triathlon-szene.de |  Europas aktivstes Triathlon  Forum

triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum (https://www.triathlon-szene.de/forum/index.php)
-   Politik, Religion & Gesellschaft (https://www.triathlon-szene.de/forum/forumdisplay.php?f=30)
-   -   Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms (https://www.triathlon-szene.de/forum/showthread.php?t=33039)

Rhing 23.04.2014 10:25

Mitverschulden, wenn der Helm nicht getragen wird
 
Da bin ich ja mal gespannt:

Verhandlungstermin: 17. Juni 2014

VI ZR 281/13

OLG Schleswig – Entscheidung vom 5. Juni 2013 - 22 U 67/09

LG Flensburg - Entscheidung vom 12. Januar 2012 - 4 O 265/11

Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit auf einer Straße. Sie trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte ein PKW. Die Halterin des PKW öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin von innen die Fahrertür, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte, gegen die Fahrertür fuhr und zu Boden stürzte. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu. Sie begehrt die Feststellung, dass die Halterin des PKW und deren KFZ- Haftpflichtversicherer verpflichtet sind, ihr alle aus dem Unfall entstandenen und zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen, insbesondere auch ein Schmerzensgeld zu zahlen. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass die Klägerin an der Entstehung der Kopfverletzung ein Mitverschulden von 50 % treffe, weil sie keinen Schutzhelm getragen habe. Seine hälftige Eintrittspflicht hat der beklagte Haftpflichtversicherer außergerichtlich anerkannt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Es hat der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet. Die Fahrradfahrerin treffe ein Mitverschulden an den erlittenen Schädelverletzungen, weil sie keinen Helm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.

Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird zu entscheiden haben, ob diese Auffassung zutrifft, obwohl nach dem Gesetz für Radfahrer keine Helmpflicht besteht.

[Moderation: Das Urteil wurde inzwischen verkündet. Siehe Posting Nummer 12 dieses Threads. Die beiden Threads zu diesem Thema wurden zusammengelegt.]

DirectX 23.04.2014 11:10

Zitat:

Zitat von Rhing (Beitrag 1035595)
Es hat der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet. Die Fahrradfahrerin treffe ein Mitverschulden an den erlittenen Schädelverletzungen, weil sie keinen Helm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.

Wenn man dieser Auffassung folgt, dann könnte man das natürlich auch auf Autofahrer ausweiten, die eine Kopfverletzung oder ein Schleudertrauma erleiden. Nicht umsonst hat man beim Motorsport neben Überrollbügeln und sonstigen Sicherheitsvorrichtungen im Auto, Helm und Nackenschutz. Und bei den meisten Motorsportveranstaltungen geht es oftmals zivilisierter zu, als im normalen Straßenverkehr. :Cheese:

Das wird in der Tat spannend...

tomerswayler 23.04.2014 11:29

Ist mit der Begründung der Fahrzeuglenker eines älteren Autos, dem zum Beispiel die Vorfahrt genommen wird, auch teilweise selbst schuld an seinen Verletzungen, weil sein Auto vielleicht keinen Airbag besitzt oder weil die Fahrgastzelle nicht so stabil gebaut ist wie bei neuen PKWs?

MattF 23.04.2014 11:35

Zitat:

Zitat von DirectX (Beitrag 1035623)
Wenn man dieser Auffassung folgt, dann könnte man das natürlich auch auf Autofahrer ausweiten, die eine Kopfverletzung oder ein Schleudertrauma erleiden. Nicht umsonst hat man beim Motorsport neben Überrollbügeln und sonstigen Sicherheitsvorrichtungen im Auto, Helm und Nackenschutz. Und bei den meisten Motorsportveranstaltungen geht es oftmals zivilisierter zu, als im normalen Straßenverkehr. :Cheese:

Das wird in der Tat spannend...

So sehe ich das auch und beim Treppen steigen und Fenster putzen immer Helm tragen.

Spannend wird allerdings in der Tat wie der BGH die Studienlage einschätzt. Danach dürften sich die üblichen Streiterein in Foren eigentlich erledigt haben. Ich hab da Zutrauen in die Richter, dass sie das richtig einschätzen.

FinP 23.04.2014 11:39

Wenn da dann wieder mit dem "gesunden Menschenverstand" argumentiert wird, sieht es allerdings schlecht aus.

gollrich 23.04.2014 11:43

vlt. sollte man dem Richter mit einem Baseballschläger ins Gesicht schlagen, die verursachten Schäden wären durch Tragen eines Motorradhelmes sicher zu vermeiden gewesen ....

tomerswayler 23.04.2014 12:03

Es gibt zum Glück auch Urteile, die in die andere Richtung gehen.

http://www.motorsport-total.com/auto...-14032501.html

Zitat:

Einem Fahrradfahrer kann keine Mitschuld an einem Unfall zugeschrieben werden, nur weil er keinen Helm trug. Das hat das Oberlandesgericht Celle entschieden und widersprach damit der Auffassung der Vorinstanz (Az. 14 U 113/13).

Dies könne lediglich dann sein, wenn ein sportlich ambitionierter Fahrer durch seine Fahrweise besondere Risiken eingehe und von ihm ein höheres Gefährdungspotenzial ausgeht, meinten die Richter und folgten damit der vorherrschende Auffassung in der Rechtsprechung. Da jedoch noch immer Gerichte in der Helmfrage unterschiedlich urteilen, ließ das Oberlandesgericht die Revision zum Bundesgerichtshof zu.

amontecc 23.04.2014 12:52

Zitat:

Zitat von tomerswayler (Beitrag 1035631)
Ist mit der Begründung der Fahrzeuglenker eines älteren Autos, dem zum Beispiel die Vorfahrt genommen wird, auch teilweise selbst schuld an seinen Verletzungen, weil sein Auto vielleicht keinen Airbag besitzt oder weil die Fahrgastzelle nicht so stabil gebaut ist wie bei neuen PKWs?

Das wird in der Folge dann irgendwann kommen, sobald die erste Versicherung ihre Kosten minimieren will.
Jeder der von NCAP 5-Sterne abweicht bekommt eine Mitschuld, 20% für jeden Stern, der fehlt, das sagt doch schon der gesunde Menschenverstand, dass neue Autos sicherer sind.
(Und wer nach oben hin vom 50%-Dummy abweichende Abmaße hat, bekommt natürlich auch eine Mitschuld, da dadurch die Schutzwirkung deutlich reduziert wird.)

MattF 23.04.2014 17:37

Zitat:

Zitat von FinP (Beitrag 1035636)
Wenn da dann wieder mit dem "gesunden Menschenverstand" argumentiert wird, sieht es allerdings schlecht aus.

Wie gesagt gehe ich davon aus, dass am BGH mehr Verstand versammelt ist als bei den Dorfgerichten.

Wenn man sich höchstrichterliche Urteile anschaut, dann sind diese durchgehend sehr gut und rational begründet. Das kommt so ein Unsinn meist nicht her raus.

MfG
Matthias

Lui 23.04.2014 17:53

Solange es keine Helmpflicht gibt, finde ich, dass es völlig egal ist ob jemand Helm trägt oder nicht. Dann kann man ja bei Verletzungen an anderen Körperregionen ähnlich argumentieren. Es gibt schliesslich auch andere Körperschutzbekleidung.




Wenn alle Radfahrer das anziehen würden, gäb es viel weniger Verletzungen, da im Gegensatz zum allgemeinen Volksglaube, ist ein Helm kein Ganzkörperkondom.

Luisa84 24.05.2014 17:44

Zitat:

Zitat von Lui (Beitrag 1035763)
Solange es keine Helmpflicht gibt, finde ich, dass es völlig egal ist ob jemand Helm trägt oder nicht. Dann kann man ja bei Verletzungen an anderen Körperregionen ähnlich argumentieren. Es gibt schliesslich auch andere Körperschutzbekleidung.

Sehe ich auch so und ich bin gespannt, wie das Urteil ausgeht.

Rhing 17.06.2014 12:36

Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms
 
Die Klägerin fuhr im Jahr 2011 mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit auf einer innerstädtischen Straße. Sie trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte ein PKW. Die Fahrerin des PKW öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin von innen die Fahrertür, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte, gegen die Fahrertür fuhr und zu Boden stürzte. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, zu deren Ausmaß das Nichttragen eines Fahrradhelms beigetragen hatte. Die Klägerin nimmt die Pkw-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.

Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer ist das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben. Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichtragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden.

Urteil vom 17. Juni 2014 - VI ZR 281/13
LG Flensburg – Entscheidung vom 12. Januar 2012 - 4 O 265/11
OLG Schleswig – Entscheidung vom 5. Juni 2013 - 7 U 11/12
Karlsruhe, den 17. Juni 2014

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Mit dem Schlußsatz könnte es aber mit dem RR / TT anders sein.

Walfanggegner 17.06.2014 12:59

Zitat:

Zitat von Rhing (Beitrag 1050785)
(...)
Mit dem Schlußsatz könnte es aber mit dem RR / TT anders sein.

Interesantes Urteil. Danke fürs Posten.

Bzgl. des Hinweis mit dem Schlußsatz:
In der Urteilsbegründung heißt es doch

Zitat:

Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre.
Zumutbar bei Radfahren im sportlichen Sinne IMHO auf jeden Fall.
Erforderlich? Das ist die andere Frage. Ich für mich selbst würde auch das mit einem "Ja" beantworten.
Käme aber wohl auf die Einzelfallprüfung vor Gericht und ein diesbezüglich präzise auf RR / TT passendes Grundsatzurteil an.

Am besten aber wird es dazu nicht kommen. Und am besten wird weiter Helm getragen und das aktuelle Urteil bekräftigt nicht Einzelne bzgl. des Nichttragen eines Helmes.

Rhing 17.06.2014 13:21

Das war "nur" die Presseerklärung. Den Urteilstext habe ich nicht. Da könnte das Gericht aber z.B. auf die Wettkampfbestimmungen abstellen, die ja das Tragen eines Radhelms vorschreiben. Damit ließe sich dann begründen, dass das Tragen des Helms im sportlichen Bereich allgemein anerkannt ist.

Ich geh davon aus, dass ne Einzelfallprüfung sowieso im Einzelfall erfolgen muss, wenn man zu einer Mithaftung kommt. Ist die Hand gebrochen, ist der Helm natürlich irrelevant, denn den Unfall selbst kann der Helm natürlich nicht verhindern. Ist aber natürlich alles Konjunktiv.

Matthias75 17.06.2014 13:29

Die Entscheidung ist gefallen:

Radfahrer haben auch ohne Helm vollen Anspruch auf Schadensersatz

Zitat:

Der BGH hob dieses Urteil nun auf und sprach der Radfahrerin vollen Schadensersatz zu. Das Tragen eines Schutzhelms sei für Radfahrer schließlich nicht vorgeschrieben. Auch habe es im Unfalljahr 2011 nicht dem "allgemeinen Verkehrsbewusstsein" entsprochen, dass ein Fahrradhelm "zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre". 2011 hätten innerorts nur elf Prozent der Radfahrer einen Helm getragen.
Heißt das jetzt, wenn die Helmquote höher gewesen wäre bzw. wenn sich allgemein die Meinung durchsetzt, dass ein Helm sicherer ist, wäre das Urteil anders ausgefallen?

Matthias

Walfanggegner 17.06.2014 13:35

Zitat:

Zitat von Rhing (Beitrag 1050794)
Das war "nur" die Presseerklärung. Den Urteilstext habe ich nicht. Da könnte das Gericht aber z.B. auf die Wettkampfbestimmungen abstellen, die ja das Tragen eines Radhelms vorschreiben. Damit ließe sich dann begründen, dass das Tragen des Helms im sportlichen Bereich allgemein anerkannt ist.

Ich geh davon aus, dass ne Einzelfallprüfung sowieso im Einzelfall erfolgen muss, wenn man zu einer Mithaftung kommt. Ist die Hand gebrochen, ist der Helm natürlich irrelevant, denn den Unfall selbst kann der Helm natürlich nicht verhindern. Ist aber natürlich alles Konjunktiv.

Das ist klar, Helm ist ja passive Sicherheit.
Geht aber auch nicht um Verursachung bzw. Verhindern eines Unfall sondern um die Frage der möglichen Kausalität zwischen Helm ja / nein und Verletzungsmuster.
Und das wäre in deinem Beispiel mit der Hand halt nicht gegeben.

captain hook 17.06.2014 13:39

Für mich eine höchst sinnvolle Entscheidung. Wenn die Straßenverkehrsordnung will, dass man einen Helm trägt - analog wie beim Motorrad - dann soll man es hineinschreiben.

longtrousers 17.06.2014 13:54

Zitat:

Zitat von Rhing (Beitrag 1050785)
Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm.

Interessant. Die Richter hätten dann aber angeben müssen, ab wieviel Prozent Helmträger das Nichttragen auf einmal fahrlässig wird.

gollrich 17.06.2014 13:54

halte die Begründung auch für Schwachsinn, statt sich auf wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit zu stützen, welches es bekanntlich nicht gibt, wird auf die Wahrnehmung der Leute sich berufen... wenn also genug Leute glauben es wirkt muss jeder andere dem Trottelwahn hinterher rennen, oder er wird zwangsbekehrt... hatten wir schon mal hieß Inquistion...

schnodo 17.06.2014 14:02

Zitat:

Zitat von longtrousers (Beitrag 1050806)
Interessant. Die Richter hätten dann aber angeben müssen, ab wieviel Prozent Helmträger das Nichttragen auf einmal fahrlässig wird.

Ich verstehe das eher als eine Einladung an den Gesetzgeber, genau das zu tun.

Matthias75 17.06.2014 14:22

So wie's formuliert ist, leider kein Urteil für die Zukunft. Wenn zukünftig das Bewusstsein für die Sicherheit des Helmes ändert oder die Helmträgerquote zunimmt, kann das vermutlich wieder ganz anders aussehen.

Matthias

captain hook 17.06.2014 14:55

Das Thema ist doch sowieso irre. Da hat eine Autofahrerin nachsweislich und unbestritten die Radfahrerin verletzt durch ihr Verhalten und will nun nicht zahlen, weil sich die Radfahrerin ja hätte schützen können. Ja, so sieht Verantwortung für das eigene Handeln aus!

Tragen eigentlich Oldtimerfahrer regelmäßig eine ähnliche Mitschuld, weil sie sich wissentlich ohne moderne Schutzeinrichtungen moderner Autos auf die Straße wagen? Würde ich so einen bei einem Unfall verletzen, hätte der sicher in einem modernen Fahrzeug geringere/garkeine Verletzungen erlitten. Und der Einsatz von Crashzonen, Airbags etc ist heute bei 100% der Neuwagen Standard, es kann also durchaus von einer Ortsüblichkeit ausgegangen werden.

Rhing 17.06.2014 14:58

Zitat:

Zitat von longtrousers (Beitrag 1050806)
Interessant. Die Richter hätten dann aber angeben müssen, ab wieviel Prozent Helmträger das Nichttragen auf einmal fahrlässig wird.

Nö, die Richter entscheiden über die anhängige Sache nach gegenwärtigem Recht und nicht über hypothetische Fälle. Und wie ich schon gepostet habe: Kann ja sein, dass dann, wenn so'n Fall zu entscheiden ist, die Gerichte meinen, dass es reicht, dass es bei Rennen ne Helmpflicht gibt.

Rhing 17.06.2014 15:01

Zitat:

Zitat von Matthias75 (Beitrag 1050817)
So wie's formuliert ist, leider kein Urteil für die Zukunft. Wenn zukünftig das Bewusstsein für die Sicherheit des Helmes ändert oder die Helmträgerquote zunimmt, kann das vermutlich wieder ganz anders aussehen.

Matthias

Das kann in der Tat irgendwann mal anders aussehen. Ist doch aber normal. Bei nem Verkehrsunfall in 1957 wäre die Frage, ob ein Gurt zu tragen wäre und ob eine Mithaftung vorliegt, sicherlich anders ausgegangen als 2 Monate vor Einführung der Gurtpflicht. Die Auffassungen ändern sich, damit das, was "normal" ist, und es ist doch gut, dass sich die Rechtsprechung dem ein Stück weit Rechnung trägt.

chris.fall 17.06.2014 18:59

Moin,

Zitat:

Zitat von captain hook (Beitrag 1050832)
Das Thema ist doch sowieso irre. Da hat eine Autofahrerin nachsweislich und unbestritten die Radfahrerin verletzt durch ihr Verhalten und will nun nicht zahlen, weil sich die Radfahrerin ja hätte schützen können. Ja, so sieht Verantwortung für das eigene Handeln aus!

die ganzen Pressebereichte lesen sich für mich sehr danach, dass die Haftpflichtversicherung nicht in vollem Umfang zahlen wollte - bei solchen Verletzungen geht es ja sehr schnell um richtig viel Geld - und das deshalb bis zur obersten Instanz ging.


Viele Grüße,

Christian

amontecc 17.06.2014 21:25

Das mit der Haftpflicht stimmt schon, aber diese vertritt dich ja im Schadensfall. D.h. Wenn die Haftpflicht nicht zahlt, hast du persönlich auch nicht gezahlt.

Lui 17.06.2014 21:54

Skuril. Ich klicke gerade den Thread an und genau dann kommt im ZDF die Meldung über das Urteil.

tandem65 17.06.2014 21:59

Zitat:

Zitat von amontecc (Beitrag 1050946)
Das mit der Haftpflicht stimmt schon, aber diese vertritt dich ja im Schadensfall. D.h. Wenn die Haftpflicht nicht zahlt, hast du persönlich auch nicht gezahlt.

Nun, die Versicherung bezahlt nur so viel wie sie unbedingt muß. Wenn die Schadenssummen hinreichend groß sind wird vor Gericht ausgelotet was gespart werden kann. Letztlich sind die 20% genug gewesen um bis vor den BGH zu ziehen, auch für das Unfallopfer!:Huhu:
Hätte das Gericht anders entschieden wäre es ja leider auch korrekt gewesen und so war der Stand bis Heute morgen.
Wenn Du der Schadensverursacher bist, wirst Du sicherlich auch nicht aus eigener Tasche die 20% Differenz bezahlen. Das die Versicherung da entsprechend agiert kannst Du als Schadensverursacher überhaupt nicht beeinflussen, es sei denn Du bist tatsächlich nicht versichert oder verzichtest auf Deinen Versicherungsschutz und bezahlst einfach alles aus der Portokasse. :Huhu:

highlander 17.06.2014 23:29

Meiner Meinung nach wäre das Urteil schon anders ausgefallen, wenn die betroffene Fahrradfahrerin auf einem RR unterwegs gewesen wäre. Die Straßenverkehrsordnung unterscheidet ja zwischen einem "normalem" Rad und einem "Sportgerät"
Von meiner Beobachtung her würde ich sagen, das über 50% der Benutzer eines solchen Sportgeräts einen Helm tragen und dementsprechend jenes "Verkehrsbewusstsein" vorhanden ist, auf dessen Nichtvorhandensein bei der Benutzung eines gewöhnlichen Fahrrads sich das Gericht bei der Urteilsfindung beruft.
Zumindest ist mit diesem Urteil keine signifikante Klarheit für zukünftige Fälle geschaffen worden, zumal der Unfallort "innerorts" ebenfalls besonders berücksichtigt wurde.

sybenwurz 17.06.2014 23:38

Kann man diesen Fred eigentlich nicht mit
Mitverschulden, wenn der Helm nicht getragen wird
zusammenlegen?
Ich finde das ein wenig verwirrend, da es in beiden ja unmittelbar um den gleichen Vorgang geht.

sybenwurz 17.06.2014 23:42

Kann man diesen Fred eigentlich nicht mit
Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms
zusammenlegen?
Ich finde das ein wenig verwirrend, da es in beiden ja unmittelbar um den gleichen Vorgang geht.

Lui 18.06.2014 02:55

Wie sieht es eigentlich bei reinen Radsportlern ohne Helm aus bei einem Unfall? Unterscheidet sich da das Gesetz?

OH_JE51 18.06.2014 06:58

Zitat:

Zitat von Lui (Beitrag 1050986)
Wie sieht es eigentlich bei reinen Radsportlern ohne Helm aus bei einem Unfall? Unterscheidet sich da das Gesetz?

Das steht am Ende des Berichts auf T-O:
Ob "in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann", ließ der BGH ausdrücklich offen.

Hafu 18.06.2014 07:04

Zitat:

Zitat von Lui (Beitrag 1050986)
Wie sieht es eigentlich bei reinen Radsportlern ohne Helm aus bei einem Unfall? Unterscheidet sich da das Gesetz?

Das Gesetz unterscheidet sich nicht, aber die Tragepraxis, d.h. der Prozentsatz derjenigen Radfahrer, die Helm tragen unterscheidet sich deutlich von der Gesamtmasse der Radfahrer.

Und auf diesen Prozentsatz (noch dazu rückgerechnet auf das Jahr 2011, als er noch einmal ein Stück niedriger war= 11%) hat sich der Bundesgerichtshof in seiner Urteilsbegründung explizit bezogen.

Umgekehrt kann man davon ausgehen, dass bei aktiven Radsportlern und Triathleten, bei denen die Helmtragequote im Training mit Sicherheit deutlich über 50% liegt. das Urteil anders ausgegangen wird (und vergleichbare Prozesse in der Zukunft anders ausgehen werden).

Es geht ja auch nicht, wie der Threadtitel suggeriert, um das Mitverschulden am Unfall, sondern um eine prozentuale Mithaftung an Unfallfolgen, die schwere Kopfverletzungen betreffen, die nach gutachterlicher Sicht im konkreten Fall weniger drastisch mit Helm ausfallen würden.

MattF 18.06.2014 08:44

Das Gericht hat sich leider, soweit ich das sehe um eine Berwertung der Datenlage herum gedrückt.

Zu sagen, dass die "Pflicht" ein Helm zu tragen, vom subjektiven Bewusstsein der Mensch abhängt ist schon merkwürdig.

Das würde bedeuten wenn nur genug Mensch glauben würden ein Nudelsieb auf dem Kopf hilft gegen Kopfverletzungen beim Fensterpurtzen, müssten es die andere auch aufsetzen, um vollen Schadenersatz zu erhalten.

FinP 18.06.2014 08:47

Das Gutachten des Sachverständigen würde ich gerne mal sehen.
Hat der eine Versuchsreihe gemacht oder auf den gesunden Menschenverstand abgestellt?

HendrikO 18.06.2014 10:11

Auf dem Rennrad bei einer Trainingsfahrt käme sehr wahrscheinlich etwas anderes raus. Das Gericht sagt ja, "dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre."

Daher käme neben der von Hafu schon erwähnten Quote von deutlich über 50 % sicher auch noch hinzu, daß in Wettkämpfen und bei RTF ja überall Helmpflicht besteht. Man könnte das Bewußtsein, daß beim Sport ein ein Helm zu tragen ist, als verbreitet und allgemein anerkannt bezeichnen.

Ich hoffe doch, daß vor der Einführung einer Helmpflicht, die ja momentan gar nicht im Raume steht, die Radhelme mal nach vernünftigen Kriterien getestet werden, wie es bei Auto-Crashtests oder Motorrädern üblich ist. Also bitte nicht irgendwelche netten Besserwisser, die eine Melone mit Helm fallen lassen, sondern ein Dummy, der mit 30 km/h gegen eine Wand oder ein Auto brezelt.

MattF 18.06.2014 10:32

Zitat:

Zitat von HendrikO (Beitrag 1051051)
Ich hoffe doch, daß vor der Einführung einer Helmpflicht, die ja momentan gar nicht im Raume steht, die Radhelme mal nach vernünftigen Kriterien getestet werden, wie es bei Auto-Crashtests oder Motorrädern üblich ist. Also bitte nicht irgendwelche netten Besserwisser, die eine Melone mit Helm fallen lassen, sondern ein Dummy, der mit 30 km/h gegen eine Wand oder ein Auto brezelt.


Es gibt durchaus rationale Kriterien. Schau mal in die Norm, z.b. zu finden im Wikipedia Artikel.

Diese Werte die da zugelassen sind, sind aber jenseits von Gut und Böse.

Ein tragbarer Helm kann keine vernünftigt Schutzwirkung erzielen.
Ein Fahrrad ist halt kein Motorrad.

Hafu 18.06.2014 11:05

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1051060)
...
Ein tragbarer Helm kann keine vernünftigt Schutzwirkung erzielen.
Ein Fahrrad ist halt kein Motorrad.

Du meinst, dass die gängigen Radhelme im Falle eines Unfalls nicht viel bringen?

Ich hab' da mehr Vertrauen in die Radhersteller, insbesondere da die Markenhersteller ihre Helme nicht an europäischen Mindestnormen orientiert konstruieren, sondern (da sie ja meist global agieren) auch versuchen die strengeren australischen oder US-amerikanischen Normen (inklusive der entsprechenden Zulassungsverfahren) zu erfüllen.

Dass der Schutz des Gesichtsschädels bei Farradhelmen generell kaum gegeben ist, weshalb die Schutzwirkung eines Helmes stark von der Art des Unfalls/Ort des Aufpralls des Kopfes und damit natürlich auch vom Faktor Zufall abhängt, würde ich natürlich mit unterschreiben.

haifisch93 18.06.2014 11:40

Zitat:

Zitat von OH_JE51 (Beitrag 1050990)
Das steht am Ende des Berichts auf T-O:
Ob "in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann", ließ der BGH ausdrücklich offen.

Da frage ich mich wie man das ganz klar differenzieren will, ob man sich jetzt sportlich betätigt oder nicht. Wenn ich abends vom Schwimmbad heimfahre und mir das Wetter gefällt und ich noch Lust habe mich zu bewegen und ein 20km Umweg fahre und zufällig eine Sporthose trage, ist das dann sportliche Betätigung :confused:


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 00:18 Uhr.

Powered by vBulletin Version 3.6.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.