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Leichte Schulterrotation - ja oder nein?
Habe dazu Gegensätzliches gehört:
Eine Meinung ist, dass die Schulter nicht rotiert, sondern ganz ruhig bleibt. Eine andere sagt aus, die (leichte) Schulterrotation wäre wichtig, damit die Hüfte gegenläufig automatisch passiv nach vorne kommen kann und es sei stattdessen verkehrt, die Hüfte aktiv nach vorne zu schieben. (?) Als ich den Lauftrainer nachfragte, bei einer Rotation würden doch dann auch die Arme vorne nach innen gehen, was sie doch nicht sollten, sondern parallel geführt werden, meinte er, man könnte die Arme dennoch parallel führen, auch wenn die Schulter sich leicht dreht. Bin gespannt auf das Expertenwissen - danke! |
Wenn wir der Frage der Rotation auf den Grund gehen wollen, dann sollten wir uns zuerst fragen, wo diese Rotation herkommt. Über diese Rotationen im Körper gibt es schöne hochwissenschaftliche biomechanische Abhandlungen. Hier mal die wichtigsten Ideen zur Rotation aus meiner Sicht.
Ausgangspunkt für die Körperrotation ist zuerst die Rotation in der Hüfte. Beim Abdruck und auch bei der Schwungphase entstehen Kräfte, welche dazu führen, dass die Hüfte sich nach vorne und hinten bewegen möchte, also rotiert. Je besser man trainiert ist, umso besser gelingt es, diese Hüftbewegung zu stabilisieren, also die Hüftrotation quasi gegen null zu fahren. Ganz ausschalten kann man diese Kräfte allerdings nicht. Je mehr die Hüfte rotiert, umso mehr braucht es eine Gegenkraft, die diese Kräfte wieder ausgleicht. Und hier kommt dann die Schulter ins Spiel. Je mehr Hüftrotation, desto mehr rotieren die Schultern dagegen. Und wenn dann noch die Arme vor den Körper rotieren, dann ist diese Gegenrotation noch effektiver. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass je weniger Hüftrotation, desto weniger Schulterrotation. Wenn man eine gut trainierte Rumpfmuskulatur hat, dann findet die leichte Gegenrotation idealerweise auch nicht mit den Schultern, sondern im Bereich der Wirbelsäule statt. Dann sind die Schultern im Idealfall auch rotationsfrei. Das ist natürlich nur eine recht einfache Betrachtung. Da jeder Mensch anders ist, können schon kleinste Fehlstellungen (Füße, Hüfte usw.) zu Rotationen führen, die dann irgendwo wieder Gegenrotationen auslösen. Daher ist es eigentlich unerlässlich, dass man sich den Laufstil persönlich anschaut. Nur dann kann man sich eine einigermaßen fundierte Meinung bilden. |
Vielen Dank!
Nach deiner in sich sehr stimmigen und logischen Erklärung wäre es also genau umgekehrt: Nicht die absichtliche Schulterrotation löst als Gegenreaktion die beabsichtigte und gewünschte (!) Hüftrotation aus, sondern die eigentlich nicht beabsichtigte, aber oft unvermeidbare Hüftrotation löst als Gegenbewegung die ebenfalls nicht beabsichtigte Schulter- bzw. Rumpfrotation aus. Und ich dachte immer, wenn meine Hüfte weiter vorne ist, - so als Gegenteil zum sitzenden Laufstil - also leicht rotiert ist, ist auch die Laufbewegung besser. Jetzt sehe ich es so: Weiter vorne im Sinne einer maximalen Hüftstreckung ja, aber Rotation nein. |
Die Erwähnung des "sitzenden Laufstils" macht mich doch jetzt etwas stutzig. Hoffentlich meinen wir mit der Rotation auch das Gleiche.
Ein sitzender Laufstil ist eigentlich immer schlecht und ein Zeichen für Dysbalancen, Verkürzungen und Abschwächungen in der Rumpfmuskulatur. Hier kann man durch gezielte Kräftigungs- und Dehnübungen gegenwirken. Aus eigener Trainererfahrung weiß ich aber auch, dass es hier "unbelehrbare" Sportler gibt. |
Genau, Hüftstreckung ist effektiv, aber jede Bewegung, die nicht in Laufrichtung passiert (also auch die Rotationen), verbrät nur unnötig Energie (gilt ganz besonders auch für starke hoch-runter Bewegung). Mein Laufgefühl sagt, idealerweise gleitet der Oberkörper stabil mit minimalen durch die Landschaft, und die Beine darunter arbeiten fast "isoliert". Tänzer wissen, was ich meine, wenn ich an Isolationsübungen denke.
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:Blumen: Muskeln funktionieren anders als einfache mechanische Systeme. Zum Beispiel gibt es bei Muskeln den Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus: Ein Muskel wird leistungsfähiger, wenn er zuvor kurz gegen die Arbeitsrichtung gedehnt wird. Die Sache ist also sehr komplex. Man läuft genau deswegen nicht mit dem Körperschwerpunkt auf gerader Linie, weil das ineffizient ist. Es gibt niemanden, der genau sagen könnte, wie ein optimaler Laufstil auszusehen hätte. Wenn das jemand dennoch tut, kann man sich oft sicher sein, dass er mit solchen Tipps sein Geld verdient. |
sehr interessant übrigens gestern die Bilder vom hessischen Rundfunk von Gesa Krause und Anne Haug, die 19,95km nebeneinander herliefen.
Der Laufstil hätte unterschiedlicher nicht sein können. |
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Aber eines scheint zu stimmen: Je lauter das Geschrei und je größer der Scharlatan, desto dicker der Geldbeutel... |
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Und außerdem ist Anne Haug schneller gewesen, da diese nämlich 4sek später gestartet ist aber im Ziel nur 1-2sek Rückstand hatte. |
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Trotzdem, bei mir hat das Achten auf diese Faktoren es ermöglicht, mit relativ wenig Training die persönlichen Bestzeiten deutlich zu reduzieren. Auch merkte ich es immer wieder, wenn ich auf diese Sachen achte, dann geht mein Puls bei gleichem Tempo etwas runter - was für die Effizienz spricht. Zitat:
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Passend dazu der aktuelle Tweet von Desiree Linden:
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Fahre mal auf dem Rad im Wiegetritt, halte dabei den Körperschwerpunkt konstant auf derselben Höhe, und lasse nur die Beine kreisen. Nach Deiner technisch-physikalischen Argumentation müsste das effizient sein, da der Körperschwerpunkt nicht ständig rauf und runter bewegt wird. Tatsächlich ist das aber sehr anstrengend. Man hält das kaum eine Minute lang aus. Beim Laufen ist das noch viel komplexer, weil hier der kurze Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus im Spiel ist. :Blumen: |
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Kleine Beobachtung heute früh beim Laufen: solange ich aktiv die Arme gegenschwinge, bleibt der Oberkörper bzw. die Schultern ruhig, quer zur Laufrichtung. Wenn ich die Arme etwas lustlos baumeln lasse, fangen die Schultern sofot an, gegen die Beine/Hüfte zu rotieren. Eine Gegenkraft braucht es offenbar - aber die Schulterrotation fühlt sich ziemlich störend an (und sieht von außen auch sehr unruhig aus, wie ich mein Schattenbild einschätzte).
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Wenn ein Athlet vor Dir steht, der unbedingt an seiner Lauftechnik etwas ändern möchte, dann würdest Du ihm sagen, er solle auf jeden Fall ("immer") Gesa Krauses Lauftechnik zum Leitbild nehmen, nicht aber den Laufstil von Anne Haug. Denn Gesa kann höhere Geschwindigkeiten realisieren. Richtig? Und das könntest Du unbesehen empfehlen? |
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Auch Gesas Geschwindigkeit wird keiner von uns in einem Triathlon erreichen, so dass es auch fragwürdig ist, ob wir ihren Stil imitieren sollten. Zudem liegen die meisten wohl auch in einer anderen Gewichtsklasse. |
Grundsätzlich glaube ich ja, dass Laufstil etwas ziemlich individuelles ist und sich bei talentierten Läufern die individuell optimale Technik automatisch durch das Lauftraining und eingearbeitete Tempotraining nebst Ausdauertraining einstellt.
Anders als z.B. die für den Menschen sehr unnatürliche Fortbewegungsart Schwimmen, konnte der Mensch über Jahrtausende sich in Richtung optimal ökonomische Fortbewegung (auf der Jagd) und auch optimal schnelle kurzfrisitige Fortbewegung (auf der Fluch) optimieren. Antilopen, Geparden oder Tiger schickt man auch nicht in die Lauftechnikschule und die haben das Laufen/ Rennen definitiv drauf. |
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aber es gibt ein paar sachen wie kniehub, anfersen, fußaufsatz mittel/vorn, abdruckverhalten die einfach schnelles laufen fördern. und diese sind bei bahnläufern nun einmal besser ausgeprägt, als bei triathleten. ich kenne athleten, die mit einem flachen "schlurfschritt" sehr schnell waren, entsprechende frequenz vorausgesetzt. anne kann mit einem sehr ökonomischen frequenten laufstil einen 4-er schnitt über 3 stunden laufen. vielleicht noch einen 3:30er schnitt noch über 1 stunde (halbmarathon). einen 3-schnitt über 15min ist mit diesem schritt aber unmöglich (aus meiner sicht). und wie lidl es schon andeutet, ist es natürlich auch eine frage wen man trainiert, was die ziele sind. und ja, wir versuchen zumindest unsere männlichen nachwuchsathleten auf eine niveau wie das von gesa krause zu heben. |
Ist auch meiner Meinung nach eine völlig individuelle Geschichte.
Chrissie Wellington hatte weder hohen Kniehub, noch viel anfersen. Andere hatten mehr. Hier eine Lauf-Studie von ihr und anderen: https://www.youtube.com/watch?v=tJWPwVF30yo Was mir immer wieder auffällt: Man erkennt am "guten" Laufstil die Athleten, die schon in jungen Jahren Laufsport/Leichtathletik gemacht haben. Anscheinend lernt man sowas als Kind, wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Ist übrigens beim Basketball auch so. |
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Einig sind wir uns ja alle mit der Meinung, dass der Laufstil grundsätzlich sehr individuell ist. Daher muss man auch immer sehr individuell Tipps zur Ökonomisierung des persönlichen Laufstils geben. Manchmal lässt sich der Tipp, der für Läufer A gut war, bei Läufer B nicht umsetzen. Es spielt auch noch eine Rolle, welche Zielsetzung jemand hat. Jemand, der 1500m in 4:15 laufen möchte, braucht vielleicht auch andere Tipps wie jemand, der einem HM "nur" finishen will und eine Zeit von 2:15 Stunden anpeilt. Ich glaube aber auch, dass es Dinge gibt, die einfach zu einem guten Laufstil dazu gehören. Das ist dann analog zum hohen Ellenbogen beim Kraulen. |
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Es ist ja nicht trivial, das von den normalen Trainingseffekten zu unterscheiden. |
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… aber sowas gibt es meines Wissens nach nicht. Da es bei meinen Tipps in erster Linie um sichtbare Dinge (zu viel Schulterrotation, Fußaufsatz weit vor dem KSP, sitzender Laufstil usw.) geht, ist hier eine Verbesserung oftmals schon mit einem subjektiv besseren Gefühl beim Sportler verbunden. Manchmal kann man es an den Zeiten sehen. Ich habe vor 3 Jahren einen Triathleten übernommen, der trotz mehrjährigen Trainings im Leichtathletikverein es nicht geschafft hat, 5k unter 20 Min zu laufen. Er hatte einen extrem sitzenden Laufstil und hat sich daher beim Abdruck immer selbst eingebremst. Dem Kollegen habe ich erstmal das Radtraining reduziert und extrem viel Training gegen den sitzenden Laufstil (Berganläufe mit Steigesprüngen, Gluteus maximus-Kräftigung, Bauchmuskelkräftigung usw.) auf den Plan geschrieben. Das Ergebnis war, dass er etwa ein Vierteljahr später bei den Regionsmeisterschaften Mittelhessen mit wesentlich "besserem" Laufstil eine 19:42 auf die Bahn gezaubert hat. Je näher man dem Spitzenbereich kommt, desto unmöglicher wird es wohl, eine verbesserte Ökonomie wirklich mit Messwerten nachzuweisen. Aber je näher man dem Spitzenbereich kommt, desto besser und ökonomischer ist doch auch der Laufstil, oder? |
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Auch untrainierte Läuferinnen und Läufer laufen auf Anhieb mit derjenigen Schrittlänge, die bei einem vorgegebenem Tempo den geringsten Sauerstoffverbrauch erfordert. Willentliche Änderungen der Schrittlänge, egal ob eine Verlängerung oder Verkürzung des Laufschritts, haben gemäß der Studie eine Verschlechterung der Ökonomie zur Folge. (Quelle) (Du hast den Laufstil natürlich etwas weiter gefasst als nur die Schrittlänge zu betrachten. Ich würde Dir zustimmen, wollte aber den Aspekt der Schrittlänge speziell erwähnen.) :Blumen: |
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ein zugewinn an geschwindigkeit darf gern auch mal ökonomie kosten. |
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Beim Laufen sind die Sportler doch bestrebt, entweder eine Strecke x immer schneller zu laufen oder eben mit einem gewissen Tempo immer weiter zu laufen. Und die Ökonomie ist dabei Mittel zum Zweck. Wird sie besser, dann kann man schneller und weiter laufen. Wobei der Geschwindigkeit anatomische Grenzen gesetzt sind. |
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den fall in einem wettkampf ein bestimmtes tempo immer länger zu halten kenne ich nur aus der literatur, einem roman von stephen king ("todesmarsch"). |
Man muss die vorhandene Kraft ökonomisieren also einen möglichst hohen Anteil der gewünschten Bewegungsrichtung zuführen .
Führt etwas zur Verschlechterung der Ökonimie muss in Summe mehr Kraft ins System eingeführt werden . Da der Kraftaufbau endlich und recht unspezifisch ist , also nochmal vom Körper durch spezifisches Training adaptiert und in die erwünschte Bewegung ökonomiert Oder von mir aus übersetzt werden muss kann nur eine Ökonomisierung der zum Bewegungsablauf beitragenden Systeme,. der übergeordnete Ansatz des Trainings sein . Alles andere sind Ableitungen davon . Ob 40 Yards oder 100 Meilen , auch die Zeit ist eine Variable die im Grunde erst im nachgeordneten Wirkkreis hinzugeführt, spezifiziert werden muss . Moin Bumm Tschakk ;) |
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Für Laufanfänger gilt es aber oftmals, zuerst eine immer weitere Strecke am Stück zurücklegen zu können. Erst später folgt hier das Augenmerk auf das Lauftempo. Und dann stellt sich für mich die Frage, ob das bei einem fortgeschrittenen Läufer, der statt 5k auf die Marathonstrecke wechseln will, nicht auch erst mal der Fall ist. Irgendwie meinen wir alle mehr oder weniger das Gleiche, oder? Im Endeffekt wird man nur durch die Steigerung der konditionellen Fähigkeiten schneller. Und was sind die Komponenten der Kondition? Fakt ist aber auch, dass im Anfängerbereich mit wenig Einsatz viel und im Hochleistungsbereich mit viel Einsatz oftmals nur noch sehr wenig Steigerung möglich ist. Und wenn (fast) alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, dann kommt irgendjemand vielleicht auf die Idee, die Zusammensetzung des Schweißes zu untersuchen, damit ein für den Wettkampf optimal wirkendes Sportgetränk, welches die verloren gegangenen Mineralien bestens ersetzt, entwickelt werden kann. |
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da wir sport betreiben in der die zeit der entscheidende und letzztendlich ausschlaggebende faktor ist, muss sich alles der entwicklung der geschwindigkeit unterordnen. ob ich dann mit einer ganz schlimmen technik und laufökonomie als erster das ziel erreiche spielt keine rolle. es gibt keine b-noten. man darf nie das eigentliche ziel des sports aus den augen verlieren. und das ist als erster die ziellinie zu erreichen. das mit einem schönen ökonomischen laufstil das laufen leichter fällt ist ja unbestritten, aber das interessiert erst, wenn der speed stimmt. also erst geschwindigkeit, dann konditionierung. bei kindern (laufanfängern) fängt man im lauftraining ja auch nicht mit dauerläufen an. |
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Wenn aber ein übergewichtiger 30jähriger Laufneuling mit dem Laufen beginnen möchte, so wird ihm wohl kein vernünftiger Trainer erstmal ein Training der Grundschnelligkeit verordnen. |
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