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Mental besonders starke Athlet*innen - Ein Mythos?
Immer mal wieder gibt es in der öffentlichen Diskussion (Ausdauer)-Athlet*innen denen eine besondere Härte nachgesagt wird, die besonders in dem Ruf stehen, sich quälen- ja
besonders „tief gehen“ zu können Im Triathlon würde wohl keine Diskussion vorüber gehen, ohne das sicher Lionel Sanders in dem Zusammenhang genannt wird. Und Christian Blummenfelt, der auf den blauen Teppich in Tokio reiherte, hat sich ins kollektive Sportler-Gewissen eingebrannt. In Hawaii musste er ja auch weggetragen werden aus der Zielzone gleich ins Sanizelt. Klar ist einerseits, dass man noch so stahlhart in der Birne sein kann: Wenn die Laktatbildungsrate, VO2max und FTP nicht stimmen, wird einem das wenig helfen. Andererseits spielt das Mentale sicher bei sehr langen Wettkämpfen eine Rolle (Aber auch bei sehr sehr kurzen, wie jeder Sprinter oder Gewichtheber bestätigen wird!) Was ich mich frage: Sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Athet*innen da wirklich so groß, wie sie teilweise scheinen ? Oder lassen wir uns vielleicht von einer gewissen Außendarstellung blenden, und unterschätzen introvertierte Athleten ? Würde einem als mental besonders harter Athlet z.B. Timo Bracht einfallen, der immerhin über 10 Ironman-Siege auf der Agenda hat, darunter die großen WK wie Frankfurt, Lanzarote und Roth und auf Hawaii, das ihm nicht gerade lag, immerhin 6 Top10 Platzierungen ? Oder war der einfach nur physisch sehr stark , aber halt keine „Kampfmaschine“ ? Der mental stahlharte Sanders hingegen setzt gefühlt jedes zweite Rennen gewaltig in den Sand und läuft dann unter ferner liefen in der Ergebnisliste. (Gut, in der Eistruhe hat er sich als ziemlicher Softie enttarnt :Cheese: ) Anne Haug wird auch immer eher als tolle Läuferin aber nicht als extreme Kämpferin gelobt, obwohl für ihre Erfolge sicherlich nötig war. Liegt vielleicht daran, wie sie im interview rüberkommt ? Von meinem Eindruck wurde Iden auch mental eher unterschätzt, zumindest wäre meine Vermutung, wenn man vor Hawaii eine suggestive Umfrage gemacht hätte, ob sich der mental stärkere Blummenfelt gegen den guten aber softeren Iden durchsetzt, wäre das mehrheitlich bejaht worden. Würde man Currie, O Donnell, McNamee, Hoffmann und Aernouts als mental besonders starke Athleten auf der Liste haben , immerhin alles Podiumsplatzierte in Hawaii, „dem härtesten Triathlon der Welt“ ? Mich würden Meinungen dazu interessieren. Vielleicht ist meine Wahrnehmung ja auch falsch oder nicht Mainstream. :Blumen: |
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Dumme Frage!
Natürlich macht das Mentale einen Unterschied. Überall da wo es um Entscheidungen geht, wo „Unwohlsein“ billigend in Kauf genommen werden muss, um ein Ziel zu erreichen. Natürlich kann ein Fußballer auch in der 95ten noch einen Sprint hinlegen um eine Torchance des Gegners zu verhindern, aber er muss eben bereit sein zu leiden. Im Ausdauersport werden diese Entscheidungen fast immer im Training getroffen. Zieh ich die Einheit durch? Fahre ich auch das letzte Intervall aus oder bin ich nicht bereit meine Grenze zu verschieben auch wenn ich dann vielleicht nach Hause kriechen muss. Ob ich dieses mentale dann nach außen verkaufe oder nicht, entscheidet dann eben jeder für sich. |
Man müsste das mal ein wenig eingrenzen. Geht es um die Härte mit der man sich selbst in die Fresse hauen kann wie Sebi das immer sagte? Oder insgesamt um Disziplin, auch im Training? Leidensfähigkeit?
Finde ich auch sehr interessant. Es gab Zeiten da hab ich mich nur außerhalb der Komfortzone wohl gefühlt bzw gab es mir ein gutes Gefühl Leistung zu erbringen, mittlerweile wird es immer schwieriger sie zu verlassen. Noam seit wann hast du dir diesen ruppigen Umgang angewöhnt? "Dumme Frage?" Hast du nicht erst kürzlich noch ein Plädoyer für Meinungsaustausch gehalten in einem anderen Faden? |
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Ich mache mir über dieses Themenfeld immer wieder Gedanken und finde es interessant. Aus meiner Sicht ist das Mentale ("Leidensbereitschaft") wichtig, wird aber auch oft überschätzt und dramatisiert.
Wie man mentale Stärke bei anderen Personen feststellen und beurteilen kann, finde ich generell schwierig. Ist ein Athlet, der sich im Ziel theatralisch auf den Boden fallen und wegtragen lässt, besonders leidensfähig? Oder ist er genau das nicht, sonst würde er die paar Schritte zum nächsten Stuhl noch schaffen? Sind die Leute, die hinter dem Zielbogen auf der Erde liegen die Harten, oder eher jene, die noch auf den eigenen Beinen stehen und den anderen aufhelfen? Leidensfähigkeit und Theatralik sind leicht zu verwechseln, da kann ich die Gedanken von Atracis schon nachvollziehen. :Blumen: |
Rein mathematisch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich in einem 8h Rennen so auf den Punkt auspowert, dass man es bis zum Ziel schafft, aber keine 5m weiter gleich 0.
Man muss fragen was einen antreibt sich so etwas anzutun, und das wird auch bei den Pros nicht nur Leidenschaft und Geld sein, sondern ganz menschlich auch Suche nach Anerkennung und Selbstwert. |
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Wenn Du Dir Marathonrekorde anschaust, sehen die Leute im Ziel i.d.R. so aus, als könnten sie direkt noch einen Marathon dranhängen. Dem scheint zwar mein eigener subjektiver Eindruck zu widersprechen, dass ich selbst direkt nach dem Marathon- oder Langdistanzziel wirklich nicht mehr laufen und auch nur mit Schwierigkeiten gehen kann, auch wenn ich vorher nicht signifikant langsamer geworden bin, aber wäre das Ziel einen oder fünf km weiter gewesen, hätte ich auch bis dort hin laufen können. Komische Sache! :Lachen2: Im Übrigen finde ich die häufig gehörte Aussage, es habe der gewonnen, der es am meisten wollte (also ungefähr gleichbedeutend mit "der mental stärkste") i.d.R. auch nicht realistisch. Dass z.B. Sanders jetzt in Kona übel abgeschnitten hat, wird sicher nicht an mangelnder mentaler Stärke gelegen haben. (Weiß nicht, ob es dafür inzwischen ne Erklärung gibt.) |
Normalerweise schützt einen der eigene Körper davor, bis in den Kollaps zu laufen, mit allerlei Warnzeichen. Zum Beispiel mit Kopfweh und ähnlichem.
Man kann sich dann, wenn man es erkennt, und die meisten Athleten kennen ihren Körper ja gut, entscheiden, etwas Tempo herauszunehmen, oder die Warnzeichen zu übergehen. [Auf die Art war ich auch schon kotzend hinter der Ziellinie, allerdings ohne das Rennen zu gewinnen ;) , als ich die Anzeichen noch nicht so gut erkennen konnte . Daher entscheide ich normalerweise für "mach mal langsamer, besser kühlen, besser ernähren ... " ] Es gibt auch Athleten, die behaupten, diese Gefühle und Ereignisse nicht zu kennen. Vielleicht sind das die, die sich "nicht richtig quälen können?" ... wer weiß. |
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Ist mir vielleicht in meinem Eingangspost nicht genügend gelungen, das klar zu formulieren, vielleicht können wir die Frage (und auch die Antworten ;)) ja im Verlauf der Diskussion noch etwas mehr differenzieren. :Blumen: |
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Wichtiger sehe ich diese 3 Dinge: 1. Die Motivation/die Ziele, die man hat. Ein Frodeno wird nicht zufällig Olympia- und Hawaiisieger. Das war in seinem Kopf drinnen. Tag und Nacht hat er davon geträumt. Er wollte das unbedingt (also auch dann, wenn er nicht trainiert hat). 2. Das Training: um eine gewisse Leistung zu erbringen, muss man ein gewisses Training absolvieren. Wie soll ich in Hawaii 2:36 laufen wenn ich nicht mal einen nackten Marathon unter 3h schaffe? Würde ich heute in Hawaii starten, käme es zu einem enstpannten Sonntagsspaziergang mit Puls 90. Mehr habe ich nicht mehr drauf. Bin ich deshalb in diesem Augenblick mental schwach? Ich will sagen: um sich im Wettkampf an seine Grenzen zu bringen, muss man entsprechend trainiert haben. 3. Der Verstand: ich habe zu meiner Zeit keinen Deutschen Triathlonmeister getroffen, der nicht wußte, von was er redete und klare und geordnete Gedanken hatte. Auch war es mein Eindruck, dass sie sehr gezielt trainieren und sich selten im Training abschießen. Ich hatte niemals den Eindruck, dass sie mental härter waren als ich. Vielleicht ist "das Mentale" irgendwo überall mit drinnen, aber grundsätzlich halte ich es für überbewertet (wenn es heißt "der ist mental hart"). :Blumen: |
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Ich denke tatsächlich auch, dass dies von außen schwer beurteilter ist (also wieviel Einfluss dieser Aspekt im Bereich der Eilte Athleten hat). Als Amateurlusche würde ich sagen, dass der Bereich eher unter- als überschätzt wird. Im WK dürfte es für die meisten kein Problem sein sich zu quälen, in der Trainingsgruppe auch nicht, aber alleine im Training schon. Nicht umsonst fällt es den meisten beispielsweise ohne Wettkampf ziemlich schwer eine Stundenleistung zu ermitteln, weshalb man das Ding ja verkürzt und dann ziemlich ungenau herumrechnet. |
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Ein Zeichen mentaler Schwäche? Klassischer Selbstbetrug wenn der schlimmste Schmerz nachlässt? Wieder einige Minuten später schmerzt dann alles (von Stunden gar nicht erst zu sprechen), aber wäre das wirklich anders, wenn ich 2% mehr oder weniger im Rennen gegeben hätte? |
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Im Sport, wie auch im restlichen Leben, gehört eine gewisse Fokussierung dazu, um ein Ziel über mehrere Jahre hinweg zu verfolgen, auch wenn es gelegentlich Rückschläge gibt. Im Spitzensport zählt das noch mehr. Dazu muss man spätestens im Rennen in der Lage sein, sich bzw. seinen Rennplan schnell anzupassen, wenn das Rennen anders läuft als geplant. Ich denke, dazu gehört gerade im Rennen auch eine mentale Fitness. Der eine wird bei einem Rückstand vielleicht aufgeben, der andere sagt sich: Jetzt versuche ich es mal mit Plan b) oder c). Ob man das jetzt mentale Härte, Fitness, Cleverness oder Zielstrebigkeit nennt, ist egal. Ohne das wird man vermutlich nicht erfolgreich sein oder es zumindest nicht lange bleiben. Natürlich kann man gewisse Situationen trainieren. Ein Spitzenathlet wird auch im Normalfall besser einschätzen, wo sein Grenzen liegen bzw. ob und wie lange er über diese gehen kann. Das macht es sicher einfacher, über körperliche Signale hinwegzugehen. Aber auch dazu gehört der Wille, dies zu tun. M. |
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Die Fähigkeit während eines Wettkampfes mit negativen Gedanken umzugehen, richtige klar richtige Entscheidungen, bei sich wechselnden Umfeldbedingungen oder nicht eingetroffenen Erwartungen zu treffen bzw. überhaupt mit solchen Situationen umzugehen uvm. gehört da auch dazu. Ich habe mir vor geraumer Zeit das Buch "Mentales Training für Triathleten und alle Ausdauersportler" gekauft. Ich kann das Buch weiterempfehlen, für 20 EUR macht man auch wenig falsch, wenn man es nicht gut findet. :Blumen: |
Das Mentale ist ja ein weites Feld, wie Du am besten weißt.
Ist halt ein Faktor von vielen. Bei dem einen mit größerer Gewichtung, bei dem anderen eher Nebenschauplatz. So eine gewisse grenzgestörte Psyche ist zum Erreichen einer Höchstleistung hilfreich, um "einfach" weiterzumachen, wo andere nicht mehr wollen. Das gilt zunächst für Trainingsleistungen über lange Zeit und sicher dann auch im Wettkampf. Ich glaube @dude hatte den begriff des "central governors" als letzte Instanz in die Diskussion eingeführt; hier soll/wird entschieden, ob "noch was geht" oder nicht. Mir ist als anschauliches Beispiel die Mutter (nat. auch Vater) in Erinnerung, die völlig erschöpft und ausgepowert am Ziel ankommt, als sie plötzlich ihr Kind in unmittelbarer und großer Gefahr sieht, was nochmal ungeahnte Kräfte freisetzt, diese Situation abzuwenden. Die Selbstdarstellung und Fremdwahrnehmung von Leiden ist vielfältig, hier muss man, wieder mal, wohl sehr differenziert den Einzelfall betrachten. |
Die Selektion inbezug auf die Willensstärke findet sicher schon vorher statt, so dass sich im Kona-Profi-Rennen bei den Top Level Athleten nur noch die Gruppe derjenigen findet, welche (fast) alle eine sehr hohe Willensstärke haben, würde ich mal annehmen. Insofern bringt dann ein diesbezüglicher Vergleich zwischen den ersten 10 Athleten vermutlich kaum seriös belegbare Unterschiede zwischen den Athleten.
Allgemeines Blah: Die Psychologen reden heute bei "Willenstärke" eher von "Umsetzungsstärke", die sie in 5 messbare einzelne Dimensionen / Faktoren unterteilt haben: Operationalisierung der Umsetzungskompetenzen 1. Aufmerksamkeitssteuerung und Fokussierung (8 Items) Kann sich die Person voll aufs Wesentliche konzentrieren, auch wenn Einflüsse auftreten, die die Motivation und Aufmerksamkeit beeinträchtigen; kann sie klare Prioritäten setzen? 2. Emotions- und Stimmungsmanagement (8 Items) Ist die Person in der Lage, sich selbst und Andere in eine positive Gefühlslage zu versetzen, und kann sie eigenes und fremdes Verhalten treffend antizipieren? 3. Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke (8 Items) Ist die Person aufgrund ihrer Erfahrungen von den eigenen Fähigkeiten und Erfolgen überzeugt, und kann sie Ziele konstruktiv und umsichtig durchsetzen? 4. Vorausschauende Planung und Problemlösung (8 Items) Ist das Handeln grundsätzlich proaktiv (statt re-aktiv) und zukunftsorientiert; ist die Person auf Risiken und Probleme gut vorbereitet? 5. Zielbezogene Selbstdisziplin (8 Items) Verfügt die Person über ein ausgeprägtes Durchhaltevermögen bis Ergebnisse vorliegen; erkennt sie den tieferen Sinn in ihrer Tätigkeit; kann sie mit den abgelehnten Erwartungen Anderer konstruktiv umgehen? Man kann dieses Modell sicher auf den Sport übertragen, auch wenn es eher im Business angewendet wird. https://www.management-innovation.co...ngsbericht.pdf |
Ich verstehe die "mentale Härte" eher in dem Sinn, mit widrigen oder gar demotivierenden Situationen fertig zu werden, und die Motivation für die Anstrengung wieder hochzufahren, bzw. überhaupt Entscheidungen treffen zu können, und diese auch durchzuziehen.
Es ist einfach, an einem schönen sonnigen Tag die lange Radausfahrt zu vollenden; bei starkem Gegenwind oder gar im Keller auf der Rolle mit Blick auf eine Betonwand gehört aber mentale Stärke dazu, das Niveau hochzuhalten und nicht abzubrechen. als ich mal beim Langstreckenschwimmen im Plattensee zugeschaut habe, fand ich es auch, daß sehr viel mentale Härte dazugehört, 25 km in der trüben Brühe vor sich hin zu schwimmen. Oder nach einer Zeitstrafe auf Hawaii, wenn man gut vorne dabei war, noch motiviert hinterherzurennen, und trotz fehlender Chance auf den Sieg das maximum herauszuholen (und evtl. dadurch doch noch aufs Treppchen zu kommen) - das ist mentale Stärke für mich - ebenso, wie ggf. aufzuhören, bevor man etwas im Körper kaputtmacht, obwohl man evtl. noch aufs Treppchen könnte, wenn man alles riskiert. Seinen Körper überanstrengen zu können ist allein für sich gesehen eher Dummheit bzw. schlechtes Körpergefühl. |
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Dass der eine über den Zielstrich krabbelt und der andere vorher aussteigt, heißt nicht zwangsläufig, dass er mental weniger hart ist. Ich halte solche Augenblicke bisweilen für überbewertet. Mehr wollte ich nicht sagen :Blumen: |
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Ich habe nichts gegen Kristian, ganz im Gegenteil. Ich finde ihn sympathisch, vor allem in seinen Videos oft nett und authentisch, und vor seinen Leistungen habe ich allergrößten Respekt. Nach seinem Rennen in Hawaii ist dieser Respekt noch gestiegen. |
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Ich denke, dass man dies im Ausdauersport kaum beurteilen kann.
Die Frage wäre vergleichbar mit „Kann man fehlendes Talent durch Ehrgeiz, Disziplin und Mentalität kompensieren“ Bis zu einem gewissen Grad oder Niveau geht das bestimmt, aber ab einer gewissen Leistungsdichte, gibt es in der Spitze nur noch talentierte Ehrgeizlinge. Die einen tragen das halt medienwirksam nach außen und vermarkten sich so. Die anderen eben weniger. Ich glaube auch aus eigener Erfahrung dass es schon ein Stück „Mentalität“ bedarf seine bestmögliche Leistung am Tag X auch abrufen zu können. Um so kürzer die Wettkampfstrecke umso hoher der Druck alles richtig machen zu müssen, um zu gewinnen. Daran kann man zerbrechen oder eben abliefern. Ich denke die Wurf- und Sprungdisziplinen in der Leichtathletik Oder das olympische Gewichtheben sind hier als Paradebeispiele zu nennen. Was ich damit sagen will: allein durch Mentalität verschiebt man keine Leistungsgrenze aber Mentalität sorgt dafür das notwendige dafür zu tun und das dann auch abrufen zu können |
Eventuell mache ich einen schreklichen Denkfehler aber:
Man lässt zwei Personen 100km joggen, plus minus gleiche Ausgangslage (Vo2Max, Laktatbildungsrate, Grösse, Gewicht, Alter usw. usw.). Gehen wir davon aus, beide kriegen genau dieselben ( gleicher ort, gleiche Stärke) Krämpfe bei Kilometer 90, der der nun den Kopf besser lenken und beissen kann wird wohl als erster durchs Ziel laufen. Auf einem Niveau wo man mit dem Gegner auf Augenebene ist, behaupte ich jetzt, dass ein starker Kopf zwischen Sieg und Niedeelage entscheidend ist. |
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Das ist genau das Problem: Man kann gar nicht erkennen, wieviel jemand "leidet" oder wie "mental hart" jemand ist, da man es ihm oft nicht ansieht.
Mich stößt es eher ab, wenn man sowas an Äußerlichkeiten erkennen kann (Kotzen, Zusammenbrechen, gequälter Gesichtsausdruck etc. ...). Zur mentalen Kraft gehört eben auch, dass man sich nicht so gehen lässt. |
Ich nenne mal 2 Aspekte von mir selbst:
1. bei 5km Läufen und ähnlichen Veranstaltungen wachse ich immer über mich heraus. Leute, die mit mir Dauerläufe und Intervalltrainings machen, wundern sich immer über meine Ergebnisse. Ich steige mich da im Vorfeld irgendwie total rein, auch wenn es eigentlich um nichts geht. Ich laufe den kompletten Wettkampf jenseits der 200 Puls und hatte auch schonmal den ein oder anderen Gedankenaussetzer im Ziel. Theatralisch auf den Boden werfen, kotzen etc. lasse ich weg. 2. bei MD/LD Triathlons, Radmarathons etc. geht das natürlich nicht, da bin ich aber wie viele andere auch unterwegs schon durch verschiedene Krisen gegangen. Trotzdem habe ich immer gefinished und habe die Leiden ertragen. Andere hätte an meiner Stelle aufgegeben oder wären gar nicht gestartet. Beide Punkte sprechen aus meiner Sicht für mentale Stärke, die auch zu messbaren Ergebnissen führen. Verbesserungspotential sehe ich trotzdem, da ich im Training manchmal zu melancholisch bin. Das bremst mich fürchterlich aus. Besonders dann, wenn mir irgendwas nicht passt. Aber auch dann, bin ich messbar schlechter als sonst im Vergleich zu meinen Trainingspartnern. |
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Was mich an dem Thread irritiert ist der starke Fokus auf den einen Aspekt auf "Härte". :Maso: |
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Zweifellos sind Ausdauersportarten mit sehr viel Trainingsqual verbunden. Zur Leidensfähigkeit im Wettkampf, wenn es um den Sieg geht oder dem Durchhaltevermögen, um überhaupt das Ziel zu sehen, fehlt aber noch einiges. Fakt ist, dass der Leistungssport viel leichter fällt und man mit Qualen leichter umgehen kann, wenn sich Erfolg einstellt. Die Härtesten, also mental Stärksten, wenn man so will, sind wahrscheinlich diejenigen, die trotz mangelndem Talent und bescheidenem Erfolg nie aufstecken. Andererseits ist man oftmals nur dann bereit, an sein absolutes Limit zu gehen, wenn es um den Sieg geht. |
Danke erstmal für die vielen konstruktiven Diskussionsbeiträge. Ich finde das Thema auch spannernd und stimme zu, dass das Mentale durchaus komplex ist und sich aus vielen psychischen Einzelleistungen zusammensetzt und sowohl im Wettkampf, aber auch in der Vorbereitung eine Rolle spielt.
Der Einstieg war halt nur ein Aufhänger, weil mir das gerade in der medialen Berichterstattung immer wieder über den Weg läuft, wo dann auch von "Fachjournalisten" immer mal wieder Aussagen kommen wie "Der kann sich quälen, wie kaum ein anderer". Oft wird das ja auch sogar von anderen Sportlern gesagt und es stellt sich die Frage, ob das nur mediales Phrasendreschen und Zuspitzung und Kokettierie ist, oder ob da doch etwas dran ist. Ich denke aber auch, dass zum Beispiel in den Top 10 von Hawaii dieser Faktor, ähnlich wie andere Erfolgsfaktoren, wenig variiert. Wenn man so weit kommt, muss da auch mental vieles passen. Den genannten Umgang mit Rückschlägen und Niederlagen finde ich auch einen wichtigen Faktor. Man vergisst da auch schnell, dass zum Beispiel auch ein Strahlemann Jan Frodeno vor seine Langdistanz-Karriere schweren körperliche und psychische Krisen zu überstehen hatte (und von vielen, auch vielleicht vor Peking), wissen wir wahrscheinlich gar nichts. Dennoch muss er damit einen positiven Umgang gefunden haben, sonst wäre er nicht da, wo er ist. Sanders ist hier vielleicht wieder, mit seiner Neigung konzeptionell alles in Frage zu stellen, auch ein Beispiel für jemand mit einem Defizit im mentalen Bereich, wenn es darum geht, einer Methodik einfach mal zu vertrauen und diese fokussiert über einen Zeitraum zu vertrauen. Ich meine das jetzt gar nicht wertend, sondern analytisch. Ich bin da ähnlich gestrickt und neige dazu, bei Rückschlägen vieles gleich in Frage zu stellen und komme dann zwar wieder in den Fokus, hab aber auf dem Weg oft viel Energie gelassen. Diesbezüglich fand ich das Buch von Jonas Deichmann über seinen Triathlon um die Welt sehr lesenswert, wo neben der wirklich beeindruckenden Leidensfähigkeit (nicht heilende Wunden im Salzwasser, stundenlanges Frieren bei Kälte, täglich Marathon laufen und den ersten einfach mal so..) vor allem sein gnadenloser Optimismus auffällt. Das würde ich persönlich definitiv so nicht hinbekommen. Klar, wenn ich im Training oder im Rennen immer optimistisch bleibe, ist das hilfreich oder eröffnet überhaupt erst eine Chance. Oder um ein beliebtes Forumsbeispiel zu nennen: Wenn Anna Kiesenhofer vor ihrem Breakway erst eine Expertenumfrage gemacht hätte, ob das gut gehen kann und überhaupt ernsthaft Sinn macht, wäre sie vermutlich nicht Olympiasiegerin geworden. Andererseits muss man das dann auch mental aushalten können, wenn es nicht klappt, und alle anderen das natürlich schon vorher gewusst haben, dass es gar nicht klappen konnte. Auch das halte ich für eine mentale Stärke, sich - obwohl man sie natürlich auch braucht - sich andererseits in gewissem Rahmen von externen Einschätzungen und Meinungen unabhängig zu machen. |
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Meine Hypothese: Die Unterschiede bei der Willenstärke im Wettkampf sind innerhalb der Gruppe von 10 zufällig ausgewählten Freizeit Sportlern deutlich grösser als innerhalb von den 10 Weltbesten. |
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Ich wollte aber nur ausdrücken, dass hohe Leistungsfähigkeit nicht zwangsläufig mit hoher Leidensfähigkeit einhergeht. |
Ich finde das Thema spannend, und denke, dass der mentale Aspekt durchaus wichtig ist. Sowohl im Training als auch bei Wettkämpfen - und zwar unabhängig von der absoluten Leistungsstärke. Ich will das mit zwei Anekdoten illustrieren:
1) Passend zum Aspekt der Aufmerksamkeitssteuerung, den qbz angeführt hat: Die Situation: Halbmarathon, Landesmeisterschaftsrennen, Athlet in der bisher besten Form seines Lebens, will in erster Linie auf persönlichen Rekord laufen. Setzt sich mit einem zweiten Athleten vom Feld ab, der allerdings deutlich stärker ist, und daher bei recht windigen Verhältnissen keine Anstalten macht, Führungsarbeit zu leisten. Der zweite will den Titel dann einfach durch Endbeschleunigung holen. Der schwächere Athlet merkt das natürlich, wird allein im Wind immer aggressiver, fokussiert seine Aufmerksamkeit nur noch auf das Ziel, dem Gegner das Siegen so schwer wie möglich zu machen. Er spürt die Anstrengung gar nicht mehr, will einfach nur so lange wie möglich dranbleiben. Schließlich gewinnt dann natürlich doch der andere, aber diese Fokussierung der Aufmerksamkeit verhilft dem unterlegenen Athleten zu einer Bestzeit, die deutlich besser ist als vor dem Rennen erhofft oder erwartet. Hab ich selbst genau so erlebt - ich war der schwächere ;). 2) Ich habe eine Athletin auf dem Weg von der Hobby-Joggerin zu einer leistungsorientierten Hobby-Läuferin als Coach begleitet. Ihr Ziel: ein 5 km-Lauf. Aus meiner Lauferfahrung weiß ich, wie hart ein schneller 5er sein kann. Daher hab die Strategie ausgegeben: 3 km im ambitionierten Zeitplan laufen, dann den vierten so als wäre es der letzte. Und der tatsächlich letzte Kilometer geht dann immer (auch wenn er sehr hart wird). Beim 1. Versuch scheitert die Athletin. Sie ist nach 3 km subjektiv schon so angestrengt, dass sie am 4.km deutlich nachlässt (ca. 25 sek zu langsam) und den fünften dann aber wieder im Zeitplan läuft, also so schnell wie die ersten 3. Vor dem nächsten Versuch hab ich ihr gesagt: wenn Du den letzten km so schnell laufen kannst, dann kannst Du das auch beim vorletzten, also bleib beim 4.km dran! Es wird hart, aber du kannst das. Bleib dran! Diesmal hat sie an sich geglaubt und das Rennen durchgezogen. Danach war sie nach eigenen Angaben so fertig wie nie, aber glücklich. Um die Frage aus dem Titel also zu beantworten: ich halte das nicht für einen Mythos. Natürlich ist mentale Stärke nicht alles, aber ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass man mit dem richtigen "mindset" im Sport viel erreichen kann. Wer es schafft, sich eine mentale Strategie zurechtzulegen bzw. sich dann im Rennverlauf darauf einzulassen und z.B. auch eine starke Emotion (Aggression im ersten Beispiel) zuzulassen, kann davon sehr profitieren. |
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Wer sich zu dem Thema ein Bild machen will, dem/der empfehle ich, hier Ende Juli einerseits die MotoCross-/Enduro-Hobbyveranstaltung in Goldbach zu besuchen, und eine oder zwei Wochen später den Weltmeisterschaftslauf in Bessenbach, Luftlinie 5km entfernt...;)
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Dennoch glaube ich, dass auch diese geringen Unterschiede einen Ausschlag über Sieg oder Niederlage ausmachen können. Wobi die Willensstärke allein sicher nicht ausreicht, sondern das gesamte „Setup“ mit allen oben beschriebenen Faktoren. Zitat:
M. |
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Wenn ich sowas lese, geht es mir wie BigBlu … ich könnte kotzen. Was stimmt mit dem Typen nicht? :Nee: |
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