch nicht aus anderen Gründen. Stichwort: Triage. Evtl. ist auch das ein Argumentationsweg? :Blumen:

Das widerspricht tatsächlich meinem "Gerechtigkeits-Gefühl" - auch wenn es juristisch plausibel sein kann. Auch Triage ist eine nie ganz zu vermeidende Lebensrealität, dem z.B. jeder Arzt bereits bei einer Massenkarambolage ausgesetzt werden kann - das muß immer möglich sein, also ist es sinnvoll, sich über Kriterien dafür klar zu werden, statt heuchlerisch so zu tun, als ob man die Macht hätte, die Situation grundsätzlich zu vermeiden.

tandem65 19.05.2020 21:44

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1533299)
Und diese Programme zahlen wir alle zusammen aus unseren zukünftigen Steuergeldern, auf Kosten der "normalen" Staatsausgaben. Der Schaden ist eben höher, als nötig gewesen wäre.

Woher hast Du das Wissen über Zahlen ohne Lockdown.
Das Wirtschaftsleben wäre ja ohne Lockdown auch nicht einfach normal weitergelaufen.
Ja natürlich, die Kosten müssen wir alle zusammen tragen. Egal durch welche Maßnahmen sie entstehen, ob durch zu harte, zu weiche oder wohldosierte.

tandem65 19.05.2020 21:49

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1533315)
Vicky hatte behautet, dass unsere Grundrechte nicht einmal im ANsatz eingeschränkt wurden. :

Lesekompetenz ist ja traditionell mangelhaft bei Dir. Nein das hatte sie nicht behautet.

Klugschnacker 19.05.2020 22:38

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1533507)
Das Beispiel mit dem Luftsicherheitsgesetz ist übrigens noch aus einem weiteren Grund spannend: Es zeigt - nicht besonders intuitiv - dass Menschenleben nicht gegeneinander aufzuwiegen sind. Auch nicht 120 gegen 60.000. Und auch nicht aus anderen Gründen. Stichwort: Triage. Evtl. ist auch das ein Argumentationsweg? :Blumen:

Entschuldigung, wenn ich kurz reingrätsche, aber hier stimmt etwas nicht.

120 Insassen eines Flugzeugs, welches auf ein Stadion mit 60.000 Personen gelenkt wird: Hier ist es so, dass die 120 Insassen in jedem Fall sterben, ob man das Flugzeug nun abschießt oder nicht. Entweder sterben sie beim Abschuss oder beim Absturz ins Stadion.

Folglich gibt es da facto keine Abwägung "120 Menschen oder 60.000 Menschen". Die Abwägung bezieht sich nur auf ein paar Minuten längeres Leben für 120 Menschen, gegenüber dem Leben von 60.000 Menschen.

Wer seine Sinne beisammen hat, wird das Flugzeug abschießen. So bitter das auch sein mag.

Vicky 19.05.2020 22:43

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1533575)
Entschuldigung, wenn ich kurz reingrätsche, aber hier stimmt etwas nicht.

120 Insassen eines Flugzeugs, welches auf ein Stadion mit 60.000 Personen gelenkt wird: Hier ist es so, dass die 120 Insassen in jedem Fall sterben, ob man das Flugzeug nun abschießt oder nicht. Entweder sterben sie beim Abschuss, oder beim Absturz ins Stadion.

Folglich gibt es da facto keine Abwägung "120 Menschen oder 60.000 Menschen". Die Abwägung bezieht sich nur auf ein paar Minuten längeres Leben für 120 Menschen, gegenüber dem Leben von 60.000 Menschen.

Wer seine Sinne beisammen hat, wird das Flugzeug abschießen. So bitter das auch sein mag.

Halt halt... das ist ein Klassiker und war schon mal Examensfall. Deshalb kennen das viele Juristen. Das Bundesverfassungsgericht musste das entscheiden.
Kurzfassung: nein das Flugzeug darf nicht abgeschossen werden.

Zitat:


Die Ermächtigung der Streitkräfte, gemäß § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsgesetzes durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, ist mit dem Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit davon tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen werden.
BVerfGE 115, 118 - 166

merz 19.05.2020 22:49

Als es noch Theater gab, war das der Knaller der Saison, Schirach, Terror - Entscheidung unter Unsicherheit: die handelnden Personen wissen nicht mit Sicherheit, was die Lage ist und wie sie sein wird (komisch das erinnert mich irgendwie an die reale Welt, auch vor Corona)

m.

Update: Vicky hat natürlich recht, offenbar argumentieren die Juristen nicht so, sondern philosophisch gesehen mit Selbstzwecklichkeit (komisches Wort, aber große Idee) - also ist ein Abschuss auch bei angenommen sicheren tödlichen Verlauf so gesehen nicht statthaft, sry, habe zu utilitaristisch, einseitig gedacht (oder eher nicht gedacht)

NBer 19.05.2020 23:19

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1533575)
...... Hier ist es so, dass die 120 Insassen in jedem Fall sterben, ob man das Flugzeug nun abschießt oder nicht. Entweder sterben sie beim Abschuss oder beim Absturz ins Stadion.......

und genau das kann man eben nicht wissen. überlegt es sich der terrorist im letzten augenblick anders? ist es nur eine drohgebärde? wird die kabine gestürmt? geht dem flügzeug kurz vorm stadion der sprit aus? hat es einen defekt? ist der terrorist überhaupt in der lage das flugzeug so punktgenau runterzubringen?.....fragen über fragen......
das man es im ernstfall vielleicht selbst machen und mit den strafrechtlichen konsequenzen leben würde, aber im bewusstsein viele viele menschen gerettet zu haben......das steht auf einem völlig anderen blatt.

JENS-KLEVE 20.05.2020 00:12

In dem Zusammenhang gab es ein einleuchtendes Beispiel mit einem Zug , das ging ungefähr so:

Du sitzt in der Leitstelle und siehst, dass ein vollbesetzter Zug ins Verderben rast. Du kannst eine weiche am PC Umstellen, Und der Zug überfährt stattdessen 2 Bauarbeiter auf der Brücke, die keine Chance haben zu entkommen und sterben werden. Arne und die meisten anderen Menschen würden den Knopf drücken, weil sie Menschenleben retten wollen, rational handeln und Humanisten sind. Jetzt kommt es leider anders: Der Zug wurde bereits umgelenkt und die Bauarbeiter gewarnt, du bist bei Ihnen. Sie wollen aber nicht runterklettern, weil sie zu fett sind und Klammern sich panisch an die Gleise . Der Zug droht zu entgleisen. Du hast ein TaschenMesser dabei und müsstest beide fetten Bauarbeiter bestialisch abstechen und runter schmeißen um den Zug zu retten, du hast genug Zeit. Rational müssten jetzt die gleichen Leute es wie bei der weiche tun, macht aber niemals jemand von uns. Hoffe ich.


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