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Unsere Erde ist so viel besser als wir glauben
5 mal habe ich bisher die Zivilisation hinter mir gelassen. Bin per Radel nur mit Zelt, Schlafsack und Kocher ausgerüstet in Gebiete mit den dünnsten Bevölkerungsdichten der Welt. Tief im Osten Finnlands, im hohen Norden Schwedens oder an den unzugänglichsten Küsten Norwegens weit nördlich des Polarkreises. Das Ziel war stets mehrere Monate in völliger Abgeschiedenheit zu leben, selbstversorgt durch Sammeln und Jagen (Fischen) und einen großen Trockenfutterkoffer auf dem Gepäckträger.
Nach höchstens 10Tagen hat mir die Einsamkeit jedoch so zu schaffen gemacht, das ich abbrechen musste. Eine Tour mit einem jetzt nicht mehr guten Freund lief zwar 2 Wochen, doch war der Wunsch heimzukehren schon nach 6-7 Tagen alles überschattend. Ich dachte: Du bist wahrscheinlich nicht für sowas gemacht, bildest dir ein, ein Naturbursche zu sein, autark leben zu können und der Gesellschaft den Rücken zu kehren. Du bist genauso abhängig vom modernen Luxusleben, getrimmt auf die Erleichterungen des Alltags durch moderne Technik wie alle Sesselpupser auch! Jedes Jahr kribbelt es mich von neuem! Das muss es doch geben! Dieses Gefühl, dass der Mensch im Grunde für das Leben in der Wildnis, für Unabhängigkeit, für Ressourcen- statt Geldorientierung gemacht ist. Direkt verbunden mit der Natur, Erd- statt Parkettboden, Himmel statt Raufasertapete, Flüsse, Holz, Beeren und Fische statt Küche mit Wasserhahn, Herd und Kühlschrank? Werde ich dieses Gefühl irgendwann erleben? Gibts das gar nicht? Ist der Mensch etwa schon zu weit weg, zu dicht mit der modernen Gesellschaft verwoben, um ausbrechen zu können? Dieser Versuch sollte der letzte sein! Über 2 Monate lang soll es nördlich des Polarkreises ganz in den Osten Finnlands gehen, einziger nennenswerter Ort ist Salla. Nicht einmal ein Mensch pro Quadratkilometer, rechnet man den winzigen Ort weg, wohnt da niemand mehr. Im Gegensatz zu tausenden Rentieren, Elchen, Luchsen, Wölfen und Bären. Aber wie beuge ich den Abbruch durch Einsamkeit vor? Ganz einfach: Meine Frau und unser 10 Monate alter Sohn kommen mit! Zur Reise an sich gibt’s so viel zu sagen… unglaublich… Jeden Tag ein anderer Ort, über 50Nächte im Zelt oder gar nur im Schlafsack. Der Kleine wacht nachts auf, und… das gibt’s doch nicht, daheim weint er doch immer? Warum ist er so still? Da! Nordlichter, rings herum unzählige Sterne, wenn man genau hinschaut gibt es keinen einzigen Fleck ohne Lichtlein am Himmel. Der Kleine lächelt und kuschelt sich an meine Schulter, Mama rückt noch dichter ran, 15 Minuten später schläft er im kuscheligen Schlafsack wieder ein, es sind knapp 4 Grad. Nicht nur Radeln, eine kleine Wanderung im Wald, wir sind jetzt schon Wochen lang unterwegs. Unser Sohn schaut mit großen Augen ins Dickicht. Träumt er? Nein, jetzt sehen wir es auch Waldhimbeeren, ganz kleine, vielleicht 5 oder 6, den Rest haben sicher schon die Vögel gepickt. Ich schlage mich durchs Gestrüpp, komme mit einer Handvoll Himbeeren zurück. Der Kleine greift mit Pinzettengriff behutsam nach den Beeren, glucksend und lachend ist er eine nach der anderen ganz langsam und genüsslich auf (hmmmammamm hört man leise). Alle paar Hundert Meter müssen wir nur auf sein Lächeln reagieren, und finden Himbeeren, manchmal nur eine Einzelne. Der Kleine ist noch nicht mal ein Jahr, doch schätzt er den Wert jeder einzelnen Himbeere mehr als wir es je taten. Beim dritten Himbeerfund greift er nicht nach den Beeren, sondern deutet zuerst mit seinem winzigen Zeigefinger auf Mamas, und danach auf Papas Mund, als wir jeder eine essen lacht er über das ganze Gesicht, Tanzt auf meinem Arm und nimmt sich auch eine. Ganz langsam. (hmmmmammamm) Wir stehen mitten im Wald 200km um uns herum keine Menschenseele… …für unseren Kleinen zählt die Reise jetzt knapp ein Sechstel seines Lebens. Spontan zieh ich meine Schuhe aus, und gehe Barfuß zum nächsten Himbeerstrauch, freue mich fast weinend auf seine nächste Reaktion. Die Natur schenkt unserem Sohn Liebe, und er teilt sie mit uns! Das werde ich nie vergessen! Das lang ersehnte Gefül, von dem ich träumte habe ich nicht gefunden, es ist etwas anderes, jenseits von einem Gefühl, eher so etwas wie eine Gewissheit. Unsere Erde ist viel freundlicher als wir glaubten! Sie kann so lebenswert leuchten. Unser Baby ist… alles Gute dieser Welt in Person! |
toll, einfach nur toll :)
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Cool!
Ohne Scherz, ich hab mich heute in der Mittagspause gefragt "was macht der krasse Ben eigentlich". Schön von dir zu hören :-) |
Du hast mit deinem Beitrag diese kleine virtuelle Welt hier ein Stück wertvoller gemacht. Danke.
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Toll!!!
Mutig auch dass mit kleinem Kind, Frau + Gepäck durchzuziehen. Auch wenn das sicher die allerliebsten Begleiter waren, war es sicher nicht ganz einfach. Schön, dass ihr die Natur so erleben und genießen konntet. Wenn ich manchmal um mich schaue, dann sehe ich oft Mütter mit Sagrotan-Tüchern und wasweißich... die könnten das bestimmt nie so genießen. LG Marion:Huhu: |
Schön, Ben!
Auch dein Baby: schön! Grüße, ein wenig neidisch, aufs Kind und auf die Reise: J. |
Super, Ben!
So ists richtig! :liebe053: So monatelange Alleintrips in die Wildnis hab ich auch hinter mir. Westgrönland und Westküste Kanadas. Ich fands schön, so mit mir allein und fands sehr schwer wieder in die Städte zu kommen. Viel Spass noch und knuddel den Kleinen mal, der ist ja herzallerliebst :bussi: |
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Sehr sehr toll.
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Ich glaube wir haben ein sehr glückliches Kind...
... das hat auch was damit zu tun, dass wir ihm und nicht dem Triathlon oder dem Geldverdienen den Sommer geschenkt haben! |
Das ist das schönste was ich seit langem gelesen habe:)
Einfach wars bestimmt nicht, aber durch die "Einfachheit" sehr naheführend to the Roots und Familie. Dein Kleiner is ja ganz schön gewachsen und wenn man ihn so anschaut muss man einfach lächeln. Ein zufriedener kleiner Mensch. Danke für diese Geschichte :Blumen: :Huhu: Jürgen (der das Cabrio mal beguggt hat:Lachen2: ) |
Interessant. Du hast es also hingekriegt...
Ich habe das als Jugendlicher auch mehrmals probiert (auch Norwegen und Schweden, aber ohne Selbstversorger-Ambition) und bin über 6 Wochen nicht hinausgekommen. Ich war zu einsam. Ich habs dann aufgegeben und mich damit abgefunden, hier bleiben zu müssen... Aber hey: Das ist auch gut! |
Sehr eindrucksvoll!
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Der erste Urlaubstag war schwierig, vor allem die erste Nacht im Zelt, zumal nahe Rovaniemi Nachts lauter Motocrosser um unser Zelt gerast sind. Die wollten uns ärgern.
Dann hat sichs aber schnell eingependelt. Das Spiel war immer: - Aufwachen, - Frühstück machen, - Zelt abbauen, - Radfahren meist 2-3 Stunden, - Spiel- und Krabbelpause, - dann nochmal 1-2 Stunden radeln oder Wandern, - Zelt aufbauen - krabbeln, - abendessen manchmal Fisch gefangen (das schmeckt dem kleinen), - schlafen. Wir sind immer, also wirklich immer alle 3 gemeinsam in unseren Doppelschafsack rein und wieder raus! Jeden Tag, das war das beste. Gegen Ende war es ein so einfacher Tagesablauf, das lies das ganze Leben sehr einfach erscheinen. Irgendwann hast du dich so an Wind, Regen, Sonne gewöhnt... Da brauchst du kein Haus mehr. Wir waren mal auf nem Campingplatz, da kostete die warme Dusche 1 Euro für 4 min... Ha! wer braucht denn sowas... nach 4 Wochen waschen in Lapplands Flüssen wir nicht... Die ersten Tage daheim waren leider weniger erfreulich... er musste sich einige Tage an Zuhause gewöhnen. Vor der Haustür sammelten sich schon die Amazon Kartons (Geschenke für den kleinen, er hatte ja Geburtstag im Urlaub) Da kriegste erstmal ne Meise wenn du Bobbycar, Tüüttüütgitarre, wild blinkende Brummkreisel und sprechende Plastikautos auspackst. Ihm macht erwartungsgemäß die Pfütze aus versehenlich verschüttetem Tee am meisten Spass. |
Der Mensch ist nicht für Einsamkeit gemacht. Zivilisation hinter sich lassen bedeutet nicht unbedingt Einsamkeit. Letzteres ist völlig unnatürlich für unsere Art :) .
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Zitat:
...noch ein, zwei Wochen, dann kommts mir auch nicht mehr wie "müssen" vor |
Auf Eins Plus ist gerade ein Drei-Teiler(jetzt zwar halb vorbei) über zwei Jungs, die 13000km mit dem Rad unterwegs sind, alles selbst gefilmt, was ganz nett ist.
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ich fand den film schon sehr toll:
http://www.youtube.com/watch?v=bPf1Dn_ulTs bald ist auch wieder EOFT... danke für den beitrag benjamin! das tut gut!:Blumen: |
Du furchtloses Kraftpaket - Neid!
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Ich wünsche euch noch eine schöne Zeit. und beneide euch auch ein wenig. |
Wow. Das liest sich sehr schön. Ich finde es mutig und würde mich das mit Kind nicht trauen. Hattest Du keinen Schiss vor allerhand Wildzeugs, das im Wald herumschleicht?
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Coole Sache, Neid!
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Wunderschön erzählt! Klingt nach einer großartigen Zeit
Danke fürs Teilhabendürfen |
Klingt toll :Blumen:
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Zum Träumen :Blumen:
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Da werde ich echt neidisch! Und das passiert bei mir recht selten.
(Gibts eigentlich im Deutschen keinen positiveren Begriff als "Neid" dafür? Bei "Neid" klingt nach meinem Sprachverständnis immer "Missgunst" mit. :confused: ) Wie habt ihr das über diese lange Zeit mit dem Essen gemacht? Alles aus der Natur? . |
Da wirst Du bestimmt noch lange dran zurückdenken. Toll, so etwas mit Kleinkind zu erleben, so eine Reise schweißt sicher auch sehr zusammen!
Auf jeden Fall beneidenswert! |
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ca. 25% unserer Nahrung selbst gefangen/ gesammelt. Ansonsten alle 5-7 Tage auf einen Markt oder Lade und die gekauften Lebensmittel in nem mittelgroßen Koffer auf dem Gepäckträger deponiert
Mal genauer zum Gepäck: von links nach rechts: - Hinten am Hänger eine 200cmx130cm Luft-/Schaumstoffmatratze - Im Hänger: Autositz, Zelt, 3Schlafsäcke, Tragesack fürs Baby, Kuscheldecke, Kochutensilien, Gasflasche, Kulturbeutel, und ein paar Kleinigkeiten - Gepäckträger: Tasche oben: Essen, Tasche links: meine und Tasche rechts meiner Frau Klamotten - In meinem Rucksack war meist frisches Obst und Gemüse sowie Brot und die Angel mit Köder Zum zweiten Teil der Reise hab ich dann noch nen 6 Liter Wasserkanister oben auf die Gepäckträgertaschen schnallen müssen, da wir zu wenig trinkbares Wasser fanden, da die Flüsse alle Moorig waren und dadurch das wasser su sehr nach Baumharz schmeckte, was auf Dauer nicht lecker ist. - Meine Frau (leider kein Bild) hatte noch nen 25Liter Rucksack aufm Gepäckträger mit den Babyklamotten, und Windeln. - Im Lenkerkörbchen Schoki, Landkarten und Fotoapparat. - 2 Große Werkzeugtaschen hatte meine Frau noch am Radl: vom Kettennieter bis zum Kasettenabzieher und ner Ersatznabe alles dabei. Wir hatten aber nur 4 Kettenrisse und 2 Platte Reifen am Anhänger! |
seid ihr immer ohne Helm gefahren?
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Hab das hier erst jetzt gelesen ... Wahnsinn... :Blumen: :Blumen: :Blumen:
Ich trau' mich nach dieser Nebensächlichkeit kaum zu fragen, aber... vier Kettenrisse? |
Ja, immer wider an der genieteten Stelle... war zu geizig ne neue Kette zu opfern... hätte aber sicher 3 Risse gespart..
Ein Bär stahl unsere Helme als wir schliefen... |
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Eher unverantwortlich. Nicht nur, das Kind wochenlang den Gefahren der Wildnis auszusetzen, sondern dann auch noch ohne Helm. Solchen Eltern gehören wirklich die Erziehungsrechte entzogen! (Brauch ich nen Smilie? Nee, oder? Wenn, dann den hier::Lachanfall: ) |
Bei den ersten Zeilen deines Eingangstextes dachte ich, das wird ein Reisebericht, doch es ist eine Liebeserklärung an die Natur und deine Familie. Toll! :Blumen:
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Ich war nach dem Abi mal 5500 km bis Griechenland und zurück. In die Wildnis hat es mich nie gezogen. Ich fand es interessanter Land und Leute und Kultur zu inhalieren. Und alle acht Tage mal eine warme Dusche zu haben.
Trotzdem sicher ein prägendes Erlebnis so fernab der Zivialisation. Und wunderbar geschrieben ist es auch. :Huhu: |
Toll... ich hab mir das damals auch überlegt, als unser Sohn so alt war... wir haben uns dann aus einem Grund dagegen entschieden... wir wollten sowas erst machen, wenn er dann die Erinnerung auch ein Leben lang mit sich tragen kann...
Deshalb wird die geplante Yukon-Befahrung mit dem Kanu noch ein paar Jahre warten... |
Hunki, wie alt ist denn dein Kleiner jetzt? Da kommen wir mit!
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Also nicht, dass ich die Reise als sinnlos ansehe, wenn sie nicht einen greifbaren Nutzen produziert - im Gegenteil: Auch ich "beneide" Euch um diese fantastische Erfahrung. Aber ich frage mich, was bleibt bei dem Kleinen davon hängen, auch wenn er sich wohl nicht bewusst daran erinnern wird. Ich jedenfalls weiß nichts mehr aus der Zeit als ich 1 Jahr alt war. Aber man lernt ja enorm viel in dem Alter, auch wenn man sich nicht dran erinnert, wie man es gelernt hat ... |
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