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dude 23.03.2008 19:49

The Central Governor
 
Tim Noakes' ("The lore of running") Idee des "central governor" haben wir hier mE bereits frueher mal diskutiert. Gestern bin ich auf ein Podcast-Interview mit ihm gestossen, das mich fasziniert hat wie kein anderes Sport-Interview in den letzten Jahren.

http://www.athleticscoaching.ca/User...0Interview.mp3

Noakes erklaert nicht nur nochmals den Hintergrund seiner Theorie, sondern auch die Auswirkung im Hinblick auf Training (Belastung, Erholung, Hoehentraining etc.) und Wettkampfleistung sehr bildlich und damit fuer jeden verstaendlich. 45 min. aufmerksames Zuhoeren bringen jedem Ausduaersportler mehr als Berge von Trainingsliteratur.

Fuer all' jene, die sich mit Englisch ein wenig schwertun: keine Angst, Noakes ist Suedafrikaner und aufgrund der Naehe dort zum Hollaendischen ist sein Englisch fuer Deutsche gut verstaendlich.

Hier nochmals eine vereinfachte Zusammenfassung fuer die, die von dieser Theorie noch nicht gehoert haben:

"According to the model, the brain, when it senses that the athlete is overstretching him- or herself, sets off a series of sensations that the body translates as symptoms of fatigue. The brain does so to protect itself, the heart and the rest of the body. "Its main function is to make sure you don't get into trouble in whatever exercise you're doing," explains Noakes."

http://www.scienceinafrica.co.za/2004/june/uctsport.htm


Das ist eine sehr vereinfachte Zusammenfassung. Im Interview geht er detailliert auf die verschiedensten Aspekte ein, die aus dieser Theorie folgen.
Gerne wuerde ich die wichtigsten Punkte hier zusammenfassen, aber dafuer muss ich mir das Interview nochmals vollstaendig anhoeren. Interessant ist das Interview auch und besonders fuer Leser von "Lore of running", da er das Modell seit der letzten Publikation weiter verfeinert hat.

Ich wuerde mich freuen mit Euch hier darueber zu diskutieren.

Klugschnacker 23.03.2008 22:22

Wenn ich das richtig verstehe, ist das die Einsicht, dass Müdigkeit und Erschöpfung zumindest zum Teil aktive Leistungen des "Central Governors", also letztlich des Gehirns sind? Ich habe ein paar interessante Dinge darüber gehört und halte das für einen sehr wesentlichen Gedanken.

sybenwurz 23.03.2008 22:28

Die vier (?) (bei mir sind es vier) Zeilen, die du zitiert hast, wird wahrscheinlich jeder Herzkaschper-Patient, der diese Anzeichen von Müdigkeit/Schlappheit vor seinem Infarkt lange genug ignoriert hat unterschreiben...
Gut, hier isses natürlich auf Sport bezogen, aber als jemand der immer gerne sehr genau in sich hineinhört, würde ich schon sagen, da iss was dran und nicht nur aus sportlicher Sicht.

Werde mir das bei Gelegenheit mal vollständig reinziehen.

dude 23.03.2008 22:35

@KS

Absolut.
Hoer' Dir das Interview an. Der Schutz vor Selbstzerstoerung.

- Laut Noakes sind nur Drogen wirklich faehig, diese Schutzbarriere anzugreifen (Amphetamine).

- Selbst Herzpatienten, die ein Rehaprogramm machen, haben die Intensitaet automatisch drauf und toten sich in den allerseltensten Faellen.

- Warum ist ein Zielsprint moeglich? Er zeigt eindeutig, dass der Sportler seine Moeglichkeiten nciht ausgeschoepft hat.

- Hoehentraining - warum ist man langsamer? Das Hirn merkt sofort, dass man weniger Sauerstoff zur Verfuegung hat und gibt weniger Preis.

- seine theorie zur fortbewegung beim laufen: nicht der "motor" ist das limit, sondern die vom hirn an die beinmuskulatur gesendeten signale kurz vor dem auftreten die muskulatur zu spannen. nach noakes ist laufen lediglich die verkettung von spruengen. der 2:05 marathonsieger springt auf dem vorfuss ins ziel. der abgeschlagene 2:20 laeufer platscht die letzten kilometer. grund: mueder geist gibt unpraezisere/weniger signale an die beine.

konsequenz: weniger umfangsbetont trainieren, mehr in der wettkampfgeschwindigkeit. den geist erziehen, dass das WK-tempo ertraeglich ist.
beispiel: ein rein ausdauertrainierter laeufer macht nach 4-5 wochen tempotraining einen krassen leistungssprung der physiologisch aufgrund der kurzen zeitspanne nicht realisierbar ist.



etc pp

dude 23.03.2008 22:35

Zitat:

Zitat von sybenwurz (Beitrag 79034)
Die vier (?) (bei mir sind es vier) Zeilen, die du zitiert hast, wird wahrscheinlich jeder Herzkaschper-Patient, der diese Anzeichen von Müdigkeit/Schlappheit vor seinem Infarkt lange genug ignoriert hat unterschreiben...
Gut, hier isses natürlich auf Sport bezogen, aber als jemand der immer gerne sehr genau in sich hineinhört, würde ich schon sagen, da iss was dran und nicht nur aus sportlicher Sicht.

Werde mir das bei Gelegenheit mal vollständig reinziehen.

volltreffer! genau auch das ein beispiel von noakes, der auch herzpatienten betreut.

dude 23.03.2008 22:36

Ich glaub' das Ganze ist mal ein Essay wert.

dude 23.03.2008 22:39

auch interessant: die wissenschaft haelt an VO2Max fest, obwohl festgestellt wurde, dass dieses "plateau" gar keines ist. die kurve flacht zwar dramatisch ab, aber steigt weiterhin an. um an der alten theorie krampfhaft festzuhalten wurde das phaenomen "abgeflachtes plateau" (oder so aehnlich) genannt, also eine echtes paradoxon (heisst das so?).

tomerswayler 23.03.2008 22:43

Das deckt sich soweit mit meiner Meinung, dass die Wand bei Kilometer 35 im Marathon eine "Erfindung" von vielen Läufern ist, die auf den letzten Kilometern einbrechen.

Ein Einbrechen im Sinne von langsamer werden gibt es meiner Meinung nach nicht, sondern nur eine mangelnde Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung, die zwar in der Endphase vom Marathon gewaltig sein dürfte, aber eben doch zu bewältigen ist.
Ich muss dazu sagen, dass ich noch keinen Marathon gelaufen bin, im Training aber auch schon Läufe bis 35km gemacht hab.

Eine Akzeptable "Ausrede" am Ende vom Marathon wären meines Erachtens Krämpfe oder Verletzungen, normale Ermüdung aber nicht.

Mal schaun, ob ich diese These nach meinem ersten Marathon überdenken muss:Gruebeln:

dude 23.03.2008 22:48

Vollkommen richtig, die Wand existiert nicht, respektive nur bei Laeufern, die nie mehr als 35km trainieren.

tomerswayler 23.03.2008 22:56

Aber sollte ein mental starker Athlet nicht in der Lage sein, auch nur mit Läufen bis maximal 35km, sein Tempo bis ins Ziel hochzuhalten?
Ich denke schon.
Andererseits sollte die mentale Stärke mit 35+km Läufen noch besser trainiert werden können!

dude 23.03.2008 23:07

exakt.
wenn das finishen eines ersten marathons das ziel ist, waere es ja langweilig 42km bereits im training zu laufen.
ansonsten...

tomerswayler 23.03.2008 23:33

Mit dieser Theorie geht auch das Tabata-Protokoll d'accord, welches in der letzten Sendung vom Freitag vorgestellt wurde.
Nochmal kurz zur Wiederholung: Tabata ist eine Sprintbelastung von 20 Sekunden mit 10 Sekunden Pause, das Ganze dann 6 bis 8 mal.
Ich habs gestern gleich mal angetestet und die Belastung war vergleichbar mit nem 10km Endspurt.

Allerdings meint Noakes ja auch, dass jemand, der zu einem Endspurt fähig ist noch nicht seine komplette Leistungsfähigkeit abgerufen hat.

Demnach bin ich in meiner mentalen Stärke noch nicht zu 100% ausgereizt, denn nen Spurt kann ich am Ende immer noch hinlegen.
Ich weiß also nicht, ob ich da vollkommen zustimmen kann.

@ Dude:
Bist Du denn selbst so gefestigt, dass ein Nachlassen der Geschwindigkeit ausgeschlossen ist, oder hast du auch schon Einbrüche erlebt?
Ich persönlich konnte nur bei meinem ersten Wettkampf überhaupt nicht durchlaufen. Das war vor sieben Jahren(damals war ich 14) ein 10km Lauf, den ich praktisch ohne Training in ner knappen Stunde gelaufen/gegangen bin.
Seitdem ich ernsthaft trainier, musste ich nie Gehpausen einlegen.
Wirklich große Veranstaltungen(Marathon, LD) hab ich wie gesagt aber noch nie absolviert.

dude 23.03.2008 23:38

man kann es auch nur naeherungsweise ausreizen, weil dein hirn sich ja nicht selbst austricksen kann. hier kaemen dann die psychopharmaka ins spiel.

und nur weil man einen wettkampf durchlaufen kann, heisst das ja noch gar nichts. ich kann wahrscheinlich 150km laufen ohne pause. halt entsprechend lahm.
eine "mauer" hab' ich noch nicht erlebt, ein graduelles langsamerwerden ab km28 oder so, sehr wohl.

aber es ist IMMER zuerst der kopf der sagt "es geht nicht mehr".
das war auch bei meinem letzten marathon-PB-versuch bei km30 so. fortan 5-10s/km langsamer: damit konnte mein hirn leben.

tomerswayler 23.03.2008 23:49

Dein letzter Marathon PB Versuch: War das dein grandios gewonnenes Duell gegen Lance of A?

Ist da ne Neuauflage geplant, zumal Lance ja momentan in etwa dein Niveau erreicht hat?
Läuft er überhaupt noch?

dude 23.03.2008 23:56

Nein, das war in Berlin 07.

Ich glaub' er startet auch wieder in NY, ja. Mal schauen, was er in Boston zustandebringt. Aber wenn er so weiterrennt, dann wird's noch richtig lustig. ;)

docpower 24.03.2008 00:47

Zitat:

Zitat von dude (Beitrag 79036)

konsequenz: weniger umfangsbetont trainieren, mehr in der wettkampfgeschwindigkeit. den geist erziehen, dass das WK-tempo ertraeglich ist.
beispiel: ein rein ausdauertrainierter laeufer macht nach 4-5 wochen tempotraining einen krassen leistungssprung der physiologisch aufgrund der kurzen zeitspanne nicht realisierbar ist.

etc pp

Hochinteressant. Aber dem Ausdauerjunkie schwer vermittelbar.
Und eine Begründung für meine PB als absolute lahme Ente.
Danke für den interessanten Hinweis, frohe Ostern zurück!
Docpower

mauna_kea 24.03.2008 00:55

es ist ja bekannt, dass während intensivem oder sehr langen trainingseinheiten sogenannte ermüdungstransmitter aktiviert werden, die dem gehirn sagen, dass man müde ist. (mentale ermüdung)
stichwort wären hier: serotonin und freies tryptophan.
es existiert also ein mechanismus im körper bzw. gehirn, der uns offensichtlich vor schlimmerem bewahren will.

training gewöhnt den körper nun an die belastungen.
so gesehen gewöhnt natürlich auch intensives training an intensive belastungen.
extensives training gewöhnt halt an die belastungsdauer.

es gab ja schon früher die trainingsempfehlung für marathons: trainiere die intensität oder die geplante wettkampfdauer.

ich glaube auch, dass sehr viel kopfsache ist, vor allem je länger die distanzen werden. einen 10fach ultra kann man nicht trainieren, das läuft im kopf ab.

aber als allheilmittel taugts auch nicht, weil man erstmal die körperlichen vorraussetzungen schaffen muss. und dazu braucht man auch "normales" training.

Raimund 24.03.2008 01:14

warum man im Radsport wohl mit Kokain dopt........?!

dude 24.03.2008 08:20

Zitat:

Zitat von docpower (Beitrag 79074)
Hochinteressant. Aber dem Ausdauerjunkie schwer vermittelbar.
Und eine Begründung für meine PB als absolute lahme Ente.
Danke für den interessanten Hinweis, frohe Ostern zurück!
Docpower

richtig.
aber - wie maunakea auch schon sagte - umfangsbetontes training hilft ja auch dem selbstbewusstsein vieler sportler und reguliert defizite im bereich der nahrungsaufnahme.
noakes erwaehnt auch noch, dass training bei vielen sportlern eher dazu dient, daemonen zu vertreiben, anstatt reine leistungssteigerungen zu bringen. sport ist dann nur noch heilmittel, kann aber wiederum bei exzessen zum unheilmittel werden.

dude 24.03.2008 08:23

Zitat:

Zitat von Raimund (Beitrag 79078)
warum man im Radsport wohl mit Kokain dopt........?!

amphetamine sind das bessere stichwort. seit jahrzehnten im radsport im grosseinsatz.
ich bin ueberzeugt davon, dass das angreifen der autonomen reserven nicht nur zu kurzen, sondern auch zu langfristigen schaeden fuehren kann. selbst das antasten der grenzen - wie wir es drogenfrei im leistungssport machen - ist dauerhaft ungesund. das kann man sich dann mit "i'd rather brun out than fade away" schoenreden.

mauna_kea 24.03.2008 12:22

Zitat:

Zitat von dude (Beitrag 79087)
ich bin ueberzeugt davon, dass das angreifen der autonomen reserven nicht nur zu kurzen, sondern auch zu langfristigen schaeden fuehren kann. selbst das antasten der grenzen - wie wir es drogenfrei im leistungssport machen - ist dauerhaft ungesund.

das sehe ich genauso. deshalb bin ich auch kein freund von greifplänen.
man mag mich weichei nennen, aber ich habe bisher meinem körper in den gut 40 jahren sport genug angetan und sehe da mittlerweile vieles anders.

nicht umsonst definiert man ja "gesundheitssport" mit 4-6 std/woche.

wie weit sind wir davon schon entfernt ?
(ich momentan ca. 15-20std/woche)

irgendwann - beim einen früher, beim anderen später - holt der körper sich aber seine auszeit.

aber der mensch braucht irgendeine sucht.
wenns nicht der sport ist, dann halt alkohol, zigaretten,essen, fernsehen, computern etc.

tobi_nb 24.03.2008 12:39

Interessant wäre es hierzu mal Tridumas und Drullses Meinung zu hören.

Ich persönlich würde es nicht so radikal wie Noakes sehen. Langes lockeres Ausdauertraining trainiert schließlich auch das Hirn in Bezug auf Länge des Durchhaltens.

sybenwurz 24.03.2008 12:46

Zitat:

Zitat von mauna_kea (Beitrag 79110)
aber der mensch braucht irgendeine sucht.

Braucht er die, sucht er die, oder bilden wir uns das nur ein?
Gibt es vielleicht auch ein umgekehrtes System des "Central Governor", welches uns anpeitschen kann, wenn "er" sicher ist, dass wir das vertragen?
Ich erinnere mich da zB. sehr gerne an meinen ersten Marathon, der als HM geplant war.
Vier Runden à 10,55km mit ner handvoll Höhenmeter und schon in der 2. Runde war ich derartig high, dass ich ohne grosses Nachdenken den Marathon zuende gelaufen bin, anstatt nachm HM auszusteigen.
Als ich nach dem Zieleinlauf wieder "runterkam" tat mir alles, aber erstmal auch wirklich alles, weh. Wenn ich das unterwegs schon gespürt hätte, hätte ich das nie und nimmer gemacht.
Die "Spätfolgen" waren aber gering: nach dem Lift ans Tageslicht war es treppab etwas beschwerlich, am Tag danach hatte ich mittelmässigen Muskelkater (nach Zirkeltraining schon deutlich Schlimmeres erlebt), war aber abends schon wieder geil auf Schwimmtraining, am zweiten Tag danach war ich wieder mitm Rad in der Firma und bin abends noch ne Runde gelaufen;- weil ich mich absolut top fühlte und nix mehr spürte...:Gruebeln:

tobi_nb 24.03.2008 12:54

P.S.:

Die Frage, die sich mir stellt:

Ist der Muskel der erste, der Signale ans Gehirn sendet (z.B. hierdurch:
http://news.bbc.co.uk/2/hi/health/7238396.stm )
und meldet ich bin erschöpft, worauf das Gehirn reagiert.

Oder sendet das Gehirn die ersten Signale aus, worauf der Muskel "denkt" er ist erschöpft.
Die Wirkung auf den Gesamtorganismus wäre die gleiche, nur im ersteren Fall wäre das Gehirn nicht "The Central Governor"

Flow 24.03.2008 12:58

Zitat:

Zitat von sybenwurz (Beitrag 79118)
Als ich nach dem Zieleinlauf wieder "runterkam" tat mir alles, aber erstmal auch wirklich alles, weh.

Das Herz und das Hirn und andere lebenswichtige Organe, oder "nur" der gesamte Bewegungsapparat, der heutzutage größtenteils überflüssig ist ... ? ;)

Zitat:

Wenn ich das unterwegs schon gespürt hätte, hätte ich das nie und nimmer gemacht.
Die "Spätfolgen" waren aber gering: nach dem Lift ans Tageslicht war es treppab etwas beschwerlich, am Tag danach hatte ich mittelmässigen Muskelkater (nach Zirkeltraining schon deutlich Schlimmeres erlebt), war aber abends schon wieder geil auf Schwimmtraining, am zweiten Tag danach war ich wieder mitm Rad in der Firma und bin abends noch ne Runde gelaufen;- weil ich mich absolut top fühlte und nix mehr spürte...:Gruebeln:
... also nichts "Lebensbedrohliches" ... und du hättest mal noch ordentlich schneller rennen können :Peitsche:



Zitat:

Gibt es vielleicht auch ein umgekehrtes System des "Central Governor", welches uns anpeitschen kann, wenn "er" sicher ist, dass wir das vertragen?
Adrenalin, Endorphine ...

Danksta 24.03.2008 13:08

Zitat:

Zitat von dude (Beitrag 79036)
konsequenz: weniger umfangsbetont trainieren, mehr in der wettkampfgeschwindigkeit. den geist erziehen, dass das WK-tempo ertraeglich ist.
beispiel: ein rein ausdauertrainierter laeufer macht nach 4-5 wochen tempotraining einen krassen leistungssprung der physiologisch aufgrund der kurzen zeitspanne nicht realisierbar ist.



etc pp

Interessanter Punkt. Ich werd mir den Podcast noch anhören. Der Kopf setzt die Grenzen, in denen sich der Körper bewegt (im Rahmen des biologisch möglichen natürlich). Das muss ja gar nicht viel sein. Aber können wir nicht alle härter kämpfen, wenn wir den Gegner vor Augen haben? Sind es nicht diese letzten 2 Prozent, die ein gutes von einem schlechten Rennen unterscheiden.

Jetzt aber zum fettgedruckten mal die Frage anders formuliert. Muss ich nicht meinen Kopf auch daran gewöhnen, dass 9h Belastung "erträglich" sind? Ist nicht ein entscheidender Punkt des Ausdauertrainings die Gewöhnung an die lange Belastung?


Meine Trainingsphilosophie besagt extrem kurz gefasst, dass man Tempo und Ausdauer getrennt trainieren und dann langsam zusammenführen soll.

Für die wichtigsten Einheiten für den IM halte ich lange Ausdauerfahrten einerseits und harte Tempofahrten andererseits. 6 Wochen vor dem Rennen fahr ich dann auch mal 3h lang im 38er Schnitt durch die Pampa.
Beim Marathon sind das dann 3h Läufe für die Ausdauer und 1,5h Tempoläufe im Marathontempo.

Bei meinen schlechten Rennen fand ich das Renntempo immer abartig schnell. Bei den guten hatte ich mich vorher dran gewöhnt.

dude 24.03.2008 13:10

Zitat:

Zitat von tobi_nb (Beitrag 79123)
Die Wirkung auf den Gesamtorganismus wäre die gleiche, nur im ersteren Fall wäre das Gehirn nicht "The Central Governor"

genau das ist die theorie von noakes. hirn an muskel.

dude 24.03.2008 13:13

Zitat:

Zitat von Danksta (Beitrag 79126)
Ist nicht ein entscheidender Punkt des Ausdauertrainings die Gewöhnung an die lange Belastung?

aber natuerlich. die frage ist halt, warum man sich dafuer so lange bewegt, wenn eigentlich "nur" das hirn es begreifen muss.

noakes beispiel ist das tempotraining eines nur auf ausdauer getrimmten sportlers ueber 4-5 wochen. es zeigen sich dramatische leistungsspruenge, die physiologisch innert dieser kurzen zeit nicht erklaerbar sind. mit anderen worten: das hirn hat's kapiert, dass es auch schneller geht ohne fatale folgen.

Danksta 24.03.2008 13:13

Wegen Hirn an Muskel:

Nach dem IM 2006 konnte ich nur noch humpeln. Eine Stufe von 10cm war die Hölle. Als ich dann gesehen habe: "Quali geschafft", tat nix mehr weh. Das Potential schlummert also, man muss es nur wecken :)

tobi_nb 24.03.2008 13:14

Zitat:

Zitat von dude (Beitrag 79127)
genau das ist die theorie von noakes. hirn an muskel.

Wäre ja nicht schlecht, würde bei mir auf Grund des geringen Verhältnisses von Hirn zu Muskel gut funktionieren.:Lachanfall:

Aber mal im Ernst, auf welche Basis stützt sich diese Theorie? Kann man den schon die Richtung und den Zeitpunkt des Informationsflusses im Körper feststellen?

Danksta 24.03.2008 13:15

Zitat:

Zitat von dude (Beitrag 79130)
aber natuerlich. die frage ist halt, warum man sich dafuer so lange bewegt, wenn eigentlich "nur" das hirn es begreifen muss.

noakes beispiel ist das tempotraining eines nur auf ausdauer getrimmten sportlers ueber 4-5 wochen. es zeigen sich dramatische leistungsspruenge, die physiologisch innert dieser kurzen zeit nicht erklaerbar sind. mit anderen worten: das hirn hat's kapiert, dass es auch schneller geht ohne fatale folgen.

Da stellt sich doch prompt die Frage: Soll ich da heute bei meinem 3h Lauf drüber nachdenken :Cheese:

dude 24.03.2008 13:23

@all: ehe hier rumspekuliert wird auf basis meiner duennen und eventuell unpraezisen angaben: hoert euch das interview an!

tobi_nb 24.03.2008 13:44

Zitat:

Zitat von dude (Beitrag 79137)
@all: ehe hier rumspekuliert wird auf basis meiner duennen und eventuell unpraezisen angaben: hoert euch das interview an!


Ohne das Anhören des Interviews:

Alle Berichte derer, die hier in bestimmten Situationen plötzlich keinen Schmerz mehr spürten (Danksta, Flow, Sybenwurz) beruhen auf den Umstand etwas positives erlebt zu haben. Man könnte also auch mutmaßen, dass das Gehirn Drogen ausgeschüttet hat, um den kaputten Körper auszutricksen. Oder anders, der kaputte Körper sendet Signale ans Hirn, und selbiges blockiert die Aufnahmebereitschaft dafür.
Beim Zielsprint ist dies ja auch nichts anderes. Das Ziel vor Augen erlebt man Glücksgefühle.
Sendet das Gehirn also während des WK's ständig Signale an den Körper um ihn zu schützen, und selbiger ist gar nicht so kaputt wie man glaubt, oder sendet das Gehirn kurz vor Schluß Signale aus, die die Signale des kaputten Körpers überdecken Ist man beim Zielsprint bereits überm Grenzbereich und das Gehirn läßt dies zu, weils zugedopt ist?

Oder noch anders, wenn das Gehirn als erstes die Info gibt, dass der Körper kaputt ist, bevor er wirklich kaputt ist, müßte es die Situation des "Aufraffens im Training" bei dem man eigentlich kaputt und lustlos ist, aber nach dem Loslaufen feststellt dass man doch fit ist, weniger geben. Schließlich läßt ein das Gehirn hier glauben, man ist kaputt, obwohl mans nicht ist.

Bleibt die Frage, wer meldet sich zuerst: Der kaputte Körper, oder das Gehirn?

dude 24.03.2008 14:00

man muss mE sehr vorsichtig sein mit der trennung von geist und koerper.

nach noakes ist man nicht so kaputt wie das gehirn es einem glauben macht, um den koerper zu schuetzen. wobei "nicht so kaputt" schon wieder sehr subjektiv ist und daher eigentlich "noch mit ueberlebensreserven" lauten muesste.

dude 24.03.2008 14:02

Zitat:

Zitat von tobi_nb (Beitrag 79144)

Oder noch anders, wenn das Gehirn als erstes die Info gibt, dass der Körper kaputt ist, bevor er wirklich kaputt ist, müßte es die Situation des "Aufraffens im Training" bei dem man eigentlich kaputt und lustlos ist, aber nach dem Loslaufen feststellt dass man doch fit ist, weniger geben. Schließlich läßt ein das Gehirn hier glauben, man ist kaputt, obwohl mans nicht ist.

da vermute ich einen anderen hintergrund. unser koerper ist noch immer auf schutz vor unnoetigem verbrauch ausgeruestet.

Danksta 24.03.2008 23:00

So. Ich hab's mir mittlerweile angehört und finde es sehr interessant. Ergo sabbel ich mal vor mich hin, was mir so einfällt.

Die Details zu den Leistungstests zu erklären, fände ich jetzt zu kompliziert, aber die Theorie hat vieles, was mir gefällt. Den interessantesten Punkt finde ich den: "Das Gehirn setzt eine Grenze, die zu der erwarteten Belastung passt."

- man läuft ja beim Rennen gefühlt "voll" los. Nur ist das beim HM was anderes als bei 10K oder 100m
- ich laufe bei langen Läufen viel "schwerer" los, als wenn ich nur 10K laufe. Man weiß ja, was noch kommt
- wenn man den Wendepunkt erreicht hat, läuft es sich leichter


Der Kopf gibt einen Teil der Reserven frei. Aber nie 100%. Beim Sprint werden gerade mal 50% der möglichen Muskeln genutzt. Das ist ein purer Schutzmechanismus des Körpers. Den sollte man auch nicht bescheißen, Tom Simpson lässt grüßen. Der Körper legt die Grenze ja nicht willkürlich fest.

Was man aber tun kann, ist die Entscheidungskriterien beeinflussen. Eigentlich tun wir das immer im Training. Als ich vor 10 Jahren mit dem Laufen angefangen habe, hat mein Körper bei 6km in den Survivalmodus geschaltet. Dann hab ich das langsam ausgebaut und *bäm* mit nem 16km Lauf nen Quantensprung geschafft... Das Tempotraining war zu der Zeit ziemlich hart, das Renntempo hat sich immer recht locker angefühlt.
2h Laufen hat sich immer recht übel angefühlt. Nach vielen langen Läufen, auch vielen mit Tempo, sind "2h locker" eine Art verbesserter Kindergarten geworden. Warum?
- Die Ausdauer reicht locker für 3h im Schlappschritt ohne Trinken, ohne Essen. 2h sind dagegen ja nix.
- und wenn ich die 2h im 4:15er Tempo laufe... das ist 45sec/km schneller als beim 10K Rennen. Und das Tempo hab ich schon mal über nen Marathon durchgehalten
--> was folgert mein Kopf? 4:15 können wir freigeben, das passt. Zwischendurch auch mal was schneller, solange das Ankommen nicht in Frage gestellt wird.

Denn das ist der zentrale Punkt: Der Kopf kalkuliert meiner Erfahrung nach ziemlich gut, welches Tempo durchhaltbar ist. Und er kalkuliert natürlich auf der sicheren Seite.
Welche Faktoren gehen in die Berechnung mit ein?(hier die wichtigsten)
- Temperatur/Wetter
- Ernährung (was ist drin, was kommt während der Belastung)
- Tempo/Intensität
- Dauer/Strecke


Für mich ist die wichtigste Schlussfolgerung, dass man das Rennen simulieren muss. Nicht unbedingt die Dauer. Aber auf jeden Fall zwei Dinge:
- das Renntempo muss in Fleisch und Blut übergehen (Stichwort Fucking Marathon Pace)
- es muss einem im Training auch mal deutlich dreckiger gehen als im Rennen

Was gibt es da für Ansätze?
- Lauf im Renntempo ---> Ziel klar, Gewöhnung an Renntempo
- Intervalltraining ---> Schneller als renntempo --> RT wird easy
- Endbeschleunigung --> Man läuft voll in den Schmerz rein, zeigt dem Körper, wie's mit den Reserven aussieht
- lange GA Einheiten ---> man baut einfach den Komfortbereich zeitlich aus
- Koppeln im WK-Tempo --> wieder das Tempogefühl schulen
....


Eigentlich wenig neues, nur alte Dinge anders interpretiert. Vor allem zum Thema Laktat und Höhentraining. Echt mal anhören


Was folgere ich für mein Training?
Man muss den Körper auf die eigentlichen Limiter vorbereiten. Das ist viel öfter das Tempo, als man eigentlich meint. Nur Tempotraining tut ja weh...
Dieses Jahr mach ich das lustige Selbstexperiment, viele Intensitäten einzubauen. Zweimal die Woche wird flott gelaufen. Nix mit ellenlang GA aufbauen, ich mach auch keinen IM. Aber ständig im Renntempo rumbrettern macht auch Spaß. Was das für den Marathon bringt, wird man sehen. Aber die kurzen Rennen sind schon deutlich besser gelaufen. Und jetzt impfe ich mir noch 3:50 als MRT ein und gucke, was kommt!

drullse 24.03.2008 23:10

Zitat:

Zitat von Danksta (Beitrag 79229)
Eigentlich wenig neues, nur alte Dinge anders interpretiert.

Das war auch mein erster Gedanke - aber grade diese differenzierten Interpretationen machen solche Gedanken interessant.

fitnesstom 24.03.2008 23:26

Zitat:

Zitat von Danksta (Beitrag 79229)
Und jetzt impfe ich mir noch 3:50 als MRT ein und gucke, was kommt!


na also, geht doch!:Huhu:

run_oli 25.03.2008 09:16

Sehr spannende Diskussion.

Eine Anmerkung zu den Konsequenzen für das Training: Noakes empfiehlt in Lore of Running durchaus eine Grundlagenphase mit überwiegend lockeren Läufen. Ganz klassisch setzt er darauf eine kurze (!) Phase mit erhöhter Intensität. Wie Dude oben erwähnt hat, erfolgen die Anpassungen an das intensive Training relativ schnell. Die erworbene Fitness kann aber nur über einen kurzen Zeitraum (Peak) gehalten werden. Danach geht es auch schnell wieder bergab. Diesen Punkt halte ich ebenfalls für sehr wichtig. Um den optimalen Zeitraum für das intensive Training zu finden, braucht es viel Erfahrung, sonst ist man am Wettkampftag schon wieder auf dem Weg nach unten.

Ein weiterer Punkt ist, dass mentale Techniken wie Visualisierungen etc. keine Spinnereien sind, sondern wichtige Trainingselemente.

Grüße
Oli

F 18 25.03.2008 09:52

Zitat:

Zitat von dude (Beitrag 79151)
nach noakes ist man nicht so kaputt wie das gehirn es einem glauben macht, um den koerper zu schuetzen. wobei "nicht so kaputt" schon wieder sehr subjektiv ist und daher eigentlich "noch mit ueberlebensreserven" lauten muesste.

deckt sich auch mit meinen erfahrungen, seit ich mit ner gruppe trainiere, die eigentlich immer Gas gibt und das bei niedrigem gesamttrainingsaufwand geht meine Leistungskurve deutlich nach oben. Am Anfang war ich mir sicher mir auf diese art und weise langfristig die lichter auszuschiessen und hab das nur aufgrund der Gruppendynamik mitgemacht.
Ich hab grad ne woche mallorca hinter mir (6 Tage mindestens 50% des Trainings im Wettkampftempo), da würde jedes lehrbuch sagen der spinnt, trotzdem hab ich dort gut aufgebaut. Habs gerade gestern auf meiner Berglaufrunde gemerkt, die lauf ich normalerweise nur einmal (mit mühe), gestern zweimal, und das nachdem ich seit Freitag die Runde jeden Tag gelaufen bin.


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