Zitat von Hafu
(Beitrag 1516476)
Mit "schwieriger Rückkehr zu einer gewissen Normalität" meine ich, dass es für Entscheidungsträger schwierig ist, schlüssig zu begründen, warum man z.B. ein Schwimmbad oder eine öffentliche Bibliothek bei 3500 bekannten Infekten schließt und 4 Wochen später bei dann z.B. 40 000 Infekten verteilt auf ganz Deutschland und bis dahin vermutlich 200 Covid-19-bedingten Todesfällen wieder öffnet.
Die Zahlen sind jetzt etwas willkürlich gewählt, aber wenn wir in 4 Wochen bei "nur" so vielen bzw. so wenigen Infizierten liegen würden, dann hätten wir trotz der scheinbaren Verzehnfachung gegenüber dem aktuellen Zustand alles richtig gemacht, die Infekt-Kurve wäre verflacht und unser Gesundheitssystem könnte eine derartige Zahl noch gut handhaben.
Bei fast allem, was du oben geschrieben hast, stimme ich dir zu: natürlich muss man jetzt handeln und nicht erst in 4 Wochen. Aber die wichtigsten Maßnahmen (Versammlungsbeschränkungen, Absage/ Verbot von Großveranstaltungen, Schließen von hoch frequentierten Clubs, befristete Kita-Schließungen und Schulschließungen (mit Ausnahmeregeln für Kinder systemwichtiger Berufsgruppen) sind meiner Meinung nach jetzt auch schon ergriffen worden.
Viel mehr Verbote braucht es meiner Meinung nach erstmal nicht und was die jetzt beschlossenen, sinnvollen Maßnahmen bringen, werden wir frühestens in 10-14 Tagen erfahren.
Wenn der exponentielle Anstieg der Infektzahlen in den nächsten paar Tagen ungebremst weitergeht (und das wird er wahrwscheinlich tun), heißt das nicht, dass die in den letzten Tagen beschlossenen Maßnahmen wirkungslos sind, sondern es heißt erst mal nur, dass die zuletzt beschlossenen Maßnahmen zu spät in Kraft getreten sind, denn wir sehen in der Statistik überwiegend die Infekte die vor 10 bis 14 Tagen entstanden sind. Man hätte (ich wiederhole mich) schon vor 4 Wochen Faschingsveranstaltungen absagen können und müssen; man hätte schon damals die Bundesliga-Spiele ohne Publikum stattfinden lassen können.
Meine Befürchtung ist, dass jetzt in den nächsten Tagen jeder verantwortliche Politiker nervös auf die RKI-Zahlen schaut (so wie ich das schon seit 5 wochen mache) (und die Presse natürlich erst recht) und nach jedem vermeldeten Anstieg sich unter Handlungsdruck gesetzt fühlt, zusätzliche restriktive Maßnahmen zu verhängen ( wie z.B. Ausgangsverbote wie in Italien und neuerdings auch Spanien bzw. unnötige Betriebsschließungen), die mehr schaden als nutzen.
Man darf nicht vergessen: unsere Mortalitätsziffer ist vermutlich auch deshalb so niedrig, weil wir das reichste Land in Europa sind, mit dem teuersten, vermutlich aber auch bestem Gesundheitssystem. Damit wir uns dieses Gesunheitssystem auch weiterhin in der Krise leisten können und auch z.B. jedem Sozialhilfeempfänger den 250,- € teuren Coronavirus-Test finanzieren können und diesen auch für 3000,-€ pro Tag auf eine intensivstation legen können, wenn es medizinisch erforderlich ist (was in nahezu allen anderen Ländern undenkbar ist), brauchen wir auch weiterhin eine gesunde Wirtschaft.
Und diese gesunde Wirtschaft hängt nicht nur von den Großbetrieben wie VW, BMW, Mercedes, Bayer usw. ab, sondern eben auch maßgeblich vom Mittelstand und auch vom kleinen Friseurbetrieb, der Backstube um die Ecke.
Deshalb halte ich es für durchaus legitim, bei jeder Maßnahme vorher möglichst genau zu hinterfragen, welchen Nutzen sie in Bezug auf die Infekteindämmung hat (entsprechende Antworten sollten Epidemiologen und Virologen geben) und zusätzlich auch vorher zu erfragen, welchen (wirtschafltichen) Schaden man mit dieser Maßnahme anrichtet (auch diese Fragen kann kein Politiker selbst beantworten, sondern muss er eben andere Experten befragen).
Statt z.B. ein Cafe komplett zu schließen (wie es in Italien und Österreich verfügt wurde), könnte man auch die maximale Personenanszahl (relativ zur Quadratmeterzahl) limitieren, so dass z.B. jeder Gast an einem eigenen Tisch sitzt und damit vermutlich denselben Effekt (weniger Infekte durch direkten Kontakt) erreichen wie mit einer kompletten Schließung.
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