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Mitverschulden, wenn der Helm nicht getragen wird
Da bin ich ja mal gespannt:
Verhandlungstermin: 17. Juni 2014 VI ZR 281/13 OLG Schleswig – Entscheidung vom 5. Juni 2013 - 22 U 67/09 LG Flensburg - Entscheidung vom 12. Januar 2012 - 4 O 265/11 Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit auf einer Straße. Sie trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte ein PKW. Die Halterin des PKW öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin von innen die Fahrertür, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte, gegen die Fahrertür fuhr und zu Boden stürzte. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu. Sie begehrt die Feststellung, dass die Halterin des PKW und deren KFZ- Haftpflichtversicherer verpflichtet sind, ihr alle aus dem Unfall entstandenen und zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen, insbesondere auch ein Schmerzensgeld zu zahlen. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass die Klägerin an der Entstehung der Kopfverletzung ein Mitverschulden von 50 % treffe, weil sie keinen Schutzhelm getragen habe. Seine hälftige Eintrittspflicht hat der beklagte Haftpflichtversicherer außergerichtlich anerkannt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Es hat der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet. Die Fahrradfahrerin treffe ein Mitverschulden an den erlittenen Schädelverletzungen, weil sie keinen Helm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe. Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird zu entscheiden haben, ob diese Auffassung zutrifft, obwohl nach dem Gesetz für Radfahrer keine Helmpflicht besteht. [Moderation: Das Urteil wurde inzwischen verkündet. Siehe Posting Nummer 12 dieses Threads. Die beiden Threads zu diesem Thema wurden zusammengelegt.] |
Zitat:
Das wird in der Tat spannend... |
Ist mit der Begründung der Fahrzeuglenker eines älteren Autos, dem zum Beispiel die Vorfahrt genommen wird, auch teilweise selbst schuld an seinen Verletzungen, weil sein Auto vielleicht keinen Airbag besitzt oder weil die Fahrgastzelle nicht so stabil gebaut ist wie bei neuen PKWs?
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Zitat:
Spannend wird allerdings in der Tat wie der BGH die Studienlage einschätzt. Danach dürften sich die üblichen Streiterein in Foren eigentlich erledigt haben. Ich hab da Zutrauen in die Richter, dass sie das richtig einschätzen. |
Wenn da dann wieder mit dem "gesunden Menschenverstand" argumentiert wird, sieht es allerdings schlecht aus.
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vlt. sollte man dem Richter mit einem Baseballschläger ins Gesicht schlagen, die verursachten Schäden wären durch Tragen eines Motorradhelmes sicher zu vermeiden gewesen ....
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Es gibt zum Glück auch Urteile, die in die andere Richtung gehen.
http://www.motorsport-total.com/auto...-14032501.html Zitat:
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Zitat:
Jeder der von NCAP 5-Sterne abweicht bekommt eine Mitschuld, 20% für jeden Stern, der fehlt, das sagt doch schon der gesunde Menschenverstand, dass neue Autos sicherer sind. (Und wer nach oben hin vom 50%-Dummy abweichende Abmaße hat, bekommt natürlich auch eine Mitschuld, da dadurch die Schutzwirkung deutlich reduziert wird.) |
Zitat:
Wenn man sich höchstrichterliche Urteile anschaut, dann sind diese durchgehend sehr gut und rational begründet. Das kommt so ein Unsinn meist nicht her raus. MfG Matthias |
Solange es keine Helmpflicht gibt, finde ich, dass es völlig egal ist ob jemand Helm trägt oder nicht. Dann kann man ja bei Verletzungen an anderen Körperregionen ähnlich argumentieren. Es gibt schliesslich auch andere Körperschutzbekleidung.
![]() ![]() Wenn alle Radfahrer das anziehen würden, gäb es viel weniger Verletzungen, da im Gegensatz zum allgemeinen Volksglaube, ist ein Helm kein Ganzkörperkondom. ![]() |
Zitat:
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Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms
Die Klägerin fuhr im Jahr 2011 mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit auf einer innerstädtischen Straße. Sie trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte ein PKW. Die Fahrerin des PKW öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin von innen die Fahrertür, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte, gegen die Fahrertür fuhr und zu Boden stürzte. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, zu deren Ausmaß das Nichttragen eines Fahrradhelms beigetragen hatte. Die Klägerin nimmt die Pkw-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.
Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer ist das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben. Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichtragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden. Urteil vom 17. Juni 2014 - VI ZR 281/13 LG Flensburg – Entscheidung vom 12. Januar 2012 - 4 O 265/11 OLG Schleswig – Entscheidung vom 5. Juni 2013 - 7 U 11/12 Karlsruhe, den 17. Juni 2014 Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe Mit dem Schlußsatz könnte es aber mit dem RR / TT anders sein. |
Zitat:
Bzgl. des Hinweis mit dem Schlußsatz: In der Urteilsbegründung heißt es doch Zitat:
Erforderlich? Das ist die andere Frage. Ich für mich selbst würde auch das mit einem "Ja" beantworten. Käme aber wohl auf die Einzelfallprüfung vor Gericht und ein diesbezüglich präzise auf RR / TT passendes Grundsatzurteil an. Am besten aber wird es dazu nicht kommen. Und am besten wird weiter Helm getragen und das aktuelle Urteil bekräftigt nicht Einzelne bzgl. des Nichttragen eines Helmes. |
Das war "nur" die Presseerklärung. Den Urteilstext habe ich nicht. Da könnte das Gericht aber z.B. auf die Wettkampfbestimmungen abstellen, die ja das Tragen eines Radhelms vorschreiben. Damit ließe sich dann begründen, dass das Tragen des Helms im sportlichen Bereich allgemein anerkannt ist.
Ich geh davon aus, dass ne Einzelfallprüfung sowieso im Einzelfall erfolgen muss, wenn man zu einer Mithaftung kommt. Ist die Hand gebrochen, ist der Helm natürlich irrelevant, denn den Unfall selbst kann der Helm natürlich nicht verhindern. Ist aber natürlich alles Konjunktiv. |
Die Entscheidung ist gefallen:
Radfahrer haben auch ohne Helm vollen Anspruch auf Schadensersatz Zitat:
Matthias |
Zitat:
Geht aber auch nicht um Verursachung bzw. Verhindern eines Unfall sondern um die Frage der möglichen Kausalität zwischen Helm ja / nein und Verletzungsmuster. Und das wäre in deinem Beispiel mit der Hand halt nicht gegeben. |
Für mich eine höchst sinnvolle Entscheidung. Wenn die Straßenverkehrsordnung will, dass man einen Helm trägt - analog wie beim Motorrad - dann soll man es hineinschreiben.
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Zitat:
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halte die Begründung auch für Schwachsinn, statt sich auf wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit zu stützen, welches es bekanntlich nicht gibt, wird auf die Wahrnehmung der Leute sich berufen... wenn also genug Leute glauben es wirkt muss jeder andere dem Trottelwahn hinterher rennen, oder er wird zwangsbekehrt... hatten wir schon mal hieß Inquistion...
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So wie's formuliert ist, leider kein Urteil für die Zukunft. Wenn zukünftig das Bewusstsein für die Sicherheit des Helmes ändert oder die Helmträgerquote zunimmt, kann das vermutlich wieder ganz anders aussehen.
Matthias |
Das Thema ist doch sowieso irre. Da hat eine Autofahrerin nachsweislich und unbestritten die Radfahrerin verletzt durch ihr Verhalten und will nun nicht zahlen, weil sich die Radfahrerin ja hätte schützen können. Ja, so sieht Verantwortung für das eigene Handeln aus!
Tragen eigentlich Oldtimerfahrer regelmäßig eine ähnliche Mitschuld, weil sie sich wissentlich ohne moderne Schutzeinrichtungen moderner Autos auf die Straße wagen? Würde ich so einen bei einem Unfall verletzen, hätte der sicher in einem modernen Fahrzeug geringere/garkeine Verletzungen erlitten. Und der Einsatz von Crashzonen, Airbags etc ist heute bei 100% der Neuwagen Standard, es kann also durchaus von einer Ortsüblichkeit ausgegangen werden. |
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Moin,
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Viele Grüße, Christian |
Das mit der Haftpflicht stimmt schon, aber diese vertritt dich ja im Schadensfall. D.h. Wenn die Haftpflicht nicht zahlt, hast du persönlich auch nicht gezahlt.
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Skuril. Ich klicke gerade den Thread an und genau dann kommt im ZDF die Meldung über das Urteil.
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Zitat:
Hätte das Gericht anders entschieden wäre es ja leider auch korrekt gewesen und so war der Stand bis Heute morgen. Wenn Du der Schadensverursacher bist, wirst Du sicherlich auch nicht aus eigener Tasche die 20% Differenz bezahlen. Das die Versicherung da entsprechend agiert kannst Du als Schadensverursacher überhaupt nicht beeinflussen, es sei denn Du bist tatsächlich nicht versichert oder verzichtest auf Deinen Versicherungsschutz und bezahlst einfach alles aus der Portokasse. :Huhu: |
Meiner Meinung nach wäre das Urteil schon anders ausgefallen, wenn die betroffene Fahrradfahrerin auf einem RR unterwegs gewesen wäre. Die Straßenverkehrsordnung unterscheidet ja zwischen einem "normalem" Rad und einem "Sportgerät"
Von meiner Beobachtung her würde ich sagen, das über 50% der Benutzer eines solchen Sportgeräts einen Helm tragen und dementsprechend jenes "Verkehrsbewusstsein" vorhanden ist, auf dessen Nichtvorhandensein bei der Benutzung eines gewöhnlichen Fahrrads sich das Gericht bei der Urteilsfindung beruft. Zumindest ist mit diesem Urteil keine signifikante Klarheit für zukünftige Fälle geschaffen worden, zumal der Unfallort "innerorts" ebenfalls besonders berücksichtigt wurde. |
Kann man diesen Fred eigentlich nicht mit
Mitverschulden, wenn der Helm nicht getragen wird zusammenlegen? Ich finde das ein wenig verwirrend, da es in beiden ja unmittelbar um den gleichen Vorgang geht. |
Kann man diesen Fred eigentlich nicht mit
Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms zusammenlegen? Ich finde das ein wenig verwirrend, da es in beiden ja unmittelbar um den gleichen Vorgang geht. |
Wie sieht es eigentlich bei reinen Radsportlern ohne Helm aus bei einem Unfall? Unterscheidet sich da das Gesetz?
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Zitat:
Ob "in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann", ließ der BGH ausdrücklich offen. |
Zitat:
Und auf diesen Prozentsatz (noch dazu rückgerechnet auf das Jahr 2011, als er noch einmal ein Stück niedriger war= 11%) hat sich der Bundesgerichtshof in seiner Urteilsbegründung explizit bezogen. Umgekehrt kann man davon ausgehen, dass bei aktiven Radsportlern und Triathleten, bei denen die Helmtragequote im Training mit Sicherheit deutlich über 50% liegt. das Urteil anders ausgegangen wird (und vergleichbare Prozesse in der Zukunft anders ausgehen werden). Es geht ja auch nicht, wie der Threadtitel suggeriert, um das Mitverschulden am Unfall, sondern um eine prozentuale Mithaftung an Unfallfolgen, die schwere Kopfverletzungen betreffen, die nach gutachterlicher Sicht im konkreten Fall weniger drastisch mit Helm ausfallen würden. |
Das Gericht hat sich leider, soweit ich das sehe um eine Berwertung der Datenlage herum gedrückt.
Zu sagen, dass die "Pflicht" ein Helm zu tragen, vom subjektiven Bewusstsein der Mensch abhängt ist schon merkwürdig. Das würde bedeuten wenn nur genug Mensch glauben würden ein Nudelsieb auf dem Kopf hilft gegen Kopfverletzungen beim Fensterpurtzen, müssten es die andere auch aufsetzen, um vollen Schadenersatz zu erhalten. |
Das Gutachten des Sachverständigen würde ich gerne mal sehen.
Hat der eine Versuchsreihe gemacht oder auf den gesunden Menschenverstand abgestellt? |
Auf dem Rennrad bei einer Trainingsfahrt käme sehr wahrscheinlich etwas anderes raus. Das Gericht sagt ja, "dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre."
Daher käme neben der von Hafu schon erwähnten Quote von deutlich über 50 % sicher auch noch hinzu, daß in Wettkämpfen und bei RTF ja überall Helmpflicht besteht. Man könnte das Bewußtsein, daß beim Sport ein ein Helm zu tragen ist, als verbreitet und allgemein anerkannt bezeichnen. Ich hoffe doch, daß vor der Einführung einer Helmpflicht, die ja momentan gar nicht im Raume steht, die Radhelme mal nach vernünftigen Kriterien getestet werden, wie es bei Auto-Crashtests oder Motorrädern üblich ist. Also bitte nicht irgendwelche netten Besserwisser, die eine Melone mit Helm fallen lassen, sondern ein Dummy, der mit 30 km/h gegen eine Wand oder ein Auto brezelt. |
Zitat:
Es gibt durchaus rationale Kriterien. Schau mal in die Norm, z.b. zu finden im Wikipedia Artikel. Diese Werte die da zugelassen sind, sind aber jenseits von Gut und Böse. Ein tragbarer Helm kann keine vernünftigt Schutzwirkung erzielen. Ein Fahrrad ist halt kein Motorrad. |
Zitat:
Ich hab' da mehr Vertrauen in die Radhersteller, insbesondere da die Markenhersteller ihre Helme nicht an europäischen Mindestnormen orientiert konstruieren, sondern (da sie ja meist global agieren) auch versuchen die strengeren australischen oder US-amerikanischen Normen (inklusive der entsprechenden Zulassungsverfahren) zu erfüllen. Dass der Schutz des Gesichtsschädels bei Farradhelmen generell kaum gegeben ist, weshalb die Schutzwirkung eines Helmes stark von der Art des Unfalls/Ort des Aufpralls des Kopfes und damit natürlich auch vom Faktor Zufall abhängt, würde ich natürlich mit unterschreiben. |
Zitat:
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